Erst kürzlich habe ich ausführlich über das Drama der Wettkampfschirme geschrieben - das Ende der Offenen Klasse und die Diskussionen darüber, welche Auswirkungen das auf den Gleitschirmmarkt haben könnte. Mittlerweile ist die Entwicklung schon wieder einen Schritt weiter, nach Diskussionen auf mehreren Fronten.

Swings Zweileiner mit EN-D. Foto: Swing
Zum einen gab es am vergangenen Freitag einen Runden Tisch der Gleitschirmhersteller-Vereinigung PMA mit Vertretern der Testzentren und Gleitschirmverbänden. Ein Bericht hierzu ist auf den Seiten des DHV zu finden. Wichtigstes Ergebnis für die Wettkampffliegerei: Der Teststopp für neue EN-D-Flügel, der nach dem Unfall eines Testpiloten von den Teststellen selbst ausgesprochen worden war, wurde aufgehoben. Damit werden für die Wettkämpfe im nächsten Jahr doch die Schirme der neuen High-End EN-D-Gerätegeneration zur Verfügung stehen. Neben Ozone haben auch Niviuk und Swing mit in der Geschwindigkeit eingebremsten Zweileinern bereits die Flugtests bestanden. Weitere Hersteller wollen folgen.

Zum anderen hat eine von der FAI Gleitschirmabteilung CIVL eingesetzte Task Force zur Sicherheit bei Wettbewerben einen Bericht vorgelegt. Darin geht es zum einen um die Analyse der Unfälle bei der WM in Piedrahita und um Empfehlungen für die weitere Entwicklung und Regulierung des Wettkampfgeschehens. Das Wichtigste in Kürze (es lohnt sich allerdings, im Original-Bericht zumindest die Executive Summary und die Recommendations genauer zu studieren):
  1. Bei der Mehrzahl der Unfälle während der WM bestand das Hauptproblem darin, dass die Piloten einfach zu schnell unterwegs waren.
  2. Es wird empfohlen, sobald wie möglich eine geprüfte Competition Class jenseits von EN-D einzuführen, um die unheilvolle Entwicklung hin zu Hochleistungsflügeln als Standard in der Serienklasse auszubremsen.
  3. Welt- und andere Meisterschaften sollten in zwei Wertungsklassen geflogen werden: Serien- und Competion.
  4. Die Piloten sollen vor einem Wettbewerb ein Mindestmaß an Können bzw. Training nachweisen.

Ob etwas davon umgesetzt wird und wann, ist unklar. Das nächste Treffen der CIVL, bei dem Entscheidungen gefällt werden, findet Mitte Februar statt. Zuvor gibt es Ende Januar einen entscheidenden Wettbewerb: Das Superfinal des PWC in Mexiko. Darauf werden alle Augen gerichtet sein, da dort erstmals die neuen Zweileiner mit EN-D gegeneinander antreten werden. Wie leistungsfähig und wie sicher sind sie tatsächlich? Ein einziger Unfall dort dürfte ausreichen, um die weitere Entwicklung des Wettkampfgeschehens auf Jahre hinaus zu prägen.

Eine Sache scheint aber heute schon klar: Der zusätzliche Druck, Schirme weiter an die oberen (Leistungs-)Grenzen ihrer Klassen zu bauen, ist durch die Einführung der neuen EN-D Zweileiner bereits im System und wird sich nicht so einfach wieder herausnehmen lassen. Und diese Entwicklung setzt sich in die tieferen Klassen fort.

Die wenigsten Hersteller werden sich zwei EN-D Flügel (High- und Low-End) im Portfolio leisten können. Um wettbewerbsfähig zu sein, werden sie deshalb künftig im oberen Bereich der EN-D Klasse konstruieren. Analog dazu rückt dann auch das Leistungsniveau der EN-C-Klasse nach oben. Diese Entwicklung lässt sich jetzt schon bei allen aktuellen C-Schirmen beobachten.

Ob das zu Lasten der Sicherheit bzw. der Unfallzahlen geht, ist damit keineswegs entschieden. Wie sicher oder unsicher ein Gleitschirm ist, hängt stets im entscheidenden Maß davon ab, wie er geflogen wird, also u.a. wie schnell (s.o.). Vielleicht wäre es an der Zeit, Gleitschirmwettbewerbe nicht mehr nach Sicherheitsklassen, sondern Geschwindigkeitsklassen (True-Air-Speed) durchzuführen...