Der vierte Schirm meiner diesjährigen Testreihe neuer Highend EN-B Modelle ist ein Mentor 3 von Nova. Zuvor hatte ich schon den Skywalk Chili 3Mac Paras Eden 5 und U-Turn Blacklight getestet. Geflogen bin ich den Mentor 3 in Größe S (80-100 kg) mit rund 95 kg, und zwar bei mauen bis kräftigen Thermikbedingungen im Gasteiner Tal sowie groundhandelnd auf Rheinwiesen. Das Gurtzeug war ein Woody Valley Peak. Mein Dank geht an Mik Broschart von Nova, der mir den Mentor 3 freundlicherweise als Testschirm zur Verfügung stellte.
Der Mentor 3 von unten betrachtet.

In der Geschichte des Gleitschirmbaus hat es immer wieder so legendäre wie erfolgreiche Schirmmodelle gegeben. Der Ur-Arcus von Swing ist so eine Legende. Und dem Mentor 2 von Nova muss man mittlerweile einen ähnlichen Status beimessen. Denn mit diesem Schirm hat Nova eine prägende Revolution am Gleitschirmmarkt ausgelöst. Plötzlich gab es einen Schirm, der viele leistungsorientierte Piloten zum Rückstieg von EN-D oder EN-C in die B-Klasse verleitete. Heute werden mit B-Schirmen Strecken geflogen, die früher selbst mit Hochleistern kaum denkbar waren. FAI-Dreiecke mit weit über 200 km stehen reihenweise in den Datenbanken der XC-Wettbewerbe. Und die Mehrzahl davon verzeichnet als Schirm einen Mentor. Der Mentor 2 ist zum Leistungs-Benchmark für andere Modelle geworden. Die starke Reduktion der Gesamtleinenlänge, der konsequente Einsatz von 3D-Shaping und anderen aerodynamischen Optimierungen in den neuen Modellen der Highend-B-Klasse fußt auch auf dem Willen, den Vorsprung des Mentor 2 aufzuholen. Gespannt waren viele Piloten darauf, inwieweit Nova mit dem Mentor 3 den Vorgänger noch toppen könnte. Würde er weiterhin an der Spitze der sogenannten Mentor-Klasse stehen? Ich selbst habe keine direkten Vergleichsflüge mit anderen Schirmen gemacht und kann auch keinen Vergleich mit dem Mentor 2 bieten. Doch das Gefühl, das der Mentor 3 beim Streckenfliegen vermittelt, ist tatsächlich das, unter einem Rasseschirm zu hängen.

Raff-Schlaufe der Bremsanlenkung des Mentor 3
Beim Design des Mentor 3 ist Konstrukteur Hannes Papesh seinem eigenem Credo treu geblieben, erfolgreiche Schirmkonzepte über die Jahre nicht grundsätzlich neu zu erfinden, sondern in den Details immer feiner zu schleifen. Der Mentor 3 ist weitgehend ein aerodynamisch optimierter Mentor 2: 3D-Shaping an der Eintrittskante (teilweise sogar doppelt); weicheres, weniger Falten werfendes Tuch an der Eintrittskante; ein überarbeiteter Stabilo (jetzt mit Miniribs) und eine modifizierte Bremsanlenkung mit leicht nach vorne versetzten Raff-Schlaufen sind die sichtbaren Details dieser Bemühungen. Laut Nova soll das angeblich die Gleitzahl noch einmal um 0,6 verbessert haben. Der Rest ist weitgehend gleich: 51 Zellen; Streckung von 5,43; eine Flächenbelastung von 3,8 kg/m² an der Gewichtsoberkante der S-Größe; weiche Stäbchen nur an der Eintrittskante; 3,5-Leiner; ummantelte Hauptleinen, unummantelte Galerie; 238 Gesamtleinenmeter in der Größe S.

Problemloser Vorwärtsstart mit dem Mentor // Foto: S. Scholz
Starten: Beim Aufziehen zeigt der Mentor 3 ein sehr ausgewogenes Verhalten. Die wenigen Leinen fallen gut auseinander und sind leicht zu sortieren. Bei den dünnen, unummantelten Galerieleinen ist Sorgfalt geboten. Die Kappe braucht nur einen kleinen Impuls um aufzusteigen. Die Steigphase ist sehr gleichmäßig und zuverlässig, sowohl rückwärts wie vorwärts. Im Scheitel braucht der Mentor 3 - im Gegensatz zu einigen Konkurrenten - nur wenig Bremsinput, um nicht zu Überschießen. Dafür sollte der Pilot freilich die Gurte während der Steigphase nur leicht führen, ohne weiteren Druck auszuüben. So gestartet bleibt die Kappe sogar ohne weiteres Zutun im Zenith stehen. Wer  etwas grobmotorischer an den A-Gurten zerrt, wird allerdings auch schon am Start zu spüren bekommen, zu welch energischem Vortrieb der Mentor 3 fähig ist.
Am Boden lässt sich der Schirm sehr gut händeln. Über das Spiel mit den A-Gurten kann man die Kappe im Wind leicht 50 cm über der Grasnarbe "parken" und dort halten. Die Kontrollierbarkeit über die C-Ebene ist sehr gut. Auch beim seitlichen Kobra-Start braucht man keine Tricks, um den Schirm flüssig über den Piloten zu ziehen.

Landen: einfach bis mittel. Die gute Gleitleistung verlangt eine etwas großräumigere Landeeinteilung. Der Schirm lässt sich sehr schön ausflaren.

Bremsen: Die Bremsen des Mentor 3 sind im Klassenvergleich eher auf der "knackigen" Seite. Sie sprechen schnell an und der Bremsdruck ist auch etwas höher als bei all den anderen von mir schon getesteten Modellen. Allerdings hängt einem der Schirm damit auch sehr mitteilsam an der Hand. Die meisten Manöver lassen sich in einem sehr kräftewirksamen Zugbereich fliegen, selbst wenn man gar nicht oder nur einmal halb wickelt.

Kappenfeedback: Hier punktet der Mentor 3 deutlich gegenüber z.B. Chili 3 oder Eden 5. Der Pilot erfährt sehr direkt, was in der Kappe los ist. Als "bester Draht" entpuppt sich dabei die Bremse. Kleine Entlaster, aber auch die Verteilung der Auftriebskräfte in der Thermik lassen sich vorbildlich über feine Zugkraftveränderungen erspüren, so als würde der vergleichsweise hohe Grundbremsdruck die Mitteilsamkeit potenzieren. Feedback über die Tragegurte ist auch vorhanden, aber deutlich weniger eindeutig und differenziert. In der Kombination gehört der Mentor 3 aber zu den Schirmen, mit denen sich eine Luftmasse gut lesen lässt. Ein Vorteil für das leistungsorientierte Fliegen.

Gewichtssteuerung: Anders als der Blacklight oder der Eden 5 spricht der Mentor 3 sehr gut und direkt auf Gewichtsverlagerung an. Er lässt sich erstaunlich schnell und weit nur mit dem Hintern aufschaukeln. Mit minimalem zusätzlichen Bremeinsatz entwickelt der Schirm eine große Dynamik.

Kurvenflug: Der Mentor 3 lässt alle Kurvenvarianten zu. Das flache Drehen ist freilich nicht seine ausgeprägte Stärke. Er will schon lieber mit deutlicher Gewichtsverlagerung im Kreis geflogen werden, um ein sattes Fluggefühl zu vermitteln. Dann ist er auch recht wendig. Die Einleitung der Kurven geschieht sehr direkt, und mit Gewichtsverlagerung geflogen ist auch erstaunlich wenig Bremszug nötig, um eine ausgewogene Kreisbahn zu bekommen. Bei stärkerem Zug auf der Innenbremse neigt der Schirm etwas zum Graben, lässt sich aber gut mit der Außenbremse einfangen. Allerdings sollte der Pilot nicht allzu viel und vehement mit der Bremse spielen. Der Mentor 3 spricht schnell darauf an und neigt bei falsch getimten Inputs dazu, sich aufzuschaukeln, was für den Beobachter von außen wippend, eckig und ungelenk wirkt. Es gilt, sich auf den Schirm einzulassen und ihm zu vertrauen: Hat man einmal die Wunschschräglage eingestellt, braucht man nur noch das Gewicht der Arme an den Bremsen hängen zu lassen, um mit dem Bremsdruck als variable Gegenkraft in eine Art Autopilotzirkelmodus zu gelangen. Der Mentor gleicht dann vieles von selbst aus. Der Pilot braucht sich nur noch aktiv um die möglichen Entlaster zu kümmern (sollte darauf aber schnell reagieren).


Thermikeigenschaften: Dieser Autopilotzirkelmodus macht den Mentor 3 zu einer effektiven Kurbelmaschine, solange man ihn mit wenig Bremse laufen lässt. In stärkeren Bärten hebelt der Schirm gerne mal und verlangt vom Piloten deutlich mehr als bei anderen Flügeln eine aktive Körperarbeit und Nachdrücken im Gurtzeug, um auf der Kreisbahn zu bleiben. Ein fliegender Bauchmuskeltrainer! Durch die hohe Wendigkeit lässt sich der Mentor dafür gut in engen oder zerrissenen Thermiken positionieren. Der Pilot muss das aber schon wollen und dem "Rasseflügel" zeigen, wer der Herr am Steuer ist. Der Mentor 3 ist kein Schirm für entspanntes, sondern eher arbeitsreiches Fliegen.

Beschleuniger: Der Beschleuniger des Mentor 3 ist gut zu treten, wenn auch im Konkurrenzfeld nicht der leichteste. Der Weg ist etwas länger als bei anderen Schirmen, zudem zeigt sich eine auffallend andere Beschleunigungscharakteristik. Während z.B. Chili 3, Blacklight oder Eden 5 in der ersten Hälfte des Beschleunigungsweges schon den größeren Geschwindigkeitszuwachs haben, legt der Mentor 3 erst in der zweiten Hälfte die größere Schippe drauf. Bei meinen Flügen waren es im Halbgas rund 5-6 km/h, bei Vollgas nochmals rund 7-8 km/h mehr. Das Schöne daran: Bis Halbgas verschlechtert sich die Gleitleistung tatsächlich nur minimal. Erst bei "Rolle auf Rolle" geht es dann spürbar abwärts, bei erstaunlich hoher Laufruhe.

Ohren anlegen: Die Sinkwerte sind mittelgroß. Die Ohren neigen dazu, ein bisschen zu schlagen. Nach dem Freigeben bleiben sie drin oder öffnen nur sehr verzögert, meistens müssen sie aktiv aufgepumpt werden.

Steilspirale: Lässt sich vergleichsweise schnell einleiten und erreicht genauso schnell hohe Sinkwerte. Schräglage und Sinkgeschwindigkeit lassen sich aber sehr gut über Innen- und Außenbremse dosieren. Die Kappe zeigt bei Freigabe der Innenbremse ein leicht verzögertes Aufrichtmoment.

B-Stall: bin ich nicht geflogen

Frontklapper: keine Auffälligkeiten, symmetrisches Anfahren.

Seitenklapper: Ich habe kleinere und größere Klapper bis 70% gezogen (nur unbeschleunigt). Der Mentor 3 zeigt dabei ein ganz eigenes Verhalten. Er dreht schnell bis zu 90 Grad ab, um dann erst mit einer Gedenksekunde deutlich vorzuschießen und abzutauchen. Vor allem bei größeren Klappern steckt spürbar viel Energie in diesem Manöver. Es verlangt ein sehr entschiedenes Eingreifen des Piloten. Ohne das aktive Gegensteuern nimmt der vorschießende Schirm nochmals Fahrt in der Kreisbahn auf und dreht deutlich weiter ab. Es kann zu kleinen Gegenklappern kommen. Unerfahrene Piloten könnte ein solches Verhalten deutlich überraschen und überfordern!

Nicken: Die Schießtendenz bei den Klappern zeigt sich im Charakter auch beim induzierten Nicken. Nach nur zwei Oszillationen kommt der Schirm schon weit vor den Piloten. Der Flügel lässt sich aber sehr gut mit moderatem Bremseinsatz abfangen.

Rollen: Der Mentor 3 lässt sich schon allein mit Gewichtsverlagerung sehr gut aufschaukeln. Da reicht nur wenig Bremse aus, um daraus richtig hohe Schwünge zu machen.

Packen: Der Schirm lässt sich problemlos packen, ob mit oder ohne Zellenpacksack. Die weichen Stäbchen in der Profilnase sind unempfindlich.

Qualität: Durchweg gut. Die Tragegurte sind schmal und aus einem relativ weichen Gurtband, das sich schnell einmal verdreht. Beim Aufnehmen der Bremsen sollte man deshalb größere Vorsicht walten lassen. Löblich ist die trimmfreundliche Einschlaufung der Leinen, die schon ab Werk bei Bedarf auch eine Verlängerung der Leinen erlaubt. Ein Kritikpunkt ist die steife Vernähung der metallenen Harken-Bremsrollen. Bei meinem Testmodell "stand" eine Bremsrolle so, dass die Bremsleine beim Ziehen nicht über die Rolle, sondern über den metallenen Seitenkäfig lief und ständig leicht scheuerte. Auf Dauer dürfte das der Bremsleine schaden. Mir würde es auch besser gefallen, wenn die Leinen von B- und C-Ebene unterschiedlich gefärbt wären und v.a. auch die Stabilo-Leine eine Sonderfarbe hätte, die sich auch von der Bremsleine unterscheidet.

Fazit: Wer mit dem Mentor 3 auf Strecke geht, versteht schnell, warum viele leistungsorientierte Piloten auf diesen Schirm bzw. seinen wohl sehr ähnlichen Vorgänger große Stücke halten. Der Mentor 3 vermittelt dieses besondere Quentchen sportliches Fluggefühl: eher harte, aber exakte Lenkung; energische, aber gut zähmbare Kappenbewegungen, deren Dynamik sich sich für einen ordentlichen Zug nach vorn nutzen lässt. Die Anforderungen an die Feinfühligkeit des Piloten sind dabei allerdings schon im Alltag etwas höher als bei vielen anderen Schirmen dieser Klasse. Wer das und den gelegentlichen Biss des Schirmes zu nehmen weiß, bekommt einen eindrucksvollen Leistungsflügel geboten. Für viele Aufsteiger in die B-Klasse dürfte der Mentor-3 aber in bewegter Luft noch ein bisschen zu forsch daherkommen.

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