Diese kleine Serie auf lu-glidz beschäftigt sich mit Sicherheitsmängeln, die viele Schirme der neuen Generation konstruktionsbedingt aufweisen (können). Im Teil 3 geht es um scheuernde Stäbchen.

Fast alle modernen Schirme besitzen mittlerweile irgendeine Form von "Stäbchen" als Formgeber in der Eintrittskante. Sie erfüllen dort zwei Funktionen. Zum einen geben sie die Profilform an den Einlassöffnungen der Zellen vor. Das verbessert spürbar die Starteigenschaften. Zum anderen sorgen sie für eine Vorspannung des Segelstoffes in Längsrichtung. Durch diese Versteifung wird das Profil bei Druck von vorne nicht mehr so schnell gestaucht. Es bilden sich also weniger Querfalten, welche die Strömung stören und somit Leistung mindern können. Allerdings gibt es auch Nachteile.

Tuchriss entlang der "Scheuerstelle" eines Stäbchens.
Quelle: Gleitschirmdrachenforum
Einer der Nachteile zeigt sich darin, dass die Stäbchen eine scheuernde Oberfläche für die darüberliegenden Segeltücher darstellen können. Bei manchen Bau- bzw. Nähformen sind die Stäbchen im direkten Kontakt mit dem Obersegel, haben aber, weil sie innen verbaut sind, einen ganz klein wenig anderen Biegeradius als der darüber liegende Stoff. Das kann dazu führen, dass jedes In-sich-Arbeiten des Flügels zu minimalen Verschiebungen des Stoffes gegenüber seiner Stäbchenauflage führt. Der Stoff reibt also auf den Stäbchen und wird dabei - anfangs kaum sichtbar - geschwächt. Bei einer plötzlichen stärkeren Belastung, etwa wenn ein Flügel beim Groundhandling oder nach einer Landung auf die Nase fällt, kann der Stoff an dieser Schwachstelle schneller reißen. Ein Leistungsmakel.

Bei den wenigen bisher öffentlich diskutierten Fällen haben sich die Hersteller auf den Standpunkt gestellt, dass die Schäden allein auf eine unsachgemäße Behandlung durch den Piloten (rücksichtsloses Bodenhandling auf hartem Untergrund) und eine Abnutzung der Stoffe "von außen" zurückzuführen wären. Doch intern wird diese Reibungs-Problematik der Stäbchen durchaus diskutiert. Einige Konstrukteure vernähen die Stäbchen mittlerweile in eigenen Stofftaschen, andere nähen die Stäbchen etwas nach Innen versetzt auf dünnen Mylar-Streifen auf und halten sie so vom Obersegel fern.

Scheuerstäbchen sind also kein allgemeines und auch kein unlösbares Problem. Doch es ist eines, dessen sich die Piloten bewusst sein sollten. Gerade bei Schirmen, die eine besonders starke Vorspannung durch die Stäbchen aufweisen und bei denen die Stäbchen am Obersegel gewissermaßen "fühlbar" sind, ist ein besonders vorsichtiger Umgang am Boden ebenso angebracht wie eine regelmäßige Sichtkontrolle der potentiellen Scheuerstellen an der Eintrittskante.

PS: Ich habe in diesem Post bewusst keine Hersteller und Modellnamen genannt, da sich die Scheuerstäbchen nicht eindeutig irgendwelchen "Problemserien" zuordnen lassen.