Der Sensis vermittelt echtes Cruiser-Feeling und empfiehlt sich als Flachlandschirm.

Der Swing Sensis beim Windenstart im Westerwald.
Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Swing Sensis wurden in circa 5 Flugstunden unter unterschiedlichen Bedingungen (Thermik, Soaring, Groundhandling) sowohl an der Winde wie nach Hangstarts im Wied- und Ahrtal gewonnen. Geflogen bin ich den Sensis in der Größe SM (80-102 kg) mit rund 92 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Swing zur Verfügung gestellt.

Es war schon eine kleine Überraschung, als Swing als einer der ersten Hersteller nicht nur eine oder zwei, sondern gleich noch eine dritte Modelllinie in der B-Klasse präsentierte. Offenbar war deutlich geworden, dass der Arcus von den Piloten nicht (mehr) als direkter Konkurrent im Mid-B-Segment zu Schirmen wie Gin Atlas, Nova Ion 3 oder Skywalk Tequila 4 wahrgenommen wird, während der Highend-B-Schirm Mistral 7 vielen schon als zu sportlich erschien. Also musste etwas Neues her, ein Schirm, der genau mittig in der Klasse sitzt, alltagstauglich ist und dennoch auch mit Leistung punkten kann. Aus diesen Gedanken heraus wurde der Sensis geboren. Es ist der erste Swing-Schirm, bei dem Michael Nesler als Konstrukteur ordentlich mitmischte, was sich auch in einigen Details wiederspiegelt.

Ich selbst war gespannt, wie sich der Sensis in die aktuelle Mid-B bzw. EWS-Klasse (Nova bewarb den Ion mal als EWS = Eierlegende-Woll-Milch-Sau) einreihen würde. Beim Testprogramm selbst habe ich mit dem Sensis etwas erlebt, was mir so bisher mit noch keinem Schirm widerfahren ist. Bei den ersten Flügen habe ich mich unwohl gefühlt, bekam keinen richtigen Kontakt zu Kappe, vermisste ein Gefühl von Einheit und war schon drauf und dran, den Tester gleich wieder an Swing zurückzuschicken mit den Worten: Sorry, das ist kein Schirm, über den ihr tatsächlich einen Testbericht von mir lesen wollt. Aber dann entschied ich mich, dem Sensis doch noch mal eine Chance zu geben. Mit jedem weiteren Flug erschloss sich mir mehr und mehr, welche Qualitäten im Sensis stecken, wenn man es denn zulässt, dass er sie entfaltet. Die auffälligste ist: Der Sensis ist ein Thermikschnüffelschwein. Am Ende habe ich den Tester sogar ungern zurückgegeben. Für mich war das eine wertvolle Erfahrung. Sie zeigt, dass man bei Schirmen - wie bei Menschen - mit den ersten Eindrücken manchmal daneben liegen kann. Es lohnt sich immer, dran zu bleiben. Kurztests bestätigen in der Regel nur die eigenen Vorurteile. Darum hier etwas ausführlicher:

Die gut aufgespannte Eintrittskante des Sensis. An steilen Startplätzen
klappt sie bei Schwachwind gerne mal nach vorne um.
Starten: Das Startverhalten des Swing Sensis ist angenehm unkompliziert. Die immerhin 6 kg (Größe SM) schwere Kappe "sitzt" auch bei stärkerem Wind gut am Boden. Es gibt drei komplett ummantelte und farblich getrennte Leinenebenen (die C gabelt sich unter der Kappe noch zu einer D-Ebene auf), die an noch recht breiten Gurten hängen. Die Leinen sind etwas hakelig, fallen nicht ganz von selbst auseinander, lassen sich aber dennoch ohne größere Probleme sortieren. Beim Aufziehen braucht der Sensis nur wenig Zug, den aber konstant bis zum Scheitelpunkt. Gibt der Pilot die Gurte zu früh frei, kann die Kappe bei 70° etwas hängen bleiben oder gar wieder zurück fallen. Das ist aber kein Manko, lässt es dem Piloten doch über den gesamten Startprozess die Kontrolle. Mit leichter Führung, steigt die Kappe sehr gleichmäßig, ohne Tendenz zum Beschleunigen oder Überschießen. Dieses Verhalten ist sowohl bei schwachem wie bei starkem Wind präsent. Auf Korrekturen über die Bremse oder die C-Gurte reagiert der Schirm etwas träge, neigt dann aber auch nicht zum Übersteuern. Insgesamt verlaufen Starts mit dem Sensis angenehm entspannt. Die einzige gelegentlich störende Eigenschaft ist, dass die gekreuzten Doppelstäbchen der angedeuteten Haifischnase mitsamt der stabilen Nahtbänder und sonstigen vorhandenen Verstärkungen die Eintrittskante etwas übergewichtig machen. Bei schwachem Wind an steilen Startplätzen kann es häufiger vorkommen, dass einem die schön ausgelegte Kante bei leichtestem Zug nach vorne umklappt und dann verschlossen da liegt. Wer dann wartet, bis wieder einmal ein öffnender Windstoß daher kommt, kann sich gelegentlich die Beine in den Bauch stehen.

Windenstart: Auch an der Winde macht der Sensis eine angenehm kontrollierbare Figur. Einzig bei der Richtungskontrolle am Seil ist ein erstaunlich tiefes Ziehen an der Bremse nötig, bis die Kappe reagiert - was mit der besonderen Bremsanlenkung (s.u.) erklärbar ist. Erfahrenen Piloten würde ich empfehlen, den Sensis am Seil bei Bedarf nur mit leichtem Zug auf der äußersten C-Leine (nur 1 Leine, nicht den ganzen Gurt!!) wieder auf Spur zu bringen. Das ist effektiver.

Landen: Keine besonderen Auffälligkeiten.

Der Sensis hat noch breite Tragegurte mit geteilten A, B und C-Ebene.
Die Stabilo-Leine ist leider genauso gelb wie die C-Leinen.
Bremsen: Der Bremsdruck des Sensis hat ein gesundes Mittelmaß, auf jeden Fall ist er etwas geringer als beim Atlas und erst Recht beim Ion 3. Schon von den ersten Zentimetern an ist der Zug spürbar. Bis 30 cm steigt der benötigte Kraftaufwand kaum, danach deutlich an. Interessant ist die Bremsanlenkung des Sensis. Sie ist nicht auf Quirrligkeit, sondern eindeutig auf flaches Drehen hin optimiert. Bei ganz leichtem Zug greift die Bremse als erstes in der Mitte jeder Flügelhälfte, zum Stabilo hin kommt die Hinterkante erst bei etwas tieferer Bremsstellung unter Zug. Ich glaube, dass dieses Bremsen-Setup zum meinem anfänglichen Unwohlsein mit dem Flügel beigetragen hat. Wer mit leichtem Zug "auf Kontakt" mit dem Schirm fliegen will, wird genau diesen Kontakt zum Außenflügel vermissen. Auf der anderen Seite bleibt der Schirm so auch von einem hampelnden Piloten recht unbeeindruckt und zieht ruhig sein Bahn. "Der Sensis hängt nicht nervös an der Bremse", habe ich in mein kleines Testbüchlein notiert. Das heißt freilich auch: Wer etwas dynamischere Reaktionen will, muss bewusst tiefer ins Gebälk greifen.

Kappenfeedback: Im Flug liefert der Sensis die meisten seiner Infos über die Tragegurte und das Popometer. Das macht der Schirm aber auf eine sehr feine Weise, differenziert und subtil. Die Kappe bildet keine brettartige Einheit, wirkt aber auch nicht wabbelig. Beide Flügelhälften melden sehr eindeutig, aber getrennt über ihren jeweiligen Kanal (Gurt), was sie von der Luft erspüren, gelegentliches leichtes Hebeln eingeschlossen. Etwas schwerer ist es, den Spannungszustand der Kappe zu lesen. Durch die mitten-betonte Bremsanlenkung bleiben die Ohren lange von der Bremse wie abgekoppelt. Ab und zu winkt die Kappe mit den Ohren, schnalzt hörbar auf und hinterlässt den Piloten fragend: He, was war da, da hat nichts darauf hingedeutet? Erst bei einer tieferen Bremsenstellung z.B. in engen Bärten wird der Sensis auch über die Bremsen gesprächiger. Das ist allerdings keine Position, die man im Normalflug suchen sollte.

Gewichtssteuerung: Der Sensis reagiert gut, wenn auch vergleichsweise unaufgeregt auf Gewichtsverlagerung. Für ein effektives Kurvenfliegen ist sie auf jeden Fall empfehlenswert, v.a. wenn es darum geht, die tendenziell flachen Thermikkreise auch mal flach auf engere Kreisbahnen zu bringen.

Kurvenflug: Die Grundcharakteristik des Sensis ist die eines ausgeprägten Flachdrehers. Die behält er auch bis in erstaunlich enge Kurvenradien bei. Da die Bremse erst etwas später am Außenflügel greift, geht die Kurveneinleitung sehr graduell und ohne Tendenz zum Graben vonstatten. Wer einem sportlichen zack-zack Flugstil frönt, für den ist der Sensis sicher der falsche Schirm. Steiler stellen, nachzentrieren - all das macht der Sensis anstandslos, aber mit der Ruhe eines englischen Butlers. Dafür bleibt er aber auch dabei. Eine einmal eingestellte Kurvenlage hält er ohne weitere Eingriffe geradezu stoisch ein. Nur bei steileren Fluglagen wird ein deutliches Aufrichtmoment spürbar. Hier ist dann immer wieder ein Nachdrücken erforderlich, was bei tieferer Bremsenstellung und den dann hohen Steuerdrücken auch anstrengend werden kann.

Ein Flug mit dem Sensis in Hönningen (Ahrtal). // Foto: H. Schlegel
Thermikeigenschaften: Der Thermikflug ist eindeutig der Bereich, in dem der Sensis am stärksten punktet. Gerade in schwachen, homogenen Thermiken zeigt der Flügel Qualitäten als Klettermaxe, dem andere Schirme nur schwer folgen können. Hinzu kommt noch eine weitere Eigenschaft: Im Flachdrehmodus erscheint es gar so, als hätte der Schirm eine eingebaute Zentrierautomatik. Einfach drehen und fliegen lassen, der Schirm zieht fast wie von selbst in den Steigkern hinein. Da verzeiht man dem Sensis sofort, dass man als Pilot so wenig Infos über die Bremse geliefert bekommt. Man braucht diese Infos im Grunde gar nicht, man kann auf die "Automatik" des Schirms vertrauen (auch wenn das natürlich etwas Gewöhnung bedarf). Gerade beim Fliegen im Flachland, wo man gelegentlich sehr lange in schwachen, versetzten Bärten ausharren muss, um Strecke zu machen, ist das sehr angenehm.
Auch bei der Thermiksuche erweist sich der Sensis als eine Perle. Wer ihn "fliegen lässt", wird immer wieder verwundert feststellen, wie zielsicher der Schirm in Richtung von Steigzonen driftet und mit einseitigem, aber unaufgeregtem Gezuppel am Tragegurt zusätzlich andeutet, wo er hin will. Das habe ich selten mit einem Flügel so ausgeprägt erlebt.
Etwas anspruchsvoller bzw. anstrengender wird die effektive Kurbelei mit dem Sensis in kleinen, engen Bärten mit starken Zentren. Dort wirkt das Aufrichtmoment stärker als die Kreisautomatik und zwingt den Piloten dazu, immer wieder aktiv nachzudrücken. Soll das auch noch schnell gehen, ist ein beherztes Hinlangen auf der Innenbremse gepaart mit kompletter Freigabe der Außenbremse nötig. Dennoch lässt sich der Schirm in solchen Bedingungen gelegentlich abdrängen und zeigt auch schon mal unverhoffte Gierbewegungen um die Hochachse.
Fällt man aus dem Bart, wird die gute Nickdämpfung spürbar. Der Schirm sackt einfach nur etwas durch und schießt kaum vor. Was auf den ersten Blick angenehm erscheint, bedeutet aber auch: Der Sensis bietet dem Piloten wenig Dynamik, um gleich wieder beherzt in den Aufwind zurück zu zirkeln. In zerrissener Thermik können die guten Steigeigenschaften des Sensis die Nachteile einer solchen Dämpfung nicht ganz ausgleichen.

Beschleuniger: Im Vergleich zu direkten Konkurrenten wie Ion 3 und Atlas ist der Beschleuniger des Sensis spürbar angenehmer zu treten und ermüdungsfreier zu halten. Auch im Topspeed (ca. 50-52 kmh) sticht der Schirm die zwei anderen aus. Allerdings nimmt im letzten Drittel des Beschleunigerweges das Sinken deutlich zu. Anders als der Ion 3 (echter Dreileiner) nimmt der Sensis eine Kontrolle über die C-Gurte weniger feinfühlig an. In dieser Klasse halte ich es allerdings eh nicht für sinnvoll, den Anstellwinkel im beschleunigten Flug über C kontrollieren zu wollen. Leichte Richtungskorrekturen mit der äußersten C-Leine sind aber durchaus wirksam.

Ohrenanlegen: geht problemlos über den geteilten A-Gurt, mit guten Sinkwerten. Mittlerweile ist es ja löblich, wenn man bei Stäbchenschirmen schreiben kann: Die Ohren schlagen nicht! Dafür öffnen sie beim Sensis deutlich verzögert.

Steilspirale: Die Kurvenruhe des Sensis zeigt sich auch bei der Spiraleinleitung. Wer den Flügel nicht regelrecht zwingt, wird ein recht gemächliches Abkippen erleben. In der Spirale ist der Sensis gut kontrollierbar. Bei der Ausleitung wird abermals das Aufrichtmoment spürbar. Ein tiefes Nachziehen der Innenbremse ist nötig, um wirklich sanft ohne "Männchen" aus der Spirale heraus zu kommen.

Frontklapper: nicht geflogen.

Seitenklapper: nicht geflogen. (Die Testflüge fielen in eine Zeit, in der es an guten Flugtagen mangelte. Die wenigen Flugstunden habe ich lieber genutzt, Höhe zu gewinnen als sie zu vernichten. Bei einem Schneisenstart mit leichtem Seitenwind hatte ich einen leichten "realen" Klapper, vielleicht 30-50%. Der verlief ohne Richtungsänderung und ging sanft wieder auf.) 

Nicken: Der Sensis weist eine erstaunlich hohe Pitchstabilität auf und lässt sich nur langsam Aufschaukeln.

Rollen: Auch beim Rollen mit Gewichtsverlagerung lässt sich der Sensis nur mit etwas Geduld und passendem Rhythmus zu höheren Pendelausschlägen bewegen. Für Wingover darf die Bremse beherzt genutzt werden.

Packen: Der Sensis besitzt relativ weiche und biege-unempfindliche Stäbchen in der Eintrittskante. Damit lässt sich der Schirm nahezu nach Belieben packen. Im Klassenvergleich zählt er aber zu den Schirmen, die ein eher größeres Packmaß besitzen.

Qualitätsmerkmal: Am Rand umgenähte Diagonalrippen
sollen das Dehnen der Tuchränder verhindern.
Qualität: Dieser Schirm ist sichtbar auf Haltbarkeit gebaut. Dickeres Tuch im kompletten Obersegel, ummantelte Leinen, saubere Nähte, Einfassbänder an allen Rändern. Selbst die Kanten der vorderen Diagonalrippen sind (Nesler-typisch) umgenäht, um ein Dehnen des Stoffes zu verhindern. Wer in die Kappe schaut, findet ein paar Details, die leistungsfördernd wirken (sollen): Stäbchen bis in die äußeren Zellen, Mini-Ribs an der Hinterkante, dazu mit stützendem Mylar an der Unterkante abgerundete Stabilos. Sicherheitstechnisch nicht optimal ist, dass die Stabilo-Leine farblich nicht eindeutig abgesetzt ist, sondern die gleiche Farbe (gelb) wie die C-Ebene besitzt. Zudem stützt diese Leine nicht nur den Stabilo, sondern auch die 3 äußersten Zellen. Gepaart mit den profilgebenden Stäbchen bis in die letzte Zelle könnte dies in manchen Fällen das Lösen von Verhängern erschweren.

Fazit: Der Sensis von Swing ist ein sehr interessanter Vertreter der aktuellen Mid-B-Klasse. Einfaches Starten, hohe Flugruhe, dazu eine ansprechende Leistung und gute Top-Speed passen zu den Ansprüchen eines breiten Pilotenspektrums. Herausragend sind das Steigvermögen und die Thermikschnüffelqualitäten. Als Nullschieberbeißer ist der Sensis ein idealer Flachlandschirm! Wer häufiger in starker, enger, zerrissener Thermik unterwegs ist oder Freestyle-Ambitionen besitzt, wird beim Sensis gelegentlich eine direktere Lenkung und etwas Spritzigkeit vermissen. Auch für Hike&Fly ist der Schirm vom Gewicht und Packmaß her keine erste Wahl. Wer in der Luft v.a. ein entspanntes Cruiser-Feeling sucht, wer gerne auf seinen Schirm hört und sich auch einfach mal fliegen lässt, der sollte den Sensis getrost weit oben auf seine Liste der möchte-gern-mal-testen Schirme setzen.

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