Die Musterprüfstelle EAPR bietet Herstellern jetzt auch die Überprüfung neuer Schirmmodelle im Stile der Safety-Class-Tests des DHV an. 

Ein großer Frontklapper über die EN-Vorgaben hinaus.
// Quelle: Nova, Video-Screenshot
Die sogenannte Safety-Klassifizierung des DHV für Schirme der EN-Klassen A und B sorgt weiter für Diskussionen, aber auch Bewegung in der Gleitschirmbranche.

Bei den Schirmherstellern sind die Tests gefürchtet, weil ihnen eine schlechte Safety-Class-Note die Verkaufszahlen eines Modell gehörig vermiesen kann. Swing kann mit seinem Modell Sensis ein Lied davon singen (lu-glidz berichtete). Vor allem aber missfällt es den Herstellern, dass die Tests immer erst mit einiger Verzögerung nach der Markteinführung eines neuen Modells erfolgen. Dadurch sind die Ergebnisse wie deren Marktauswirkungen für sie schwer absehbar. Doch das könnte in Zukunft anders werden. Die Musterprüfstelle EAPR, geleitet von Guido Reusch, hat eine eigene Messtechnik entwickelt, um Safety-Tests vergleichbar mit den DHV-Verfahren durchführen zu können.

Die genannte Technik ist eine am Schirm befestigte Sensorik samt Datalogger. Sie kann Nick-, Roll- und Gierwinkel der Kappe während geflogener Manöver erfassen, zudem Flug- und Sinkgeschwindigkeit, Nickwinkelgeschwindigkeit (Dynamik) sowie G-Belastung und Höhenverluste.

Die EAPR bietet den Herstellern an, bei allen Schirmen einen Safety-Class-Test analog zum DHV-Safety-Test zu fliegen. Für Schirme, die bei der Prüfstelle eh im Auftrag der Hersteller gemäß EN-Norm zertifiziert werden, erfolgt dies sogar ohne zusätzliche Kosten.

Bei den Tests ziehen die EAPR-Testpiloten - wie vom DHV für die Safety-Class-Bewertung definiert  - die größt- und steilstmöglichen Seitenklapper innerhalb des EN-Klappertestfelds, erzeugen Frontklapper mit größtmöglicher Klapptiefe und beurteilen das Verhalten des Schirmes bei einer Steilspirale mit maximaler Sinkgeschwindigkeit nach zwei Vollkreisen (720°). Aus den Piloteneinschätzungen plus Videoanalyse und den gespeicherten Messwerten des Dataloggers wird anschließend für jedes Manöver eine Safety-Class-Note zwischen 1  und 5 analog zu den DHV-Vorgaben vergeben.

Safety-Tests für alle Schirmgrößen

Die EAPR geht mit ihren Tests sogar über das vom DHV praktizierte Verfahren hinaus und versucht manches, was von Experten an der aktuellen Methodik der Safety-Tests des DHV kritisiert wird, besser zu machen.

Zum Beispiel sollen alle Tests sowohl am oberen wie am unteren Gewichtslimit eines Schirmes geflogen werden. Dabei wird immer ein identisches Gurtzeug (kein Acro-, kein Liegegurtzeug) verwendet. Die Schirme werden nicht nur in einer Größe, sondern in allen Größen den Safety-Tests unterzogen. Am Ende erfolgt keine Safety-Class-Einstufung nach der jeweils schlechtesten Einzelnote (worst-case-Szenario), sondern alle Manöver werden einzeln dargestellt. Zudem wird der Durchschnitt dieser Einzelnoten jeder Größe angegeben.

Ein Schirm mit den Teilnoten 2-2-4, der vom DHV als Gesamtnote eine 4 erhalten würde, wird von der EAPR mit der Durchschnittsnote 2,7 aufgeführt. "Wir sind der Meinung, dass es sehr wohl einen Unterschied zwischen einem 2-2-4 und einem 4-4-4 bewerteten Gleitschirm gibt, die im worst-case-Verfahren aber beide mit einer Gesamtnote 4 dargestellt würden", erklärt EAPR-Chef Guido Reusch. Am Ende werde bei der EAPR-Variante ohne die worst-case-Regel nichts beschönigt, sondern nur differenziert betrachtet. Es obliege dem Betrachter, sich sein eigenes Bild zu dem geprüften Muster zu machen.
Muster einer differenzierten Safety-Class-Benotung über alle Schirmgrößen hinweg,
wie sie von der EAPR angeboten wird. // Quelle: EAPR

Beispielhaft an diesem Vorgehen ist, dass den Piloten durchaus vor Augen geführt wird, dass bei einem Schirmmodell, je nach Größe und Belastung, deutliche Unterschiede in der Safety-Class-Einstufung herrschen können. Der DHV testet im Rahmen seiner Safety-Tests bisher immer nur eine Schirmgröße pro Modell. Dennoch wird von vielen Piloten die dann veröffentlichte Note als für die gesamte Größenpalette gültig angesehen. Die Hersteller sehen darin eine starke Marktverzerrung.

Unklar ist derzeit noch, ob und wie die allgemeinen Piloten die Ergebnisse eines EAPR-Safety-Tests zu Gesicht bekommen. "Wir stellen die ermittelten Ergebnisse grundsätzlich mal dem Hersteller zur Verfügung. Dieser kann die Bewertungen nach eigenen Vorstellungen veröffentlichen", sagt Guido Reusch. Es gebe in der Branche aber auch schon Gespräche darüber, möglicherweise eine eigene Plattform für die allgemeine Veröffentlichung solcher Testergebnisse zu schaffen. Es bleibt spannend, ob und was da in diesem Jahr von Seiten der Hersteller noch kommen mag.

Ein Plus für die Piloten

Wie auch immer die Gespräche ausgehen mögen - das Angebot von Safety-Tests der EAPR ist so oder so ein interessanter Schritt, der neue Perspektiven eröffnet.

Bei den Herstellern ging bisher die Sorge um, der DHV hätte sich mit den Safety-Tests ein neues, aber undurchsichtiges Prüf-Monopol geschaffen. Manche befürchteten gar, sie müssten künftig wohl generell schon für die EN-Tests von A- und B-Schirmen zum DHV als Zertifizierungsstelle gehen - in der Hoffnung, dort am Rande der Tests auch erste Einschätzungen hinsichtlich einer späteren Safety-Class-Benotung zu erhalten. Die messwert-gestützte Auswertung der EAPR bietet ihnen dazu eine Alternative. Die Monopol-Diskussionen könnten damit wieder verstummen.

Durch die EAPR-Entwicklung eines eigenen Datenloggers für Kappenbewegungen stehen die entsprechenden Messwerte des DHV nicht mehr unüberprüfbar im Raum. Sollte es künftig mal vorkommen, dass die Safety-Class-Teilnoten des DHV sich deutlich von denen der EAPR unterscheiden, wird es zwar sicherlich Diskussionen darüber geben. Doch die könnten schlussendlich hilfreich sein, um eine einheitliche Messtechnik und genau definierte und vergleichbare Testverfahren für die Safety-Klassen zu erhalten. Das könnte vielleicht sogar zur Grundlage für die Weiterentwicklung der EN-Normen hin zu noch objektiveren, weil instrumentengestützten Prüfverfahren werden.

Aus Pilotensicht wäre eine solche Entwicklung durchaus zu begrüßen. Er erhielte dann künftig schon vor dem Kauf deutlich differenziertere Angaben zur Sicherheitseinschätzung seines Schirmes - selbst bei Modellen, die ganz frisch auf den Markt kommen. Für die Hersteller wiederum könnte es in Zukunft verstärkt interessant werden, beim Marketing neben der Leistung auch die nachgewiesene Sicherheitsklasse ihrer Produkte in den Vordergrund zu stellen. Und selbst der DHV dürfte unterm Strich nichts dagegen haben, wenn die von ihm initiierte Safety-Class auf diesem Weg eine noch größere Breitenwirkung zeigt. Konkurrenz belebt eben das Geschäft.