Es gibt Streit über die Finanzierung des Sekretariats für die EN-Gleitschirmnormen. Der Vorgang ist auch ein Beispiel für nationale Animositäten in der Gleitschirmszene.

Der offene Brief der FFVL (klick ins Bild zum vergrößern).
Geld, Macht und nationale Eitelkeiten - diese Zutaten des internationalen Polit-Business spielen auch in der Gleitschirmszene eine Rolle. Und sie können zu interessanten Auswüchsen führen. Aktuell argwöhnt der französische Gleitschirmverband FFVL öffentlich, dass der DHV die Weltherrschaft an sich reißen wolle (überspitzt formuliert). Den Hintergrund dazu bilden Streitigkeiten über die Finanzierung des sogenannten Sekretariats der WG 6.

Die WG 6 ist jene Arbeitsgruppe von Experten, die für die Entwicklung der für den Gleitschirmsektor wichtigen EN-Normen verantwortlich ist. Das Sekretariat der WG 6 ist, historisch bedingt, bei der französischen Normungsorganisation AFNOR angesiedelt. Kürzlich hat die Europäische Vereinigung der Gleitschirmverbände (EHPU) beschlossen, das WG 6 Sekretariat nicht weiter finanzieren zu wollen. Ohne das Geld wäre die Arbeit des Sekretariates und somit auch die Fortentwicklung der EN-Normen erst einmal auf Eis gelegt.

Die FFVL zieht dagegen zu Felde. "EN Norm and WG 6 Must Be Saved" schreibt der FFVL-Präsident Jean-Claude Benintende in einem offenen Brief, der am 24. Februar an alle EHPU-Mitglieder, die PMA, Hersteller, Prüfstellen aber auch nationale Verbände außerhalb Europas ging. Darin werden alle Beteiligten aufgerufen, ihren Beitrag zur weiteren Finanzierung des Sekretariates zu leisten. Zugleich zeigt der Brief auch, wo die Franzosen den eigentlichen Urheber der aktuellen Misere sehen.

So heißt es in dem Brief: "Nach Analyse der FFVL will der Haupt-Lobbyverband [Anm.: gemeint ist der DHV] in seinem Zuständigkeitsgebiet alle Zertifizierungsstellen und zugehörigen Firmen konzentrieren, um das EN-Normungssystem besser kontrollieren zu können und mittelfristig seine Ideen in Europa und im Grunde auch der ganzen Welt durchzudrücken. Dieser Verband ist gewillt das Ende der bestehenden EN-Normen zu riskieren, wenn das seinen Interessen dient."

Wie kommt die FFVL darauf? Nun, bei der EHPU-Tagung wurde von Seiten des DHV der Vorschlag eingebracht, das WG6-Sekretariat von der AFNOR zur deutschen Organisation DIN zu verlagern. Zur Begründung wurde genannt, dass DIN für die Sekretariatsarbeit weniger Kosten veranschlagen würde als die AFNOR.

Die Verlagerung wurde von der EHPU freilich nicht beschlossen - was auch gar nicht so einfach ginge, da die AFNOR der Übergabe des Sekretariates zustimmen müsste. Allerdings stimmten acht Mitgliedsverbände dafür, die Zahlungen der EHPU an die AFNOR einzustellen, vier enthielten sich und nur fünf waren für die weitere Finanzierung.

Für diese mehrheitlich ablehnende Haltung gibt es freilich noch andere Hintergründe, die die FFVL in ihrem Brief nicht erwähnt. Bei der EHPU-Tagung wurde die Arbeit der WG6 sehr kritisch diskutiert. Einige Verbände, nicht nur der DHV, bemängelten, dass die Entwicklung der Normen von den Herstellern dominiert würde, weshalb manche Sicherheitsinteressen ins Hintertreffen gerieten.

Ebenso kritisch wurde die allgemeine Finanzierungsregelung des WG 6 Sekretariates betrachtet. Nach einem Vertrag mit der AFNOR sollten alle Prüfstellen, die Herstellervereinigung PMA und die EHPU die Kosten anteilig übernehmen. Aber in der Vergangenheit hat die Prüfstelle EAPR sich geweigert an die AFNOR zu zahlen. Auch die PMA sah sich nach dem Austritt zahlreicher Mitglieder offenbar nicht mehr verpflichtet, für alle Hersteller finanziell einzustehen. Nach Angaben von DHV-Geschäftsführer Klaus Tänzler hatte zuletzt allein die EHPU ihre Beiträge korrekt entrichtet und hätte jetzt für den Erhalt des Sekretariates seine Zahlungen noch erhöhen müssen. Das ging einigen der Mitgliedsverbände gegen den Strich.

Wie es in diesem Streit nun weitergeht, ist offen. Wenn die EHPU nicht mehr zahlt, müssen andere Geldgeber für das WG 6 Sekretariat gefunden werden. Dafür wirbt die FFVL.

Der DHV sieht hier die PMA bzw. die Hersteller in der Pflicht. Da die EN für die Rechtssicherheit der Hersteller bei Haftungsfragen wichtig sei, hätten Hersteller das größte Interesse daran, dass die EN Arbeit weitergehe, so Klaus Tänzler.

Dass die FFVL solche Vorgänge nutzt, um gegen den DHV zu schießen, hat auch mit historisch gewachsenen Animositäten bzw. Konkurrenzdenken zu tun. Deutschland und Frankreich sind die größten Gleichtschirmnationen, wenn es nach der Zahl der Piloten geht. Für die Zulassung von Gleitschirmen gab es einst das DHV-Gütesiegel und in Frankreich die AFNOR-Klassen. International war das DHV-Gütesiegel erfolgreicher, bis die Franzosen über AFNOR die Entwicklung der EN-Normen für Gleitschirme vorantrieben und es ihnen letztendlich glückte, die Dominanz des DHV in Zulassungsfragen zu brechen. Eine Verlagerung des WG 6 Sekretariats von AFNOR hin zu DIN würde deutlich am nationalen Stolz der Franzosen kratzen. Dass zudem der DHV mit seiner Safety Class als Paralleleinstufung zu den EN-Klassen reüssiert, ist den FFVL-Oberen offenbar auch ein großer Dorn im Auge.