Der Verlust des Gin-Werkes in Nordkorea ist nicht nur für Gin selbst problematisch. Der Vorfall wirkt sich auf viele Bereiche der Gleitschirmbranche aus.

Produktions- und Materialengpässe führen dazu, dass Gin seinen
Competition-Schirm Boomerang 10 in den nächsten Monaten
nicht für alle Piloten in allen Größen wird liefern können.
// Quelle: Gin
Die Hammer fiel so unerwartet wie unerbittlich: Infolge politischer Scharmützel zwischen Nord- und Südkorea kam es vor rund vier Wochen von einem Tag auf den anderen zur endgültigen Schließung der nordkoreanischen Sonderwirtschaftszone Kaesong. Dort hatte der südkoreanische Gleitschirmhersteller Gin sein Hauptwerk (s. Gins Nordkorea-Fiasko).

Gin verlor durch diesen Vorgang nicht nur seinen wichtigsten Produktionsstandort. Auch alle Maschinen, alle dort lagernden Stoffe und Leinen für die Produktion etc. wurden von Nordkorea beschlagnahmt. Mittlerweile arbeitet Gin fieberhaft daran, die Fertigungskapazitäten in seinem zweiten, aktiven Werk in China auszubauen. Genauso intensiv bemüht er sich darum, die fehlenden Produktionsmaterialien wieder zu beschaffen. Doch so etwas geht nicht von heute auf morgen. Und der Prozess zieht auch andere aus der Branche in Mitleidenschaft.

Beispiel Produktion: In Nordkorea baute Gin nicht nur eigene Schirme, sondern nähte auch für andere Marken, unter anderem U-Turn. Ersatz-Produktionskapazitäten in China konnte Gin ihnen nicht anbieten, zu groß ist jetzt der Eigenbedarf. Also mussten sich die betroffenen Firmen selbst um neue Auftragsnähereien kümmern. U-Turn ist nach eigenen Angaben schon fündig geworden. Dennoch bedeutet eine solche Produktionsverlagerung stets enormen logistischen Aufwand, der Lieferverzögerungen nach sich ziehen kann.

Beispiel Materialbeschaffung: Gin baut viele seiner Sport- und Wettbewerbsschirme aus leichten 32er- und 27er-Skytex-Tüchern. Diese sind auch von anderen Schirmmarken stark gefragt, und die Produktion von Porcher in diesem Sektor ist ausgelastet. Der Verlust des großen Lagerbestandes bei Gin bringt den Markt in eine Schieflage. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Auch hier wird es in den nächsten Monaten zwangsläufig zu Lieferengpässen kommen, die letztendlich nicht nur Gin betreffen werden.

CCC-Regeln vorübergehend ausgesetzt

Zutage treten solche absehbaren Probleme derzeit an unerwarteten Stellen. Beispielsweise hat die CIVL, die Gleitschirmsektion der FAI, am 7. März verkündet, dass die Anwendung bestimmter Regeln der CIVL Competition Class (CCC) bis zum 1. Oktober außer Kraft gesetzt werden. Konkret geht es um die Forderung, dass jeder Hersteller, der mit seinen CCC-Schirmen an FAI-Wettbewerben der Kategorie 1 (WM, EM etc.) teilnehmen möchte, diese Schirme in mindestens drei Größen produzieren muss.

Gin-Chef Gin Seok Song hatte um eine Ausnahme von dieser Regel gebeten, weil er in seiner Notlage eine solche umfangreiche Produktion an CCC-Schirmen nicht gewährleisten könne. Eine strikte Anwendung der Regel hätte bedeutet, dass bei der Europameisterschaft im August in Krushevo keine Gin-Schirme hätten fliegen dürfen. In Abstimmung mit anderen CCC-Herstellern entschied CIVL zu Gins Vorteil. Die Regeländerung gilt der Fairness halber freilich auch für alle anderen.

Dass die Wettbewerber die aktuellen Probleme Gins nicht Hände reibend zum eigenen Vorteil ausnutzen, fußt nicht nur im Sportsmannsgeist. Vielen ist bewusst, dass eine solche Krise in einer so kleinen und stark verwobenen Branche wie dem Gleitschirmbau auf alle negativ rückwirken kann. Also gilt es zusammenzustehen. Skywalk beispielsweise hat zugunsten von Gin auf Teile seiner eigentlich vertraglich zugesicherten Produktionskapazitäten im chinesischen Gin-Werk verzichtet. Die Skywalk-Schirmlager sind nach dem Winter gut gefüllt. Da kann man die Nähstraßen im Sinne einer guten Geschäftspartnerschaft auch demjenigen überlassen, der es gerade nötiger hat.

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