Der Streit zwischen Advance und dem DHV über die Veröffentlichung von Safety-Class-Tests wurde schon vor Wochen entschieden. Jetzt liegt die komplette Urteilsbegründung vor.


Ende November 2016 hatte das Oberlandesgericht München sein Urteil gefällt: Der Antrag von Advance auf Einstweilige Verfügung gegen die DHV-Veröffentlichung von zwei Safety-Class-Tests zu den Advance-Schirmen Alpha 6 und Epsilon 8 wurde abgewiesen (Lu-Glidz berichtete). Mittlerweile liegt Lu-Glidz das Endurteil mitsamt der 14 Seiten umfassenden, schriftlichen Begründung der Richter vor.

Die Inhalte dürften für den DHV eine Genugtuung sein. Denn mit diesem Urteil und der Sichtweise der Richter im Hintergrund geht der Verband erst einmal gestärkt aus dem Verfahren hervor. Er hat es schwarz auf weiß (hier nur sinngemäß zusammengefasst): Der DHV hat das Recht als sicherheitsfokussierter Warentester aufzutreten. Er darf dies nach seinen eigenen Regeln tun, sofern diese neutral, sachkundig und objektiv sind. Und er darf am Ende im Sinne des Rechts auf Meinungsäußerung sein Werturteil abgeben, selbst wenn dies das Vertrauen der Piloten in die Produkte des betroffenen Herstellers erschüttern sollte.

Dass der DHV bei den Safety-Class-Tests von Alpha 6 und Epsilon 8 tatsächlich neutral, sachkundig und objektiv vorgegangen war - das hatte Advance vor Gericht in Zweifel gezogen. Von den Advance-Rechtsanwälten wurden die verschiedensten Argumente mitsamt Erklärungen und eidesstattlicher Versicherungen von Fachleuten in den Ring geworfen, um ein Fehlverhalten des DHV aufzuzeigen: Falsch geklebte Klapplinien, falsch gezogene Klapper, unpassende Gurtzeuge, von eigenen Testpiloten nicht nachvollziehbare Vorschießwinkel, Verbindungen der DHV-Testpiloten zu Konkurrenz-Herstellern, falsche Messergebnisse, eine verzerrende Darstellung der Test-Ergebnisse auf dem DHV-Geräteportal, etc. Für die Richter waren die vorgelegten Argumente aber am Ende nicht überzeugend: "Der Antragstellerin [gemeint ist: Advance] ist es mit den im Eilverfahren zulässigen Mitteln nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass die streitgegenständlichen Testurteile des Antragsgegners [gemeint ist: DHV] den danach an eine zulässige Warentest-Berichterstattung zu stellenden Anforderungen nicht gerecht werden", schreiben sie in der Urteilsbegründung.

Interessant ist, wie treffsicher die Richter die grundsätzlichen Probleme bei Gleitschirmtests erkannten. So stellten sie unter anderem fest, dass es keine absolute Vergleichbarkeit von Tests geben kann. "Da die Piloten auf den Schirm einwirken müssen, um die gewünschten Einklapper und Spiralen zu erreichen, hängt der Testverlauf zwangsläufig auch vom individuellen Verhalten des Piloten ab und lässt sich nicht sicher reproduzieren."

Das Urteil der Richter ist nicht nur eines zugunsten des DHV, sondern auch allgemein zugunsten des Verbraucher- bzw. Pilotenschutzes. So schreiben die Richter: "Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Benutzung eines dem eigenen Können nicht angemessenen Gleitschirms eine erhebliche Gefahr für Gesundheit und sogar Leben des Piloten bedeutet und daher bis zur Entscheidung in einem eventuellen Haupsacheverfahren eher eine zu strenge als eine zu nachsichtige Bewertung der streitgegenständlichen Gleitschirmmodelle in Kauf genommen werden kann."

Mit "einem eventuellen Hauptsacheverfahren" ist übrigens folgendes gemeint: Advance könnte den DHV immer noch verklagen, zum Beispiel mit dem Vorwurf falscher, manipulierter oder irreführender Testergebnisse. Bei einem solchen Verfahren müssten dann unabhängige Sachverständige das Testprozedere des DHV bis ins Detail analysieren, um die unterstellten Fehler in der Durchführung zu belegen. Das wäre langwierig und würde vermutlich teure Gutachten und Gegengutachten nach sich ziehen. 

Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass Advance gewillt wäre, diesen Weg zu gehen. Vielmehr hatten Vertreter von Advance und DHV noch im Gericht vereinbart, wieder das Gespräch zu suchen, wenn das schriftliche Urteil der Richter vorliegt. Auf die noch ausstehenden Gesprächsergebnisse darf man gespannt sein.