In der "großen" Luftfahrt müssen vor jedem Flug ausführliche Checklisten abgearbeitet werden. Gleitschirmpiloten vertrauen auf simple Rituale. Aber reicht das aus? 

Ein Safety-Tag von Abgeflogen zum Einhängen am Beschleuniger.
Der Tag wird erst vor dem Start entfernt (remove before flight) und
soll dann an den Fünf-Punkte-Check erinnern. Wichtig ist es,
sich bei solchen Ritualen nicht stören zu lassen.
// Quelle: Abgeflogen.info
Neulich war es bei mir soweit: Am Start das Prozedere in der üblichen Reihenfolge. Gurtzeug auf den Rücken ziehen, dann die Beingurte schließen, den Beinsackverschluss einhaken, das Cockpit einhängen, den Schirm schultern, zum Start vorlaufen, ausbreiten. Doch halt! Irgendetwas stimmte nicht. Ein schneller Blick und Griff nach unten: Die Beingurte waren nicht geschlossen! Vergessen. Einfach so. Dankenswerterweise noch vor dem Start bemerkt. Aber wie konnte das passieren?

Im Rückblick zeigte sich schnell, wo der Fehler lag. Für diesen Flug wollte ich (was ich selten tue) eine Kamera samt Selfiestange mitnehmen. Als ich das Gurtzeug anzog, lag sie neben mir im Gras. "Schnell die Sicherungsschnur der Kamera in den Karabiner hängen, bevor ich sie vergesse", hatte ich gedacht, mich gebückt und die Kamera genommen. Danach mit dem üblichen Startvorbereitungsritual weitergemacht. Nur diesen einen Punkt, die Beingurte, hatte ich unbewusst ausgelassen.

Der Vorfall zeigt, was das Hauptproblem von Ritualen oder Routinen ist. Sie funktionieren gut und bringen Sicherheit, allerdings nur, solange man dabei nicht gestört wird. Jede Abweichung und Ablenkung, das Greifen nach der Kamera hier, das parallele Gespräch mit dem Fliegerkumpel da, erhöhen massiv das Risiko, etwas zu vergessen.

Brauchen wir also Checklisten, die wir Punkt für Punkt abarbeiten? Ich behaupte trotz allem: nein. Denn die fürs Gleitschirmfliegen nötigen Checklisten wären im Grunde zu kurz und zu wenig komplex, als dass wir diese auf Dauer als Sicherheitsgewinn sehen würden. "Weiß ich doch, mach ich doch eh", wird man denken, und dann jeden formellen 5-Punkte-Check (Gurte, Leinen, Kappe, Wind, Luftraum) schnell beiseite legen.

Was wir brauchen ist allerdings diesen Moment der Ruhe und des Innehaltens. Vor jedem Start - und zwar direkt davor, wenn man meint, schon alles erledigt zu haben - gilt es noch einmal in sich zu gehen, die Außenwelt ganz bewusst kurz auszublenden und ein festes Schlusskontroll-Ritual in seine Startroutine einzubauen. Am besten von innen nach außen noch einmal mit Händen und Blicken prüfen:

  • Gurte geschlossen (Gurtzeug und Helm)? 
  • Technik ist bereit (Vario eingeschaltet, Kamera gesichert/eingeschaltet etc.)? 
  • Rettungscontainer ist ordnungsgemäß verschlossen?
  • Beschleuniger ist eingehängt und läuft frei?
  • Tragegurte nicht verdreht?
  • Bremse läuft frei?
  • Leinen liegen frei?
  • Wind passt?
  • Luftraum frei? 

Guten Flug!