Der Tenor von Phi ist so etwas wie eine getunte Phi Symphonia. Der Schirm glänzt im Klassenvergleich (low/mid B) mit einem gutem Durchzugsvermögen.
Der Phi Tenor hat eine imposante Eintrittkante: Front-Miniribs lassen die Zellen viel kleiner wirken,
als sie tatsächlich sind. // Fotos: Lu-Glidz

Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Phi Tenor habe ich in circa sechs Flug- und Groundhandlingstunden unter unterschiedlichen Bedingungen (kräftige Dürre-Thermik, Soaring, Starkwind am Boden) in der Eifel und im Westerwald gewonnen. Geflogen bin ich den Tenor in der Größe 21 (75-95 kg) mit rund 91 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Phi zur Verfügung gestellt.

Hannes Papesh versucht mit seiner neuen Marke Phi ganz eigene Akzente zu setzen. Für Aufsehen sorgte er schon mit der Symphonia, die nicht nur mit einem auffälligen Streifendesign aufwartet, sondern als EN-A eine Leistung und ein Handling bietet, wie es sonst eher bei Mid-B-Schirmen zu finden ist. Da macht es natürlich neugierig, wenn Papesh als nächstes einen EN-B Schirm lanciert, der vom Grundkonzept und den Grunddaten her der Symphonia entspricht, aber doch etwas mehr Leistung, Topspeed und Sportlichkeit bieten soll. Ist ihm das tatsächlich gelungen, und wie hat er das gemacht?


Der Tenor besitzt 50 Zellen, wirkt aber durch die Front-Miniribs
von vorne beinahe wie ein 100-Zeller.
Dass der Tenor so etwas wie eine getunte Symphonia darstellt, macht schon der Blick auf die Eintrittskante deutlich. Zwar ist die Grundzellenzahl (50) und die Streckung (5,14) identisch. Aber der Tenor wartet mit Front-Minirippen auf. Sie unterteilen jede Zelle nochmals auf der Hälfte und versteifen mit ihren Stäbchen die Profilnase (mehr Infos zu dieser Bauweise siehe Leistungsdrang: Front-Miniribs). Das sieht imposant aus. Wer nicht genau hinschaut, könnte meinen, einen Schirm mit beinahe 100 Zellen wie einen Nova Phantom vor sich zu haben. Von dessen Komplexität ist der Tenor aber im weiteren Innenleben noch weit entfernt.

Der Leistungsdrang des Tenors gegenüber der Symphonia zeigt sich auch im Leinensatz. Dieser ist beim Tenor in einem weitaus größeren Anteil unummantelt (Edelrid U8000), so dass selbst die Bremsleine ab der ersten Vergabelung nackt, dünn und blassrot auf dem Boden aufliegt, was ihre Sichtbarkeit nicht gerade verbessert.

Ummantelte Stammleinen, aber der Rest ist
unummantelt – auch die Bremse (rechts).
Optisch nicht wahrnehmbar, aber im Flug spürbar, ist ein "verschärftes", auftriebsstärkeres Profil. Die Schirmfläche eines Tenor im gleichen Gewichtsbereich (z.B. 75-95 kg) ist deshalb sogar um ein Quadratmeter gegenüber der Symphonia reduziert, die Flächenbelastung entsprechend erhöht.

In weiteren technischen Details entspricht der Tenor wieder der Symphonia: profiltreue und gewichtssparende Streifendiagonalen, ein 3D-Shaping im formstabilen Diamant-Muster, ein reduziertes Leinenlayout mit nur zwei Stammleinen pro Seite und Miniribs an der Hinterkante mit innenliegenden Nähten. Bei den Stoffen setzt Phi im Tenor allerdings nicht wie bei der Symphonia auf das teurere 32er-Tuch von Porcher, sondern verbaut etwas dickeres Dominico (30 D und 20 D). Das schlägt sich auch in etwas mehr Gewicht nieder, wobei der Tenor mit rund 4,7 kg in der Größe M/21 noch immer in die semi-light Kategorie fällt.


Start mit dem Tenor im Wiedtal.
Starten: Die Startvorbereitungen mit dem Tenor sind nicht mehr ganz so unkompliziert wie mit der Symphonia. Die wenigen Stammleinen fallen zwar problemos auseinander. Doch die dünnen, unummantelten Galerien  samt unummantelter Bremsleine wollen schon etwas genauer betrachtet werden. Sie finden gerne mal ein Stöckchen oder anderes, um das sie sich schlingen.
Beim Aufziehen der Kappe verhält sich der Tenor wiederum genauso vorbildlich wie die Symphonia. Es reicht ein kleiner Impuls, um den Schirm selbst bei wenig Wind kontinuierlich und spurtreu aufsteigen zu lassen. Auch im Starkwind macht der Tenor keine Zicken. Er lässt sich gut am Boden halten, beim Aufstieg hervorragend über die C-Ebene kontrollieren und auch wunderbar per Cobra-Technik starten.
Nur hin und wieder gibt es Momente, in denen man beim Tenor schon am Start merkt, dass er etwas stärker gezügelt werden will. Es ist diese besondere Eigenschaft des Profils, bei bestimmten Strömungswinkeln deutlich nach vorne zu ziehen. Mich hat der Tenor beim Groundhandling an einer Hangkante mehrfach damit überrascht, wie er aus einer schon stationären Stellung über dem Piloten heraus plötzlich diesen starken Drang nach vorne entwickelte – ein Verhalten, wie ich es sonst nur von Schirmen mit einem deutlich sportlicheren Grundcharakter kenne. Wer hier zu spät und nicht bestimmt genug an der Bremse reagiert, dem kann der Schirm überschießen.

Landen: Da gibt es nichts zu meckern. Das Flare-Verhalten ist für diese Streckungsklasse sogar erstaunlich gut.

Raffbänder an der Bremse des Tenor.
Bremsen: Der Vorlauf von rund 10 cm lässt sich gut mit einem halben Schlag rauskürzen. Die Bremse greift von Anfang an sehr gleichmäßig über die gesamte Spannbreite. Raffbänder halten dabei die Hinterkante sehr gut in Form.
Von den Zugkräften an der Bremse her gehört der Tenor eher zu den leichteren Kalibern. Die Last steigt auch bei tieferem Zug nicht übermäßig an. So lässt sich der Tenor im Alltag sehr kraftsparend pilotieren.
Die Steuerwege fallen im Rund der EN-B-Schirme durchschnittlich aus. Ein aktueller Nova Ion 5 (gleiche Streckung) hängt etwas direkter an der Bremse und wirkt auch etwas agiler. Für schnelle Richtungswechsel muss man beim Tenor schon noch eine Handbreit tiefer ziehen. Insgesamt kann man mit der Bremseinstellung im Flugalltag gut zurecht kommen.

Der Phi Tenor im Röntgenblick.
Kappenfeedback: Der Tenor bietet wie schon die Symphonia – trotz nur zwei Stammleinen pro Seite – eine überraschend sauber abgespannte und homogen agierende Kappe. Kleine Entlaster am Außenflügel führen nicht gleich zu einem Spannungsverlust in weiteren Teilen der Kappe, wie ich es als "Zwei-Stammleinen-Syndrom" schon bei anderen Flügeln wie dem Icaro Gravis oder dem Gradient Nevada 2 erlebt habe. Gelegentlich raschelt der Außenflügel ein wenig am Thermikrand, das ist aber nicht weiter störend.
Das Kappenfeedback erhält der Piloten maßgeblich über die Tragegurte. Die Lage von Steigzentren lassen sich darüber gut identifizieren. Gelegentlich mischt sich auch die Bremse als Feedback-Kanal ein (deutlicher als noch bei der Symphonia). Besonders auffällig wird das, wenn das Profil des Tenors den schon erwähnten "Zug nach vorne" entwickelt. Das macht sich in einem plötzlichen Anstieg des Bremsdrucks bemerkbar. In puncto Feinfühligkeit für die Luftmassen kommt der Tenor aber nicht ganz an Konkurrenten wie den Tripleseven Knight oder den Aircross U-Fly 3 heran (wobei diese jeweils über 1 m² mehr Fläche besitzen, ich sie also mit geringerer Flächenbelastung getestet habe).

Kurvenflug: Der Tenor verhält sich in den Kurven harmonisch, und das in allen Schräglagen. Er erreicht dabei nicht ganz die Wendigkeit eines Ion 5 oder U Fly 3 bzw. verlangt nach etwas mehr Piloteneinsatz. Es lohnt sich, mit deutlicher Gewichtsverlagerung zu arbeiten. Dann folgt der Tenor den Piloteninputs sehr willig, auch in schwierigeren Strömungssituationen.

Die Miniribs an der Hinterkante des Tenor besitzen eine
innenliegende Naht. Deshalb ist der Schnitt seitlich
aus der Zelle herausgeführt. 
Thermikeigenschaften: Mit seinem guten Kurven- und Feedbackverhalten ist der Tenor in der Thermik sehr angenehm zu fliegen. Er wirkt dabei etwas spritziger als die Symphonia, was unter anderem an der etwas erhöhten Flächenbelastung liegen dürfte. Auch in zerrissenen Bedingungen lässt er sich gut in den Kreisen halten und nachziehen.
Sehr ansprechend fand ich den eindeutigen Zug des Schirmes in die Thermik. Im Vergleich mit anderen Klassenvertretern ähnlicher Streckung ist dieser Vorwärtsdrang anstelle eines Hängenbleibens beim Einfliegen in den Aufwind schon auffallend stark ausgeprägt. Angenehmerweise zeigt der Tenor dabei aber kein besonders heftiges und überraschendes Pitchverhalten, das einen unerfahrenen Piloten erschrecken könnte. Man spürt einfach nur diesen Zug.
Ein paar Abstriche muss man im schwachen Steigen machen. Da merkt man schon die etwas kleinere Fläche des Schirmes. Zum Ausgleich gilt es, den Schirm mit komplett offener Außenbremse laufen zu lassen, um so den maximalen Auftrieb zu erzielen. Alternative Kurbeltechniken mit Gewicht nach außen (das beschleunigt den Außenflügel) helfen ebenso weiter. Der Tenor spricht gut darauf an.
Für Flachlandpiloten könnte es dennoch ratsam sein, den Tenor nicht im obersten Gewichtsbereich der jeweiligen Größe zu fliegen.

Große, leichtgängige Beschleunigerrollen.
Beschleuniger: Der Tenor besitzt große, kugelgelagerte Beschleunigerrollen. Der Beschleuniger lässt sich im gesamten Geschwindigkeitsbereich ohne großen Kraftaufwand treten.
Gegenüber der Symphonia ist der Beschleunigerweg um zwei Zentimeter verlängert. Der Geschwindigkeitszuwachs erreicht entsprechend auch 12-13 km/h über Trimm, was eher dem Niveau von High-B-Geräten entspricht.
Auffallend ist, wie gut der Tenor von Anfang an die Geschwindigkeit aufnimmt und auch in turbulenter Luft seinen erstaunlichen Zug nach vorn behält, ohne sich immer wieder störend aufzustellen und durchzusacken. Ob das mit dem Profil oder mit der zusätzlichen Versteifung durch die Front-Minirippen zusammenhängt, kann ich nicht sagen. Das Ergebnis jedenfalls ist überzeugend.
Selbst im High-B-Sektor gibt es derzeit nur wenige Schirme, die so souverän, spurtreu, ohne störende Rolltendenzen und ohne große Leistungsverluste im Speed durch bewegte Luftmassen ziehen. Der Ozone Rush 5 und der Airdesign Rise 3 wären hier zu nennen, die beide aber u.a. durch eine höhere Streckung doch noch etwas anspruchsvoller zu fliegen sind.
Der simple Tragegurt des Tenor besitzt keine eigenen C-Handles für die Pitchkontrolle im Speed. Ich habe diese aber auch nicht vermisst. Mit dem leichtgängigen Beschleuniger lässt sich hervorragend und zugleich effizient arbeiten.

In der Eintrittskante des Tenors ist jede Zelle noch durch eine
Minirippe unterteilt, die auch am Untersegel angenäht ist.
Die Stäbchen formen jeweils nur das Obersegel.
Ohrenanlegen: Die Ohren des Tenors sind schon aufgrund des Leinenlayouts mit nur zwei Stammleinen pro Seite von Anfang an sehr groß, das Sinken entsprechend stark ausgeprägt. Da sind leicht mehr als 3,5 m/s erreichbar. Die Ohren bleiben ruhig und schlagen nicht. Die Haltekraft ist gering. Dafür öffnen sie nur deutlich verzögert. D.h. der Pilot sollte hier mit tiefen, aber kurzen Bremsimpulsen etwas nachhelfen.

Steilspirale: Der Tenor ist in allen Phasen der Steilspirale gut kontrollierbar. Die Sinkgeschwindigkeit lässt sich fein einstellen, die Ausleitung gelingt problemlos. Die Aufrichtetendenz kann bei stärkeren Spiralen etwas verzögert einsetzen.

Nicken: Trotz des schon beschriebenen Vorwärtszuges bleibt das Nickverhalten des Tenors beim provozierten Nicken angenehm gedämpft. Größere Nickbewegungen lassen sich schon mit geringem Piloteninput abfangen.

Rollen: Der Tenor spricht gut auf Gewichtsverlagerung an und wirkt im Vergleich mit anderen Low-B-Schirmen in diesem Punkt etwas weniger gedämpft. Die Abstimmung ist dennoch keinesfalls kippelig, das Rollmoment angenehm nutzbar.

Die Leinenansatzpunkte sind sehr stabil auf Mylar vernäht. 
Packen: völlig problemlos und mit beliebiger Technik möglich. Selbst die zusätzlichen Stäbchen durch Miniribs in der Eintrittskante tragen nicht störend auf. Das Packmaß ist nur geringfügig größer als das der Symphonia und fällt im Klassenvergleich noch in die Kategorie "kompakt".

Qualität: Konstruktiv und nähtechnisch ist der Tenor auf einem sehr hohen Niveau. Die Designübergänge sind sauber ausgeführt. Auch das Innenleben mit Streifendiagonalen und großen, runden Mylarplatten zur harmonischen Lastverteilung an den Leinenansatzpunkten wirkt sehr wertig. Gegen die Verwendung des Dominico-Tuches ist m.E. nichts einzuwenden, das ist auch bei vielen anderen Marken Standard und für eine gute Haltbarkeit bekannt. Wie schon bei der Symphonia habe ich beim Tenor nur zu bemängeln, dass die Stabilo-Leine nicht eine eindeutig abgehobene Signalfärbung besitzt, sondern genauso rot ummantelt ist wie die A-Ebene. Zudem fallen die Schmutzauslassöffnungen am Flügelrand ziemlich klein aus.

Fazit: Mit dem Tenor zeigt Hannes Papesh als Konstrukteur einmal mehr, dass er ein gutes Händchen für die Entwicklung von Gleitschirmen mit reduzierter Streckung, aber hohem Leistungspotenzial besitzt. Der Tenor spielt hier mindestens in der gleichen Liga wie die Ion-Serie von Nova und passt auch zum gleichen Pilotenklientel: Wer nach vielleicht 30 Stunden Thermikerfahrung von einem EN-A auf EN-B wechselt, findet im Tenor einen Allrounder mit ansprechendem Handling, mit dem er sich noch über Jahre hinaus weiter entwickeln kann.
Gerade diejenigen, die das effiziente, beschleunigte XC-Fliegen lernen und praktizieren wollen, werden mit dem Tenor sehr gut bedient. Der Vorwärtsdrang des Flügels ist für diese Streckungsklasse bemerkenswert und vermittelt ein wenig Sportklasse-Feeling, auch wenn die Bremswege und Kappenreaktionen eher denen eines Low-B entsprechen.
Etwas ambivalent sehe ich die Flachland-Eignung – wegen der kleinen Schirmfläche. Abseits der Berge, wo es viel seltener ums Tempo-Bolzen geht, könnte es ratsam sein, den Tenor nicht unbedingt an der Oberkante des Gewichtsbereiches zu fliegen.
Bleibt für manche Piloten vielleicht noch die Frage: Symphonia oder Tenor? In vielem liegen die beiden Phi-Modelle nicht weit auseinander. Der größte Unterschied zeigt sich erst, wenn man bewusst und viel beschleunigt fliegt. Wer das nicht tut, wer zudem auf das markante Streifendesign steht und wer gerne auch die Einstufung EN-A für eine angeblich höhere (passive) Sicherheit im Prüfprotokoll lesen will, der kann getrost zur Symphonia greifen. Ansonsten würde ich dem Tenor den Vorzug geben.


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