Jahrelang galt es nur als ferne Traummarke, als Fabelrekord für Gleitschirmflieger: Ein Streckenflug über 500 Kilometer. Jetzt ist dem Südafrikaner Nevil Hulett dieses Kunststück geglückt - dort, wohin schon seit Jahren Toppiloten der Welt pilgern, in der Hoffnung auf "den" Tag mit den passenden Bedingungen, um so einen Rekord zu schaffen: im Inland Südafrikas.

Normalerweise fällt in diesem Zusammenhang immer der Ortsname De Aar. In der Vergangenheit hat sich aber herausgestellt, dass man wohl noch weiter im Westen starten müsste. Denn alle bisherigen Rekordversuche, z.B. X-Sa, endeten idR. im starken Gegenwind, der in den unteren Luftschichten vom Osten (Pazifik) her ins Land drückt.

Hulett plante also vor und verlegte seinen Startplatz rund 120 km weiter gen Westen in die Nähe des kleinen Ortes Copperton. Zuvor hatte er mit einem Meteorologen das Abkommen getroffen, dass dieser ihm einen "Streckenflugalarm" geben sollte, wenn sich passende Rekordbedingungen einstellen. Im Fall von Südafrika sind Rekordflüge offenbar unter folgenden meteorologischen Verhältnissen möglich: Im Inland gibt es typischerweise einen subtropischen Wind, der von Nordwesten her weht. Zugleich gibt es ein zweites Windsystem, der atlantische Wind, der vom Meer her von West bis Südwest nach Südafrika hineinzieht. Wenn sich nun beide großen Luftmassen genau über dem inneren Hochland Südafrikas treffen, bildet sich dort eine große Konvergenzzone mit sehr hochreichender Thermik und starker Westströmung in allen Luftschichten. Dann muss man nur noch in die Luft kommen, sich dort sicher halten, die starken Thermiken zentrieren können und sich übers Land verblasen lassen...

Genau eine solche Wetterlage hatte Hulett am vergangenen Sonntag, 14.12. Die Thermikkarte von XC-Skies zeigt am Mittag (12 UTC) vom Startplatzmarker nach rechts Richtung Lesotho starke Winde (die Pfeile zeigen den Wind in einer Höhe von 2400m MSL) gepaart mit extremen Thermikhöhen bis zu 4000m über Grund, was dort z.T. mehr als 5000m MSL entspricht. Huletts Flughöhen stimmen sogar recht gut mit diesen Prognosen überein, wie man dem bei Leonardo hochgeladenen Track entnehmen kann. Besonders beeindruckend dabei: Einmal wäre er nach 300 km fast schon abgesoffen, war nur noch 140m über Grund, wo er doch noch den rettenden Bart fand, der ihm dann sogar rund 4000m Höhengewinn brachte.

Viele Nachahmer wird Hulett kaum finden. Diese Art zu fliegen ist schon extrem: Zum einen ist allein der Start an der Winde bei solchen Windbedingungen kein Zuckerschlecken. Dann sind Durschnittsgeschwindigkeiten von 70 kmh und Spitzen von 100 kmh nichts für Ottonormalflieger. Die Höhe ist auf Dauer auch nur mit Sauerstoffflasche zu ertragen. Zum anderen gehört einiges an guter Planung und Logistik dazu. Nicht nur was die Einschätzung der Wetterlage betrifft, sondern neben vielem anderen auch ein vertrauensvoller Rückholer. Hier war Hulett ganz professionell. Seine Flugposition sendete er alle 15 Minuten automatisch per SMS an ein Begleitfahrzeug. Nicht einmal 1 Stunde nach der Landung, rund 20 km hinter der Grenze von Lesotho, traf dieses schon bei ihm ein (wobei man sicher nicht von europäischen Straßenverhältnissen ausgehen darf). Auch das ist eine Meisterleistung.