(Dieser Text ist ursprünglich im DHV-Info 175 erschienen. Nach dem literarischen Teil am Anfang kommen weiter unten die genaueren Startplatzinfos etc.)
Panorama der "Flugarena" von Berga |
„Rasos de Peguera“, rufe ich zurück und zeige Richtung Norden, wo hinter der ersten felsigen Bergkette der Pyrenäen in Staffeln die nächsthöheren folgen. Mit den ersten Sonnenstrahlen war ich die Serpentinen zu dem 2000 Meter hoch gelegenen Skigebiet hinauf gekurvt. Ein Morgenabgleiter.
„Da hast Du aber Glück gehabt“, sagt Pedro, als ich meinen gerafften Schirm neben dem Wagen ablege. Auf meinen verdutzten Blick hin ergänzt er: „Normalerweise schaffen es sieben von zehn Piloten nicht über den Sattel. Ich muss sie dann bei Espinalbet auf den Wiesen einsammeln“.
Mir dämmert es langsam. Dass ich wenige Minuten zuvor tatsächlich mit nur noch knapp zehn Meter Luft unterm Sitzbrett über den scharfkantigen Coll Gran geglitten war, war also nicht meiner mangelnden Erfahrung geschuldet, sondern gehört hier zum Fliegeralltag.
Dabei hatte es am Vortag noch ganz anders geklungen. Zwei lokale Piloten hatten mir genau diesen Flug als landschaftlich herausragendes Erlebnis wärmstens ans Herz gelegt: Start auf 2000 Meter. Vorbei an den steilen Flanke des Cogulló de Estela. Von hinten nähert man sich den imposanten Felszacken der Serra de Queralt. Es bleibt nur der Einschnitt des Coll Gran als Weg und mögliche Hürde, um weiter zu kommen. „Lass vom Start weg einfach laufen, dann kommst Du mit großer Höhe drüber“, sagten sie.
Pustekuchen! Ich musste die Arschbacken ganz schön zusammenkneifen und mich im Gurtzeug klein machen, um das Gleiten zu optimieren!
Am Nachmittag kneife ich sogar ganz. Ich schaue auf La Rampa, die angeblich größte Startrampe Europas, und weiß sofort: Hier startest du nicht! Ein leicht angerostetes Untergestell, grün-graue Asbestplatten mit Rissen und Löchern. Davor die steil abfallende Felskante des Queralt, dahinter die steinernen Mauern des Klosters Santa Maria de Queralt. Alles imposant, aber wenig vertrauenserweckend.
„Wenn der Wind am Nachmittag ansteht, ist es ganz leicht dort zu starten und aufzusoaren“, hatte mir Oriol erklärt, der sympathische und hilfsbereite Fluglehrer vor Ort. Ich hatte auch schon Youtube-Videos gesehen, die das zu belegen scheinen. Allerdings gaukeln die Weitwinkel-Aufnahmen eine Größe der Rampe vor, die real nicht nachvollziehbar ist. Und von dem mittlerweile mangelhaften Zustand war auch nirgendwo die Rede. „Unser lokaler Club hat im Moment kein Geld, um das zu richten“, gesteht mir Oriol später. Und Pedro, der Fahrer, merkt an, dass von dort kaum noch geflogen werde.
Traum und Wirklichkeit. Willkommen in Berga, dem Ort, an dem so vieles aufeinanderstößt, und der deshalb so viele Überraschungen bietet. Natürlich auch positive!
Anflug zur Landung vor der Kulisse des Queralt |
Direkt hinter dem Landeplatz von Berga erheben sich die Cingles de Coforb. Die steile Gebirgsstufe misst zwar nur 300 Meter Höhenunterschied, doch an normalen Tagen reicht das stets für den sicheren Einstieg in die Thermik. Nasenartig schieben sich hintereinander mehrere Rippen in die landwirtschaftlich geprägte Ebene vor. Die Piloten vor Ort bezeichnen sie als Maria und haben sie einfach durchnummeriert. Auf jeder ist ein Startplatz zu finden, wobei nur die ersten beiden regelmäßig beflogen werden.
Die erste Maria (Primera Maria) thront direkt über dem Landeplatz und kann dank eines Oststartplatzes auch schon morgens mit der frühen Hangthermik beflogen werden. Die zweite Maria (Segunda Maria) ist der am meisten benutzte Startplatz, weil er am besten mit dem Auto zu erreichen ist. An den weiteren Marias wird selten gestartet. Eher werden sie überflogen, wenn die Piloten an der Kante entlang im steten Aufwind auf Strecke gehen. Berga ist ein Paradies für kleinere geschlossene Aufgaben.
Die erfahreneren Piloten nutzen Berga auch als Ausgangspunkt für weite Flüge in die höheren Regionen der Pyrenäen. Wer an der Primera Maria startet, braucht nur 300 Meter zu überhöhen, um sich problemlos an die dahinter liegende Flanke der Serra de Queralt versetzen zu lassen. Dort bis zu Basis aufgedreht, geht es weiter hinauf in die Berge.
Soaring an der Segunda Maria. |
Der Nachmittag ist sowieso die beste Zeit, um gleich an den Marias zu fliegen. Der Wind steht sicher an, und zum Abend stellt sich häufig noch das „Wunder von Berga“ ein. Dann erreicht der feuchte Seewind von der 80 Kilometer entfernten Küste die Gebirgsausläufer. Plötzlich wird es dunstig, die aufsteigende Meeresluft kondensiert und bildet über den Marias ein Wolkenband, unter dem sich ein großflächiges, sanftes Steigen findet. Häufig hält es bis zum Sonnenuntergang.
Fluggebiet-Infos Berga
Anreise: Flug von Deutschland nach Barcelona. Von dort aus sind es noch rund 120 Kilometer Fahrt Richtung Pyrenäen, größtenteils Autobahn (E9).
Fliegbarkeit: ganzjährig. Thermisch von März bis Oktober interessant. Im Winter auf den höher gelegenen Startplätzen Schnee möglich.
Flugcharakter: Je nach Startplatz thermisch unterstütztes Hangsoaring bis zur Hochgebirgsfliegerei.
Landeplatz:
GPS N 42°05’11’’; E 1°49’13’’; 725m MSL
Eine Wiese am Hang zwischen den Orten Berga und Aviá ist der einzige offizielle Landeplatz der Region. Er wird von allen Startplätzen aus angeflogen. Der zugehörige Abzweig von der Landstraße C-26 ist mit „Espais“ ausgeschildert. Vor Ort befinden sich die Flugschule Espais und eine Pension mit Restaurant. Aus der Luft gut anhand des Swimming-Pools mit eingelassenem Logo zu erkennen.
Startplatz Primera Maria:
GPS N 42°05’20’’; E 1°48’51’’; 1010m MSL.
Startrichtung O, S, SW
Auf einer 300m hohen Rippe direkt oberhalb des Landeplatzes gelegen. Der Oststart erlaubt den frühen Thermikeinstieg. Start einfach bis mittelschwer, teils starke thermische Ablösungen. Rund 300m Überhöhung reichen aus, um an der dahinter liegenden Serra de Queralt Anschluss zu finden. Vorsicht bei stärkerem Westwind: Das Lee der vorgelagerten Rippen reicht dann bis zum Startplatz. Aufstieg zu Fuß vom Landeplatz möglich, Dauer ca. 30-40 Minuten. Toplanden nicht empfohlen.
Segunda Maria:
GPS N 42°04’30’’; E 1°47’52’’; 1020m MSL
Startrichtung SW
Auf den ersten Blick anspruchsvoller Start mit Klippencharakter. Bei anstehendem Wind aber rückwärts gut zu meistern. Die steilen Felsen vor dem Start tragen auch bei verhältnismäßig wenig Wind. Beste Soaringbedingungen am späteren Nachmittag. Bei Abflug in Startplatzhöhe ist der Landeplatz problemlos zu erreichen (800m Gleitstrecke). Toplandung schwierig.
Queralt (La Rampa):
GPS N 42°06’21’’; E 1°49’28’’; 1140m MSL;
Startrichtung S-SW
Die angeblich größte Startrampe Europas ist etwas baufällig geworden und wird nur noch selten genutzt. Sie bietet genug Platz, um sogar Tandemschirme auszulegen. Auf den Platten rutschen aber die Schirme leicht ab. Starthelfer sind empfohlen. Lokale Piloten behelfen sich gelegentlich damit, dass sie den Schirm mit Wäscheklammern an Schnüren an die dahinter stehenden Büsche „festknüpfen“. Bei anstehendem Wind relativ einfacher Start direkt ins Aufwindband. Auf Startplatzhöhe abfliegen, um sicher über ein Industriegebiet zum Landeplatz zu gelangen. Wiesen am Hangfuß als Ausweichmöglichkeit.
La Figuerassa:
GPS N 42°07’18’’; E 1°49’26’’; 1490m MSL;
Startrichtung S
Bei den Antennen auf dem ersten Höhenzug hinter der Serra de Queralt gelegen. Auffahrt über Schotterpiste auch mit regulärem Pkw möglich. Typischer Flug führt von hinten über die Serra de Queralt, um dort in das Aufwindband einzusteigen oder gleich bis zum regulären Landeplatz abzugleiten. Nicht zu spät starten! Ab mittags ist häufig der Überflug des Queralt durch starken Gegenwind erschwert. Tipp: Hike & Fly. Auto am Beginn des Schotterweges stehen lassen. Zum Gipfel führt ein ausgeschilderter Pfad, der größtenteils im Schatten verläuft. Aufstieg ca. 60 Minuten.
Rasos de Peguera:
GPS N 42°08’14’’; E 1°46’21’’; 2030m MSL; Startrichtung S
Aufstieg zu Fuß von der Skistation Rasos de Peguera, 15-20 Minuten. Anfängertauglicher Startplatz hinter dem oberen Ende der Skipiste. Beliebt als morgendlicher Gleitflug über die Serra de Queralt zum Landeplatz. Schwierigkeit: Um über den Sattel des Coll Gran zu kommen, ist Gleitzahl 7 erforderlich. Außenlandemöglichkeiten auf Wiesen bei Espinalbet. Im Tagesverlauf auch thermisch sehr aktiv. Guter Startpunkt für größere Streckenflüge Richtung Hauptkamm der Pyrenäen.
Weitere Fluggebiete in der Nähe:
Canalda. Organya, Bellmunt
Waypoints Start- und Landeplätze:
Download
Kontakt vor Ort:
Flugschule Espais. Oriol Duixans (spricht Englisch). Tel. +34 93 823 0131. Email: info@parapentespais.com. Internet: www.parapentespais.com
Empfehlenswerte Unterkunft:
Pension “Hostal La Roda”, direkt neben dem Landeplatz, bietet genügend Zimmer für kleinere Fliegergruppen. Einfach, aber sauber, freundlich, freies W-Lan und Schwimmbad.
Weitere Hotels und Pensionen in Aviá und Berga.
Camping Berga: www.bergaresort.com
Online Topo-Karte der Region:
Kartographisches Institut von Katalonien
Wetter-Infos:
www.meteo.cat
www.alertas-tiempo.es
Windfinder Berga
Meteoblue Meteogramm Berga
1 Kommentare
Da hat aber dieser Perdo gut übertrieben!
AntwortenLöschenVon Rasos de Peguera in Richtung Süden zu fliegen ist keine Hexerei! Es hängt eher von der vorherrschenden meteorologischen Situation ab. In der Region entwickelt sich oft am Tag ein überlagernder thermischer Wind aus süd / südwest.
Die so genannten 7 von 10 Piloten sollen vermutlich die ortsfremden Piloten darstellen, welche der Meinung sind, unmittelbar vor Rasos de Peguera eine Thermik zu finden, um dann in Richtung Süden gleiten zu können. Dabei versägen sie Höhe und die Folge ist nicht nur, dass sie den Flug über den Sattel nicht mehr schaffen, sondern dass sie u.U. in einem der Rotoren hinter den Bergkanten geraten können.
Man sollte also von vornherein sich genau über das Gebiet um Berga informieren und einen Plan B haben, wenn die erste Planung sich als falsch darstellt.
Vor ähnlicher Situation steht man allerdings auch, wenn man von La Figuerassa die Serra de Queralt in Richtung Berga überfliegen will. Hier gibt es nur wenige Punkte, die zum Überflug zu empfehlen sind und auch diese gehen nur bei bestimmten Vorraussetzungen.
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