2011 sorgte Ozone für Aufsehen mit seinem neuen Wettkampfflügel R11, weil der eine besondere Nase hat, bei der die Einlassöffnungen am Untersegel zurückversetzt sind. Shark Nose, die Haifischnase, tauften die Ozone-Designer diese Entwicklung und genossen öffentlich das marketingträchtige Ansehen als Innovationsmotor der Gleitschirmszene. Zu diesem Coup gehörte auch, die Haifischnasenkonfiguration zum Patent anzumelden. Doch dabei schmückte sich Ozone ein wenig mit fremden Federn.

Haifischmaul in einer Patentschrift von 1987.
Denn es gibt bereits ein Patent, das ein ganz ähnliches Konstruktionsmerkmal für Gleitschirme beschreibt. Es stammt aus dem Jahr 1989 und wurde von Gernot Leibe beim Deutschen Patentamt eingereicht. Leibe entwarf damals unter dem Markennamen Aviamecanic Gleitschirme. Sein Patent DE 3729934 A1 beschreibt einen "Paragleiter mit verbesserten Details". Dazu zählen unter anderem ein "Gleitschirm mit geschlossener Profilnase und mit Zuströmöffnungen auf der Profilunterseite (Haifischmaul)". In der Patentschrift ist auch eine Zeichnung enthalten, die auf den ersten Blick der Profilnase des R11 schon sehr nahe kommt.

Freilich wäre es falsch, Ozone hier einfach Plagiat vorzuwerfen. Die Franzosen verweisen in ihrer Patentschrift durchaus auf Leibes Vorarbeit, sehen aber dennoch in ihrer Version der Haifischnase eine deutliche Weiterentwicklung. Dieser Ansicht kann man auch durchaus folgen. Denn Gernot Leibe wollte mit seinem Haifischmaul nur eine geschlossene Profilnase erreichen, um den Luftwiderstand der damals noch riesigen Eintrittsöffnungen der Schirme zu senken. Deshalb propagierte er die Positionierung der Einlassöffnungen in einer Stufe vor die B-Leinenebene. Ozone wiederum legt die Öffnung nicht nur vor die (deutlich zurückversetzte) A-Ebene, sondern sieht den Hauptzweck dieser Übung an anderer Stelle: Durch eine entsprechende Profilierung der Untersegels rund um die Haifischnase wird die Luftströmung so geführt, dass der Schirm viel größere Anstellwinkeländerungen verträgt, ohne dass der Staudruck im Flügel verloren geht. (Diesen Effekt habe ich auf lu-glidz schon einmal genauer beschrieben: nachlesen). Der R11 ist in dieser Hinsicht bis heute legendär.

Haifischnase ist also nicht gleich Haifischnase (oder -maul). Diese Erkenntnis ist interessant angesichts des Trends, dass immer mehr neue Schirme mit Anleihen dieser Bauart aufwarten und auch damit beworben werden - wenn auch marketingtechnisch mit anderen Begriffen. Tripleseven beispielsweise stellt bei seinen EN-A-Schirm Pawn die "BPI-Technologie" (Back Positioned Intake, zurückversetzter Lufteinlass) heraus. Gin spricht von Equalized-Pressure-Technology (EPT) , mit der nicht nur der neue Boomerang 9, sondern auch der EN-B Atlas ausgestattet sind. Für den Laien ist dabei schwer zu unterscheiden, inwieweit die jeweilige Bauweise letztendlich nur eine aerodynamische Nasenkosmetik oder auch einen Stabilitätsgewinn durch die größere Anstellwinkeltoleranz á la R11 mit sich bringt.

Angedeutete Haifischnase
beim Ion 1. Die grüne Linie
zeigt die Stufe im Profil.
Bild: Nova
Andere Firmen wiederum wundern sich über das Aufheben, das um die "neuen" Nasenprofile gemacht wird, weil bei ihnen ähnliche Lösungen im Stillen schon länger zu finden sind. Nova-Konstrukteur Hannes Papesh, einer der Vorreiter beim Einsatz von computergestützten Strömungsberechnungen im Gleitschirmdesign, erkannte nach eigenen Angaben schon vor Jahren bei Simulationen der Luftströmungen im Inneren einer Gleitschirmkappe, dass eine kleine Stufe am Lufteinlass eine Möglichkeit darstellt, den Innendruck zu erhöhen. Diese Kenntnis setzte er beispielsweise schon beim Design des Profils des Ion 1 ein. Rein äußerlich käme wohl kaum ein Pilot auf die Idee, dahinter eine Haifischnase zu vermuten.