Die verwendete Faltleine beim Test des Enzo 2 besitzt eine andere Geometrie als die A-Leinen. |
Alain Zoller, Chef von Air Turquoise, hatte den beiden anderen Gleitschirm-Zertifizierungsstellen DHV und EAPR Videos einzelner Testmanöver zur Ansicht geschickt. In der schriftlichen Stellungnahme der EAPR heißt es nun: "Eine positive Bewertung gemäß EN 926-2:2005 oder EN 926-2:2013 kann auf Grund des vorgelegten Videomaterials nicht bestätigt werden. Es bestehen erhebliche Zweifel an der korrekten Flugtestdurchführung und deren korrekten Bewertung."
Die größte Kritik bezieht sich auf die bei den Klappern verwendeten Faltleinen. Gemäß einer Vereinbarung aller Prüfstellen mit der PMA aus dem Jahr 2011, die zudem in die neueste Fassung der EN 926-2:2013 übernommen wurde, gilt: Falls Faltleinen verwendet werden, müssen diese genau der Geometrie der A-Leinen (Länge, Kaskade, Leinenwinkel) entsprechen. Doch in den Videos der Testmanöver des Enzo 2 ist zu erkennen, dass die genutzte Faltleine anders dimensioniert ist: Sie gabelt sich erst weiter oben. Dieses Setting könnte ein "Tuning" der Faltleine ermöglichen, um eine sanftere Reaktion bei Klappern zu erreichen.
Ins gleiche kritische Horn stößt auch der Verband der Gleitschirmhersteller PMA: "Unabhängig davon, ob die Flugtests des Enzo nun
nach EN 926-2:2005 mit der dazugehörigen Vereinbarung des Runden Tischs vom 9.12.2011 oder nach EN 926-2:2013 durchgeführt wurden, sind sie ungültig, da die
Faltleinenkonstruktion nicht der geforderten Definition entsprach."
Allerdings gibt es mit diesem "ungültig" ein Problem, und das liegt in der Definition der zugehörigen EN: In der Norm ist bisher keine Schiedsstelle festgelegt, die in Streitfällen bindend darüber entscheiden könnte, ob Tests auch normkonform durchgeführt wurden oder nicht. Während bei der deutschen LTF das Luftfahrtbundesamt die Oberhoheit innehat, entpuppt sich die EN mangels festgelegter Aufsicht als zahnloser Papiertiger. Wenn eine Teststelle nach eigener Interpretation einen Schirm als EN-konform einstuft, können andere zwar dagegen wettern, aber im Grunde nichts ausrichten.
Theoretisch böte sich schon ein Weg: eine Verbraucherschutzklage. Dann müssten Gerichte darüber entscheiden, ob eine Norm nicht eingehalten wurde. Allerdings gilt in der Praxis auch der Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter. Und derzeit ist nicht erkennbar, dass jemand willig wäre, wegen des Enzo 2 vor Gericht zu gehen.
So bleiben nur die Fragen nach den Langzeitfolgen: Bliebe die Zertifizierung des Enzo 2 bestehen, "wäre das ein großer Rückschlag für alle Bemühungen, einheitliche Regeln in Europa voranzutreiben und Ministerien davon zu überzeugen, dass es eigentlich einer nationalen Aufsicht gar nicht bedarf", sagt EAPR-Chef Guido Reusch.
In Fachkreisen wird bereits darüber diskutiert, wie verschiedene Schlupflöcher, die im Zuge von Enzogate zu Tage getreten sind, bei der nächsten Überarbeitung der Norm EN 926-2 gestopft werden könnten. Doch bis dahin werden noch ein paar Jahre vergehen.
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