Burkhard "Burki" Martens gilt seit seinem Thermikbuch als international anerkannter Lehrmeister der Gleitschirmszene. Zugleich ist er ein aktiver wie erfolgreicher Streckenflieger, der schon etliche Rekorde aufgestellt hat. Von so jemanden lässt man sich gerne etwas beibringen bzw. erhofft man sich wichtige Tipps, wenn es darum geht, selbst einmal die Gefilde der Startbärte zu verlassen. Schon 2007 hatte Burki eine entsprechende Hilfestellung im Selbstverlag veröffentlicht: Das Streckenflugbuch für Gleitschirm- und Drachenflieger. Nun hat er das Werk stark überarbeitet und in der 2. Auflage den Umfang um rund ein Drittel auf 624 Seiten erweitert. Ein guter Grund, sich (noch) einmal intensiv damit zu beschäftigen.

Eins muss man gleich vorneweg sagen: Wer sich von diesem Buch eine didaktisch perfekt durchstrukturierte Heranführung an das Streckenfliegen erhofft, der wird enttäuscht werden. Burki nimmt nicht die Streckenflug-Anfänger sanft an die Hand, um sie bei ihren ersten kleinen Streckenversuchen zu begleiten. Er fragt nicht nach Motivation, nach Sorgen und Ängsten der Einsteiger, beschäftigt sich wenig mit den für viele so schwer zu überwindenden psychologischen Hürden des Streckenfliegens. Burki ist Praktiker, er schöpft aus einem reichthaltigen Fundus an eigenen Erfahrungen. Und davon werden am meisten jene Piloten profitieren, die schon ihre ersten kleinen Streckenerfahrungen gemacht haben und sich nun fragen, wie sie bestimmte Aspekte dieser Form der Fliegerei optimieren können.

Aus dieser Perspektive heraus gelesen ist das Streckenflugbuch ein großer Schatz. Ob Alpin- oder Flachlandfliegen, die Planung großer FAI-Dreiecke, die Grundlagen zum Erkennen guter Streckenflugwetterlagen, die Nutzung von Online-Contest-Servern - alles kommt drin vor, wenn auch etwas bunt durcheinander gewürfelt. Zu diesem Eindruck trägt auch bei, dass Burki zu einzelnen Aspekten immer wieder Gastautoren zu Wort kommen lässt, die jeweils ihren eigenen Stil einbringen (u.a. ist dort auch ein Text von lu-glidz über Mittelfristige Wettereinschätzung zu finden).

Die Kapitel sind gespickt mit Bildern und kleinen Kästen voll mit Tipps und Erfahrungen. Ein Aha-Moment jagt den nächsten. Allerdings macht das etwas wilde Sammelsurium es schwer, den Überblick zu behalten. Wer später mal etwas nachlesen will ("irgendwo hatte der Burki doch etwas über die Abflughöhe bei Talquerungen geschrieben..."), ist zum Blättern und Suchen verdammt. Dabei wird man zwangsläufig auf Dutzende anderer Bilder und Tipps stoßen, die man gerade nicht suchte, die aber dennoch interessant sind. Das Werk ist also weniger ein klassisches Lehrbuch als ein bunter Schmöker, den man immer wieder gerne zu Hand nimmt, um sich neue Anregungen zu holen.

Der größte Wert des Buches findet sich im Kapitel 10. Darin beschreibt Burki ausführlich 23 streckenträchtige Fluggebiete in den Alpen. Zu jeder Region liefert er Beispiele für typische Streckenführungen samt vieler Fotos, in denen sogar die Position klassischer Bärte und Schlüsselstellen markiert sind. Das ist echtes Expertenwissen - enorm hilfreich, wenn es darum geht, sich selbst an diesen Routen zu versuchen und dabei schneller Erfolgerlebnisse zu haben!

Lesenswert ist auch Kapitel 11. Dort geben zahlreiche bekannte Piloten, u.a. Chrigel Maurer, Alex Ploner, Kurt Eder und Armin Harich, in Interviews ihre eigenen Tipps weiter. Hier zeigt sich, dass die Streckenfliegerei auch mit ganz unterschiedlichen Pilotenstilen funktionieren kann. Sowohl die intuitiven Bauchgefühlflieger wie die akribischen Planer sind zu weiten Strecken fähig. Besonders hervorzuheben ist hier der Beitrag des jungen deutschen FAI-Dreieck-Rekordhalters Ferdinand Vogel. Seine ausführlichen Antworten zeugen von einem tiefen Reflexionsvermögen. Von ihm würde man gerne noch mehr lesen und lernen.

Burhard Martens zeigt die Skywaykarte der Alpen. // Quelle: Thermikwolke.de
Hilfreich ist auch ein großes Poster, das jedem Buch beigelegt ist. Es zeigt eine Reliefkarte der Alpen und auf der Rückseite das Relief der iberischen Halbinsel, auf der jeweils die Skyways eingetragen sind. Skyways sind die von Streckenpiloten hauptsächlich beflogenen Routen entlang von Bergkanten und Talverläufen. Diese Karten können bei der Streckenplanung durchaus dienlich sein und zeigen sehr gut, wo die Hotspots der Streckenflüge liegen.

Das Streckenflugbuch kostet 49,90 Euro (64,90 SFr) plus Porto, wenn man es über Burkis Internetseite Thermikwolke bestellt. Daneben ist es auch bei vielen Flugschulshops oder über den DHV-Versand erhältlich. Wer sich nach dieser Rezension und vor einem Kauf noch mehr Eindrücke verschaffen will, der kann auf Thermikwolke Auszüge einzelner Kapitel probelesen.