Robert ist ein Beispiel dafür, wie schnell man mit Hingabe im Gleitschirmsport Träume verwirklichen kann. Der 24-jährige fliegt seit 2011, wurde 2012 von Nova als Teampilot aufgenommen, gewann 2013 die Vereinsmeisterschaft der Bodenlosen und machte 2014 mit einem Biwak-Flug über die Alpen von sich reden. Im lu-glidz-Interview spricht er über seine Vorbereitung auf das neue Abenteuer und die unterschiedlichen Denkweisen, die das Strecken- und Biwakfliegen vom Piloten verlangen.
Robert Schaller // Foto: T. Gottbrath |
Robert Schaller: Ich bin zwar eigentlich Student an der TU München, aber derzeit zum Auslandsstudium in Australien. Geboren wurde die Idee, als ich mich damit beschäftigt habe, was man denn in den Semesterferien alles sehen muss, wenn man schon mal am anderen Ende der Welt ist. Ich kannte viele Reiseberichte, die die Neuseeländischen Alpen als wunderschön beschreiben, zumindest wenn das Wetter stimmt. Ein perfektes Reiseziel für jemand, der gerne fliegt und in den Bergen ist. Meine Alpen-Überquerung im Biwak-Style letzten Sommer war dann quasi der Testlauf, wieviel ich mir zutrauen kann.
Dein Biwak-Flug über die Alpen dauerte aber nur drei Tage. Dein Trip durch Neuseeland könnte eher drei bis vier Wochen dauern. Keine Angst vor dem Alleinsein?
Robert: Ich habe Respekt vor dem Alleinsein, vor allem im Bezug auf die fehlende Kameradenhilfe in Notsituationen. Es ist ja nicht nur die Dauer, sondern auch die Abgeschiedenheit der Neuseeländischen Berge. Ich habe gerade darauf viel Zeit in die Vorbereitung investiert. Auf der anderen Seite bekomme ich an manchen Tagen 50 relevante Mails, den Spam nicht mitgezählt, ich habe Abgaben für die Uni und Kommilitonen, die ungeduldig darauf warten, dass ich fertig werde. Ich denke ich werde es genießen, wenn es mal nur meine Wanderschuhe, meinen Schirm, die Berge und mich gibt.
Was reizt Dich gerade am Solo-Biwakflug? Einige der großen Gleitschirm-Biwakflüge der letzten Jahre wurden ja von Zweier-Teams bestritten.
Robert: Ich bin offen in die Planungsphase gegangen. Wenn ich jemand gefunden hätte, der Zeit, Motivation und entsprechendes Können gehabt hätte, dann wäre es vielleicht auch eine Zweier-Mission geworden. Wer die Geschichte von Boxi im Pamir kennt, weiß aber, dass ein nicht gut eingespieltes Zweier-Team schlechter funktioniert als ein Ein-Mann-Team. Mich hat das Erlebnis Neuseeland gereizt, und das Team habe ich genommen wie es kam. Ich kann beiden Varianten etwas abgewinnen, und beim nächsten Projekt wird es vielleicht auch ein Zweier-Team.
Siehst Du Dich als Abenteurer?
Robert: Interessante Frage über die ich selbst noch gar nicht so nachgedacht habe. Ein bisschen Abenteuer in meiner Freizeit brauche ich einfach. Der nötige Tatendrang und Entdeckergeist lag mir wohl schon immer im Blut. Auf der anderen Seite bin ich auch Ingenieur und arbeite konstant daran, das dabei involvierte Risiko so gering wie möglich zu halten. Ein Draufgänger-Abenteurer bin ich sicher nicht.
Wovor hast Du am meisten Angst?
Robert: Neuseeland liegt mitten in den Roaring Forties - einem geografischen Gürtel, der für seine starken und spontanen Westwinde berüchtigt ist. Hierfür die Zeichen nicht rechtzeitig zu sehen und richtig zu interpretieren ist eine Sache, vor der ich großen Respekt habe.
Wie hast Du dich aus der Ferne auf die Strecke vorbereitet. Stundenlanges surfen in Google Earth?
Robert: Genauso wie auf jeden Streckenflug in den Alpen auch. Stundenlang und immer wieder die verschiedensten Karten studiert. Topografie, Wege, Lufträume, Flugaufzeichnungen, XC-Planer, Tourenberichte, Youtube-Videos, Panoramaaufnahmen und und und. Alles was ich im Kopf mitnehmen kann, muss ich nicht tragen und kann es jederzeit unterwegs zur Planung heranziehen. Ich betreibe sowas auch nicht als Vorbereitung am Stück, sondern hab großen Spaß daran, immer mal wieder zwischendurch zu suchen und was neues zu lesen.
Einer der erfahrensten Piloten in Neuseeland in Nick Neynens, der in diesem Jahr auch an den X-Alps teilnehmen wird. Hast Du von ihm oder anderen Tipps bekommen?
Robert: Klar habe ich mit Nick Kontakt aufgekommen. Er ist selber gerade dabei, kreuz und quer zu laufen und zu fliegen, als Training für die X-Alps. Bescheiden wie er ist, meinte er natürlich, dass andere wesentlich erfahrener sind als er. Es gibt einige Top-Piloten dort, mit denen ich Kontakt hatte. Und ich bin für jeden Tipp, den ich bekommen habe, sehr dankbar.
Die neuseeländischen Alpen sind teilweise deutlich einsamer und abgeschiedener als die europäischen. Du musst nur einmal blöd landen, und schon könntest Du dich nicht einmal zu Fuß weiterkämpfen. Wie gehst Du mit diesem Risiko um?
Robert: Das Risiko mal blöd zu landen ist prinzipiell in Europa und Neuseeland das gleiche. Würden wir das nicht alle akzeptieren, dürften wir nicht fliegen. Der Unterschied der Abgeschiedenheit kommt erst danach zum Tragen: Wie mache ich jemanden darauf aufmerksam, dass ich Hilfe benötige? Wieviel länger braucht die Hilfe, bis sie bei mir ist? Zum Teil kann man diesen Fragen mit technischen Hilfsmitteln und guter Planung begegnen. Ein gewisses Restrisiko bleibt natürlich trotzdem. Aber mit der Gewissheit, alles mir mögliche zur Minimierung getan zu haben, kann ich gut Leben.
Hast Du ein Satellitentelefon dabei?
Robert: Nein. Das war zwar ursprünglich in der Planung, aber ich hab es jetzt durch einen 2-Wege Satellitentracker ersetzt. Das heißt, ich kann eine Art SMS via Satellit schreiben und empfangen. Ich werde das System nutzen, um täglich einen Wetterbericht zu bekommen, Live-Tracking zu machen und die Facebook-Seite auf dem Laufenden zu halten.
Du hast einige Sponsoren, die Dich mit Ausrüstung unterstützen. Ist es schwer, solche Partner zu finden und von seinem Vorhaben zu begeistern?
Robert: Mit den meisten Sponsoren arbeite ich schon länger zusammen. Allen voran natürlich Nova, die schon an mich geglaubt haben, als ich das selbst noch gar nicht so richtig tat und meine XC-Bestleistung bei gerade mal 30 Kilometer Bassano Out-and-Return lag. Mit Sponsoren ist es wie in jeder anderen Beziehung auch. Man muss klein anfangen und kann sich dann steigern. Und man darf sich natürlich auch keine falschen Vorstellungen machen: Trotz einiger namenhafter Sponsoren werde ich sicher mehr Geld in das Projekt investieren, als ich dabei raus bekomme. Auf den großen Sponsor, der mir all das für lau oder sogar mit Gewinn ermöglicht, warte auch ich noch.
Du willst regelmäßig auf einer Facebook-Seite zu berichten, am Ende einen Film produzieren. Welcher Anteil Deiner Ausrüstung ist allein auf diese mediale Dokumentation ausgerichtet?
Robert: Das ist in der Tat ein großes Problem. Bei keinem anderen Teil meiner Ausrüstung ist Qualität so stark gekoppelt ans Gewicht wie bei Kameras. Ich habe mich jetzt für eine Actioncamera und eine Kompaktkamera mit großem Zoomfaktor entschieden. Plus Stromversorgung, Halterung, etc. sind wir dann wahrscheinlich bei 5-10% des Ausrüstungsgewichts.
Wieviel wiegt Deine Ausrüstung insgesamt?
Robert: Haha, das ist die mit Abstand meistgestellte Frage beim Biwakfliegen. Ich wiege und optimiere jedes Teil meiner Ausrüstung einzeln, aber im ganzen wiege ich es erst, wenn ich zurückkomme. Aus psychologischen Gründen. Bei der Alpenüberquerung waren es 21 Kilogramm. Ich habe wieder einige Sachen optimiert, werde aber auf der anderen Seite auch zusätzliche Dinge wie beispielsweise einen Kocher mitnehmen müssen. Wahrscheinlich werde ich insgesamt etwas mehr Tragen müssen wie beim letzten Mal. Die Auflösung gibt es nach dem Projekt auf der Facebookseite.
Du fliegst erst seit 4 Jahren, warst aber schon 2012 bester Newcomer im DHV-XC, hast 2013 gegen große Konkurrenz die Clubmeisterschaft des Bodenlos e.V. gewonnen. Wie macht man so schnell Fortschritte?
Robert: Ein wenig Glück war bei diesen Erfolgen sicher dabei. Und dass ich nicht ganz talentfrei bin, hab ich auch schon mal nachgesagt bekommen. Dennoch war diese Lernkurve kein Hexenwerk, sondern Ergebnis von immer wieder Absaufen und hinterher konsequent analysieren warum.
Worin unterscheidet sich aus Deiner Sicht das Streckenfliegen für den XC-Wettbewerb zum Streckenfliegen bei einem Biwak-Abenteuer?
Robert: Eine solide Streckenflugerfahrung ist sehr wichtig beim Biwakfliegen. Umgekehrt ist aber nicht jeder gute Streckenflieger auch gleich ein guter Biwakflieger. Es ist vor allem die Möglichkeit zum erhöhten Einlanden, die eine ganz neue Strategie definiert. Wenn ich beim Streckenfliegen eine unumfliegbare Thermik-Störung, etwa eine Abschattung, auf meiner Route habe, dann muss ich trotzdem rein und hoffen, dass ich Glück habe und auf der anderen Seite noch hoch genug rauskomme. Beim Biwakfliegen ist es meist die bessere Möglichkeit hoch einzulanden und den Flug später fortzusetzen. Oder vielleicht sogar ein Stück am Hang entlang zu laufen um sich einen erneuten Aufstieg zu ersparen. Einen Blick dafür zu entwickeln ob Fliegen oder Laufen einen gerade effizienter voran bring, ist etwas, was man selbst als erfolgreicher Streckenpilot erst neu lernen muss. Das stellt nochmal ganz neue Herausforderungen an Geländekenntnis und -einschätzung.
Was kommt als nächstes, wenn Du dieses Projekt erfolgreich abschließt. Die X-Alps 2017 vielleicht?
Robert: Konkrete Pläne für danach hab ich noch keine. Aber es war bestimmt nicht das letzte Projekt. Irgendwann möchte ich mal noch beim DHV-XC auf dem Treppchen stehen. X-Alps, klar, es ist der bedeutendste Wettbewerb der Szene, aber ob mir dabei der Flug-Genuss nicht zu kurz kommt, habe ich noch nicht abschließend entschieden. Letztendlich wird es darauf ankommen, ob ich mal irgendwann die Zeit finde, ein ganzes Jahr ausschließlich dafür zu trainieren. Nichtsdestotrotz: Wer meine Supporterin werden würde, haben wir vorsichtshalber vor zwei Jahren schon mal fest ausgemacht...
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