Ein Enzo 2 beim Klappertest. // Quelle: Air Turquoise |
Vor zwei Jahren hatte die CIVL als Gleitschirm- und Drachensektion der FAI erstmals eigene Regeln für die Zulassung von Competition-Schirmen festgelegt. Die Vorgaben der CIVL Competition Class (CCC) stellten eine auf das Wettbewerbsgeschäft angepasste und reduzierte Fassung der EN-Normen dar (Lu-Glidz berichtete). Allerdings waren sie mit hohen Hürden verbunden. Damit Schirmmodelle offiziell bei FAI-Wettbewerben der Kategorie 1 (Cat1 = kontinentale und weltweite Meisterschaften) mitfliegen durften, mussten die Hersteller diese Schirme in mehreren Größen entwickeln und einmal einem Lasttest sowie in allen Größen den Flugtests unterziehen. Das war entsprechend aufwendig und teuer, weshalb das Angebot an Wettbewerbsschirmen seither immer kleiner wurde. Zuletzt beherrschten nur noch Ozone mit dem Enzo 2 und Gin mit dem Boomerang 10 die Szene. Das soll in Zukunft nach dem Willen der FAI wieder anders werden.
Die CIVL hat bei ihrer Jahrestagung 2016 am vergangenen Wochenende in Lausanne deutliche Änderungen bei den CCC-Regeln beschlossen. Die neuen Vorgaben zielen darauf, das Zulassungsverfahren zu vereinfachen und von strittigen Punkten zu befreien. Künftig müssen die Hersteller weniger materiellen Aufwand bei der Zulassung betreiben. Die Regeln treten zum 1. Oktober 2016 in Kraft. Hier die wichtigsten Änderungen :
Keine rückwirkende Ausgrenzung: Alle aktuell zugelassenen Schirme dürfen auch weiterhin bei Wettbewerben geflogen werden. Das gilt auch für alle nach EN zugelassenen Modelle.
Theoretischer Lasttest: Künftig müssen die Hersteller keine echten, zerstörerischen und deshalb teuren Lasttests mit den Competition-Schirmen mehr machen. Stattdessen müssen sie nur noch rechnerisch für jede Größe nachweisen, dass die eingesetzten Leinen in Summe stabil genug sind. Zur Sicherheit wird dabei eine erhöhte Maximalbelastung von 23G (23x das maximale Startgewicht einer Schirmgröße) zugrunde gelegt. Zum Vergleich: In der geltenden EN-Norm für Gleitschirme werden nur 14G verlangt. Bei CCC-Schirmen müssen zudem alle Leinen, auch die dünnen in den Galerien und der Bremsspinne, jeweils mindestens 40 daN (~40 kg) halten können. Die Wettbewerbsschirme werden also künftig mit etwas dickeren Leinensätzen unterwegs sein.
Flugmanövertests nur mit kleinster Größe: Für eine gültige CCC-Zulassung für FAI-Cat1-Wettbewerbe muss nur noch die Schirmgröße XS (Startgewicht bis max. 90 kg) von den entsprechenden Zulassungsstellen offiziell geprüft werden. Waren diese Tests erfolgreich, können die Hersteller alle größeren Schirme (S, M, L) durch lineare Skalierung vom getesteten XS-Modell ableiten und von eigenen Testpiloten abnehmen lassen. Für die Schirmmaße (Spannweite etc.) ist bei der Skalierung keine Toleranz erlaubt. Bei Leinenlängen sind Abweichungen von +/- 2cm vom rechnerisch skalierten Maß möglich. Diese Toleranz ist nötig, um den erhöhten Luftwiderstand dickerer Leinen bei der Trimmung größerer Schirme berücksichtigen zu können. Die Zertifizierung der XS-Größe muss 90 Tage vor einem FAI-Cat1-Wettbewerb abgeschlossen sein, alle weiteren Größen mindestens 60 Tage.
Standard-Limiter für Beschleuniger: Alle CCC-Schirme müssen am Tragegurt mit einem Band zwischen der A- und B-Ebene ausgerüstet sein, das den maximalen Beschleunigerweg begrenzt. Die Länge des Limiters ist auf 14 cm festgelegt, und zwar für alle Schirmgrößen gleichermaßen. De facto bedeutet dies, dass kleinere Schirme - relativ gesehen - etwas weiter beschleunigt werden können. Das könnte helfen, manche der aerodynamischen Nachteile kleinerer Schirmgrößen im Wettbewerb ein wenig auszugleichen.
Begrenzter Top-Speed bei Testmanövern: Beschleunigte Testmanöver wurden bisher bei Full-Speed geflogen. Künftig werden die CCC-Schirme einem abgemilderten Test unterzogen. Die Vorgabe lautet: Trim-Speed plus 10 Zentimeter Beschleunigerweg (was sich durch einen entsprechenden Limiter bei den Tests genau einstellen lässt). Das neue Verfahren soll die Vergleichbarkeit zwischen den Schirmen erhöhen und auch den Teststellen die Arbeit erleichtern. Denn bei Full-Speed von deutlich über 60 km/h kann es schwer fallen, einen Klapper konsistent und vergleichbar ins erforderliche Messfeld zu bringen. In der Praxis könnte die neue Vorgabe als Nebeneffekt dazu führen, dass die CCC-Schirme in Zukunft klappstabiler gebaut werden. Denn dank der reduzierten Dynamik bei den 10-cm-Tests müssen die Hersteller weniger auf "Sollbruchstellen" im Design achten, um norm-konforme Full-Speed-Klapper erreichen zu können.
Verkürzte "Reparaturzeit" nach Piloteneingriff: Anders als bei den Manövern gemäß der EN-Norm dürfen die Testpiloten bei den CCC-Schirmen nach einem Klapper steuernd eingreifen. Bisher musste der Schirm dann spätestens fünf Sekunden nach dem Eingriff wieder flugfähig sein. Künftig wird diese erlaubte Reparaturzeit bei den CCC-Tests auf drei Sekunden verkürzt.
Inwieweit die neuen Regeln tatsächlich helfen werden, mehr Hersteller zum Bau von CCC-konformen Schirmen anzuregen, bleibt abzuwarten. Durch den nur noch theoretischen Lasttest mit 23G und die Flugtests bei nur einer Schirmgröße dürften die finanziellen Belastungen durch die Zulassung beträchtlich sinken. Allerdings stellt der Zwang zur Zulassung eines kleinen XS-Schirmes - zumindest mit Blick auf Cat1-Wettbewerbe - auch eine neue Hürde dar. Nicht jeder Hersteller dürfte ausreichend erfahrene "Leichtgewichte" als Testpiloten zur Verfügung haben, die sich zutrauen, die Protos heißer CCC-Schirme während der Entwicklung auf Gedeih und Geklapper zu prüfen.
3 Kommentare
Beim Titel dachte ich erst Mal "Oh, cool, nur noch Lasttests, also quasi offene Klasse" :)
AntwortenLöschenManchmal passt halt nicht alles in die Titelzeile, dann sticht halt nur das Wichtigste heraus.
AntwortenLöschenBesonders den beiden "big players" Ozone und Gin ist es hoch anzurechnen, dass sie diesen Entwurf gemeinsam massiv unterstützten, obwohl er ihnen neue Konkurrenz im Wettbewerbssegment beschaffen wird. Die beiden großen Hersteller, die sich auch das bisherige Verfahren locker leisten können, hätten sich die Konkurrenz mit der alten Regelung bequem vom Hals halten können. Hut ab vor dieser sportlichen Einstellung.
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