Prochazka eliminiert +++ Chrigels Tränen +++ Tagesberichte 3+4 +++ Guschlbauers Vlog +++ Tiefstarter +++ Regenflug +++ Wagga-Style 

Ondrej Prochazca unterschätzte die Laufbereitschaft
seiner Konkurrenten. // Quelle: redbullxalps.com

+++ Bei X-Alps "Highlights" denkt man ja eher an die erfolgreichen Momente im Rennen. Doch genauso bemerkenswert sind die Dramen, die sich hinten im Feld abspielen. Dazu gehört der Hammer der Elimination des Letztplatzierten alle zwei Tage. Als Ersten hat es in diesem Jahr den Tschechen Ondrej Prochazca getroffen. Er lag am Mittwochmorgen um 6 Uhr ganz hinten und wurde deshalb laut Reglement aus dem Rennen genommen. Man kann ihn einen doppelten Pechvogel kennen. Am ersten Tag hatte er das Pech, auf seiner mutig gewählten, solitären Route durch das Pinzgau nach Wagrain als einziger durch Regenschauer zu Boden gezwungen zu werden. Seitdem lief er dem Feld hinterher. An Tag 3 schaffte er dann mit einer guten Flugleistung wieder den Anschluss und ließ vier andere Athleten teils deutlich hinter sich. Alle vier zogen allerdings den Nightpass, um die Nacht durchlaufen zu können und eben nicht eliminiert zu werden. Prochazca "wettete" darauf, dass er nicht von allen eingeholt werden würde. Er wollte seinen eigenen Nightpass strategisch aufsparen – für eine mögliche weitere Eliminationsrunde. Allerdings ging seine Wette nicht auf. Der Chinese Junming Song rannte ganze 60 km durch die Nacht und lag am Ende knapp vor Prochazca. +++ 

+++ Zur gleichen Zeit des Leids Prochazcas erlebte ein anderer einen besonderen Glücksmoment: Chrigel Maurer. Er schwebte zu Beginn von Tag 4 als erster am Turnpoint Frutigen in seiner Heimat ein, wo er schon um 6.30 Uhr von einer großen Menschenmenge empfangen wurde. Auch Fans können Frühaufsteher sein. Chrigel hatte immer davon geträumt, bei den X-Alps mal gewissermaßen nach Hause fliegen zu können und dort auch als Führender anzukommen. Nun kam der emotionsreiche Moment, bei dem ihm sogar ein paar Freudentränen über die Wange kullerten. Chrigel hatte zuvor extra einen Nightpass gezogen, um sich dieses Erlebnis nicht von der Konkurrenz nehmen zu lassen. +++ 

+++ An den Tagen 3 und 4 ist viel im Rennen passiert, wobei vor allem Tag 4 für eine große Regruppierung in der aktuellen Rangliste sorgte. Beim Flug um den Mt Blanc blieb ein Teil der Führenden zwischen Starkwind und Regenzellen hängen, während Piloten aus dem Mittelfeld mit Glück und gutem Flugverstand von hinten her das bessere Meteo-Fenster erwischten und teils weit nach vorne flogen. Herauszuheben sind hier Paul Guschlbauer und Damien Lacaze, die an dem Tag das Feld mit grandiosen Flügen gewissermaßen von hinten aufrollten. Wer mehr dazu nachlesen will, dem empfehle ich einmal mehr die Tagesberichte des Thermikmagazins auf Facebook zu Tag 3 und Tag 4. Eine kleine Ergänzung bzw. Aufklärung zum Tagesbericht 4 kann ich hier noch liefern. Am Ende des Tages spiralte Chrigel Maurer 1000 Meter ins Aosta-Tal hinab, was den Thermik-Reporter rätseln ließ: warum? Es war ein Luftraum (CTR), der Chrigel zu Boden zwang. Sonst wäre er an dem Tag seinen Verfolgern wohl doch noch ziemlich weit enteilt. +++ 

+++ Das Team von Paul Guschlbauer bildet den Verlauf des Rennens von Paul auch wieder in einem Video-Tagebuch auf Pauls Youtube-Kanal ab. Ich habe ihn auch in die Link-Sammlung unten mit aufgenommen. +++ 

+++ Das Tempo bei den Redbull X-Alps 2023 ist enorm hoch. Nach nur vier Tagen hat fast die Hälfte des Feldes schon die Hälfte und mehr der Strecke zurückgelegt. Das liegt  an vier Tagen mit relativ guten Flugbedingungen. Der Laufanteil ist dennoch erstaunlich gering. Beim Führenden Chrigel Maurer, aber auch Paul Guschlbauer oder Pal Takats zum Beispiel liegt er bisher bei gerade einmal zehn Prozent der von ihnen jeweils zurückgelegten Strecke. Dazu trägt auch eine besondere Taktik bei, die in diesem Jahr von immer mehr Teilnehmern eingesetzt wird: Warum hoch laufen, wenn man auch hoch fliegen kann? Während in früheren Rennen die meisten Piloten nach ihrer Unterschrift am Turnpoint Lermoos (TP4) erst mühsam bis auf den Grubigstein stapften, um sich dort in die Luft zu schwingen, wählten viele in diesem Jahr die Variante "Tiefstarter". Sie liefen nur 150 Meter bergauf, um dann am Prallhang im Talwind aufzusoaren und schließlich thermisch nach oben zu kommen. Ein ähnliches Spiel machten etliche Piloten am Niesen (TP8). Anstatt von Frutigen (TP7) aus die 1600 Höhenmeter zu erwandern, starteten sie irgendwo auf halber Berghöhe und drehten dann bis zum Gipfel auf. Auf diese Weise gelang es zum Beispiel auch den Verfolgern, den Vorsprung des dank Nightpass enteilten Chrigel (der den Niesen komplett zu Fuß erklomm) nicht zu groß werden zu lassen und ihn sogar auf dem Weg zum Mt Blanc (vorerst) wieder einzuholen. +++ 

Regenzellen am Mt Blanc
// Quelle: burnair.cloud

+++ Dass Chrigel am Ende von Tag 4 doch wieder ganz vorne lag, hat zum einen mit seiner großen Erfahrung zu tun, zum anderen aber auch mit seinem erstaunlichen "Biss". Denn um den Mt Blanc herum standen etliche Regenzellen. Chrigel und sein größter Konkurrent Maxime Pinot ließen sich davon nicht abhalten, kämpften sich zeitweise unter Regen- und sogar Hagelschauern und entsprechend turbulenten Windverhältnissen voran. Im Burnair-Livetracking (mit zugeschaltetem Regenradar) führten die Flugspuren teils mitten durch die Schauergebiete hindurch. Chrigel selbst sprach auf seinem Instagram-Kanal von "unfliegbaren" Bedingungen. In diesem Zusammenhang ist ein Video interessant, das Chrigel noch vor dem Start des Rennens auf seinem Instagram-Kanal hochgeladen hatte. Es zeigt, wie er sogar das Fliegen im Regen trainiert und austestet, wie sich der Stallpunkt seines Schirmes im nassen Zustand verändert. Das hat fast schon Lehrvideo-Charakter (wobei natürlich immer noch die Empfehlung gilt, sicherheitshalber erst gar nicht mit dem Gleitschirm im Regen zu fliegen). +++  

+++ Die Starts bei den X-Alps sind immer spektakulär, allein schon wegen des häufig schroffen Geländes und der wilden Hochgebirgslandschaft im Hintergrund. Und dann gibt es Piloten wie der Franzose Tim Alongi, die noch einen draufsetzen. Tim ist erfahrener Acro-Pilot samt hunderter Stunden  Dünenspielerei im Wagga-Style. Entsprechend spielerisch schwingt er sich auch als X-Alps-Showman rückwärts in die Luft. Beim Zuschauen wird verständlich, warum manche Passanten ohne Gleitschirm-Erfahrung so gerne fragen: Wann "springen" sie denn? Wer einen Eindruck von Tims Künsten gewinnen will, kann sich nachträglich auf Facebook einen offiziellen X-Alps-Livestream vom Niesen anschauen. Der interessante Part startet etwa bei Minute 8. +++ 

+++ Kleiner Ausblick noch am Ende: Tag 5 bis 7 werden meteo-technisch spannend. Auf der Südalpenseite herrscht entlang des Kurses starker Wind aus Norden, der das Fliegen besonders "sportlich" machen dürfte. Da sind einige überraschende Wechsel in der Rangfolge zu erwarten. Zumal mit dem besonders hoch gelegenen TP 11 Dufour-Spitze und der für den Nordwind sehr anfälligen Region um den Comer See zwei echte Knackpunkte am Weg liegen. Diese Bedingungen sollten einmal mehr den hartgesottenen Favoriten Chrigel Maurer und Maxime Pinot entgegen kommen (zumindest im Vergleich zur Konkurrenz). +++


Weiterführende Links

Redbull X-Alps offiziell
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Weitere Info-Quellen
X-Alps Anonymous Addicts (Facebook) | Redbull X-Alps Livestream (Facebookgruppe) | Cross Country (Facebook) | Nova Race-News  | Wikipedia

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Wetter entlang der Route:


Hinweis: Die Links werden in kommenden Highlight-Episoden noch ergänzt, wenn sich im Verlauf des Rennens weitere interessante Quellen auftun.