Wenn Staub aus der Sahara nach Europa zieht, verlieren Sonneneinstrahlung und Thermik an Kraft. Wie kann man das vorab erkennen?

Bodennahe Staublast in Windy // Quelle: Windy.com

An diesem Wochenende ist der Himmel vielerorts in Mitteleuropa zeitweilig viel trüber, als man von den Prognosen her erwarten würde. Die Sahara schickt mal wieder eine Ladung Wüstenstaub. 

Der Himmel ist dann milchig, die Sonne wirkt verschwommen, und die Temperaturen bleiben in der Realität um ein paar Grad Celsius hinter dem zurück, was die Meteo-Modelle berechnen. Entsprechend schwächelt auch die Thermik.

In den Formeln der üblichen Wettermodelle wie ECMWF, GFS, ICON-D2 etc. wird die Staublast der Atmosphäre nicht berücksichtigt. Sie rechnen immer so, als gäbe es den Staub nicht. An den meisten Tagen des Jahres bleibt Europa ja auch vom Wüstenstaub verschont. Also: Who cares?

Wenn man allerdings große Flüge erwartet und am Ende dann enttäuscht wie unter einer Milchglasglocke am Berg hockt, fragt man sich: Hätte man das nicht vorhersehen können?


Das Skiron-Staubmodell

Optische Dichte der Staublast im Skiron Modell
// Quelle: Universität Athen

Doch, das hätte man! Denn es gibt spezielle Modelle, welche die Staubverteilung hinreichend genau erfassen und prognostizieren. Das bekannteste davon ist Skiron, das von der Universität Athen entwickelt wurde und auf Rahmendaten des GFS-Modells aufsetzt. 

Auf der Skiron-Website lassen sich die Staub-Prognosen für bis zu acht Tage im voraus abrufen. Wie immer gilt dabei: Je weiter in die Zukunft gerechnet, desto unsicherer die Ergebnisse.

Skiron liefert verschiedene Variablen als Maß für die Staub-Belastung: 

  • Dust Concentration: Angaben der Staubdichte in Mikrogramm pro m³ Luft. Die Werte beziehen sich auf die bodennahen Luftmassen. Je höher die Werte sind, desto dunstiger/dreckiger wirkt die umgebende Luft. Hohe Konzentrationen können u.U. schon zu Atembeschwerden führen. In Gebirgsregionen ist die Dust Concentration bei der Passage einer Staubwolke typischerweise höher als in tiefer liegenden Regionen.
  • Dust Load: Wie stark ist die Luftsäule mit Staub geladen (über alle Höhenschichten summiert)? Diese Werte sind in Milligramm pro m² angegeben. Je größer die Staubladung, desto stärker ist sein Einfluss auf das Wettergeschehen.
  • Aerosol Optical Depth: Die optische Dichte verrät, wie stark die Sonne durch die Streuung  an den Staubpartikeln gedimmt wird. Die Werte sind für eine Wellenlänge von 550 Nanometer (gelbes Licht) berechnet und in einer logarithmischen Skala dargestellt. Daumenregel (sehr grob): Bei Werten ab 0,5 wird die dämpfende Wirkung auf die Thermik spürbar.  


Staub in Windy

In Bereichen mit höheren Aerosol-Werten in Windy
ist mit verminderter Thermik zu rechnen.
// Quelle: Windy.com

Das blöde am Skiron-Modell ist, dass man immer eine spezielle Website dafür aufrufen muss. Allerdings findet man ganz ähnliche Angaben auch in Windy, der wohl meistgenutzten Meteo-Seite im Netz.

Dort sind Daten des globalen Modells CAMS abrufbar, mit dem der europäische Umweltdient Copernicus verschiedene Variablen zur Luftqualität berechnet. CAMS basiert auf dem ECMWF-Wettermodell (wenn auch in etwas gröberer Auflösung), die berechneten Daten fließen aber selbst nicht direkt in dieses ein.

In der Variablen-Auswahl von Windy sind zwei Werte zu finden, die bei der Einschätzung der Staubbelastung helfen:

  • Staub: Analog zur Dust Concentration von Skiron wird hier die bodennahe Staubdichte in Mikrogramm pro m³ Luft erfasst. Je höher diese Werte, desto dunstiger sind die untersten Luftschichten. 
  • Aerosol: Analog zur Aerosol Optical Depth von Skiron, ebenfalls für eine "gelbe" Wellenlänge von 550nm berechnet. Ab 0,5 (grau-gelbe Farbschattierung) sollte man mit verminderter Thermik rechnen. 


Staubdaten der ZAMG

Eine dritte Quelle für Staubprognosen ist die ZAMG aus Österreich. Auch sie rechnet ein Staubmodell, das speziell den Sahara-Staub erfasst. Im Internet ist dafür aber nur die Angabe der Dust Load (analog zum Skiron Modell) zu finden.

Bei der Einschätzung des Flugwetters braucht man den Faktor Staub nicht ständig mit im Blick behalten. Ich würde aber empfehlen, zumindest immer dann, wenn die Wetter- und Thermikprognosen besonders gute Bedingungen und mögliche Hammertage andeuten und so die Vorfreude in der Fliegergemeinde steigen lassen, ruhig auch mal die Staubmodelle zu checken, um größere Enttäuschungen zu vermeiden.

Auch mit Staub in der Luft kann es fliegbar sein. Größere Strecken sind dann aber selten möglich.  Dennoch muss man die Tage nicht abschreiben. 

Manchmal ist es so, dass Staubladungen als fingerförmige Fronten vorrücken. Dann sind es vielleicht nur wenige Stunden, in denen der Himmel milchig verhangen ist. Dahinter klart es wieder auf, und es können sich noch schöne und thermikträchtige Bedingungen einstellen. Es lohnt sich, auch die Verfrachtung der Staubwolken im Tagesverlauf anzuschauen. 


Magische Luft

Das Fliegen in staub-beladener Luft kann unter Umständen sogar magisch sein – nicht nur wegen der besonderen gelblich-roten Lichtstimmungen und tollen Sonnenuntergänge. Vor allem wenn die bodennahe Dust Concentration bei Skiron oder die Staub-Variable bei Windy höhere Werte aufweisen, kann es zu unerwarteten Effekten kommen. 

Staub in der Höhe schirmt einfach nur die Sonne ab. Staub in Bodennähe kann die Thermik unter Umständen aber auch überraschend positiv beeinflussen. Denn der Mineralstaub wirkt als Reaktionsfläche. Staubkörner sind kleinste Heizflächen, die mit dazu beitragen, dass sich Luft erwärmt. Und sie können als Kondensationkeime dienen. Wenn sich die Feuchtigkeit der Luft auf ihnen ablagert, wird, Kondensationswärme frei.

Interessant ist das vor allem über Schneeflächen im Gebirge. Normalerweise sind diese kalt und strahlen dank hoher Albedo einfallendes Licht sofort zurück. Wenn aber Staub darauf fällt, ändert sich die Ausgangslage etwas. Dann kann auch Schnee zur schwachen Thermikquelle werden, wobei die vom schmelzenden Schnee gelieferte Feuchtigkeit durch Kondensation an schwebenden Staubpartikeln eine wichtige Rolle dabei spielen dürfte. Wenn nun noch Wind diese staubgewärmten Luftmassen an die Hänge drückt, reicht das u.U. als Trigger, um großflächig sanftes Steigen zu liefern.


Disclaimer: Die letzten drei Absätze über die staubgetriebene Schneethermik sind spekulativ und meine Theorie bzw. Erklärung dafür, warum Piloten an manchen Staub-Tagen in den Höhenlagen der Alpen zwar von sehr schlechter Sicht, aber "magischer Luft" berichten.

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