Incurrents.com zeigt Thermikspots, typische Flugrouten, tragende Linien und mehr – im Tages- und Jahresverlauf und in 3D
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| Das Dreieck rund um die Kreuzeckgruppe bei Greifenburg in der Fluganalyse von Incurrents.com // Quelle: Screenshot, Incurrents.com |
Entsprechende Auswertungen des Schweizers Michael von Känel sind seit Jahren unter dem Kürzel KK7 bekannt. Er bietet auf seiner Website thermal.kk7.ch nicht nur Karten solcher Skyways an. Über den Layer Thermals stellt er auch typische Thermikbereiche in der Landschaft dar, in denen Piloten gemäß den analysierten früheren Flügen besonders wahrscheinlich mit Thermiken rechnen können.
Die KK7-Daten lassen sich zeitlich etwas filtern, sowohl nach Jahreszeit (Winter, Frühling, Sommer, Herbst), als auch Tageszeit (morgens, mittags, nachmittags). Innerhalb dieses noch recht groben Rahmens bleibt die Darstellung allerdings statisch. Sie liefert keine Antworten auf Fragen wie: Ab wann am Vormittag können Piloten am Startplatz XY typischerweise schon aufdrehen? Wann setzen die Piloten frühestens zu bestimmten Talquerungen an? In welche Richtung wird wann auf einem Skyway hauptsächlich geflogen? etc.
Incurrents toppt KK7
All das sind Informationen, die sich durchaus auch aus den Tracks in den XC-Datenbanken herauslesen ließen. Und seit kurzem gibt es eine Website, die in solchen Punkten das Angebot von KK7 übertrifft. Ihr Name: Incurrents.com.
Programmiert hat sie der französische Gleitschirmpilot und Software-Entwickler Dominik Bousquet. Angeregt durch die KK7-Karten begann er vor zwei Jahren, mit einer dynamischeren und zudem dreidimensionalen Darstellung von Big-Data-Fluganalysen herumzuspielen. Das Ergebnis ist ein potentes Tool, mit dem sich die Flugweisheit der Vielen nutzen lässt, um Fluggebiete besser zu verstehen und die eigene XC-Flugplanung zu optimieren.
Incurrents liefert seine Auswertungen in einer viel feineren zeitlichen Auflösung als KK7. Statt in vier Jahreszeiten sind die zugrunde liegenden Flugdaten in 24 Halbmonaten aggregiert abrufbar. Man kann also beispielsweise den frühen April oder einen späten Juni als Zeitraum für die Analyse vorgeben.
Die Entwicklung im Tagesverlauf stellt Incurrents wiederum minutengenau dar. Man kann einen Zeitstrahl mit der Maus verschieben oder sogar wie einen Film automatisch abspielen lassen. So bekommt man eindrucksvoll vor Augen geführt, was wann wo in der Landschaft an typischen Flugtagen so abgeht.
Wichtig zu wissen und zu verstehen: Alles, was auf Incurrents dargestellt wird, ist direkt und allein aus den real erflogenen Flugdaten abgeleitet. Diese werden weder durch Meteo-Modelle noch andere Simulationsrechnungen ergänzt! Deshalb findet man die Auswertungen auch nur dort, wo auch zuvor schon geflogen wurde.
Die Datenlayer
Auf Incurrents.com stehen sechs unterschiedliche Layer zur Auswahl, die sich zu- und abschalten lassen. Aktuell sind dies:
- Thermals and Lifts: Zeigt Regionen, in denen Piloten häufig Thermik finden und aufdrehen. Die Farbskala (gelb-orange-rot) gibt Hinweis auf die typische Thermikstärke.
- Transitions: In diesen auf den Karten grün unterlegten Bereichen gleiten die Piloten i.d.R. ihre gewonnene Höhe nur ab, um zur nächsten Thermikregion zu gelangen. Transitions können z.B. Talquerungen sein, aber auch sonstige, häufig genutzte Flugrouten.
Lifty Lines: Die pink gekennzeichneten "tragenden Linien" sind Gleitpassagen, auf denen Piloten ihre Höhe gut halten können. Man findet sie typischerweise an längeren, nicht unterbrochenen Gebirgsgraten. Abseits davon können Lifty Lines auch Hinweise auf regelmäßig anzutreffende, lokale Konvergenz-Bereiche liefern.
Lifty Lines im Antholzer Tal - Sink: In den türkis-blauen Zonen muss man mit stärker sinkenden Luftmassen rechnen. Häufig kennzeichnen sie Bereiche, die vom Talwind überspült werden, oder die im Lee besonders starker, stationärer Thermikbereiche liegen.
Extractions: Dieser an das Französische angelehnte Begriff lässt sich von der Bedeutung her am treffendsten als "Thermikeinstieg" übersetzen. Er zeigt, in welchen Bereichen rund um einen Startplatz die Piloten zur jeweiligen Jahres- und Tageszeit am ehesten ihre ersten Thermiken suchen, bevor sie auf Strecke gehen. Beispielhaft ausgewählte und in Incurrents animierte Flugspuren liefern dabei Hinweise auf spezifische Einstiegspunkte.
Startbart am Hinterstoder
(klick zum Vergrößern)- Winds and Valley Winds: Dieser Layer zeigt die aus den Flugdaten abgeleiteten "typischen" Windrichtungen, bei denen lokal geflogen wird. Sie werden als weiß animierte Luftspuren dargestellt.
Anmerkung: Von allen Layern ist dieser am wenigsten aussagekräftig und hilfreich. Offenbar lassen sich v.a. Talwinde nur schlecht bzw. vielerorts auch nur fehlerhaft aus den verzeichneten Flugpfaden ableiten. Hier sollte man nicht darauf vertrauen, sondern eher klassische Talwindkarten zu Rate ziehen. Am besten passen die von Incurrents ermittelten Windrichtungen im Umfeld solitär stehender Startplätze z.B. in den Mittelgebirgen, wo es tatsächlich "typische" Windrichtungen gibt, bei denen dort geflogen wird und die sich in den ausgewerteten Tracks auch eindeutig abzeichnen.
Ausgabe in 3D
Eine besonders interessante Eigenschaft von Incurrents ist die Karten- und Layerdarstellung in 3D. Während KK7 nur 2D-Daten bietet, kann man auf Incurrents die Blickhöhe bzw. den Blickwinkel auf die Landschaft mit ihren Bergen und Tälern beliebig einstellen. Dabei werden die Flugspuren und die daraus abgeleiteten Thermikdaten in passender Lage bzw. Höhe im Raum eingeblendet. Das kann für verschiedene Fragestellungen sehr hilfreich sein. Hierzu drei Beispiele (aus vielen denkbaren Möglichkeiten).
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| Prallhang von Hollersbach im Pinzgau |
Incurrents kann das nicht direkt ausgeben. Aber man kann in der Seitenansicht auf eine Gebirgsflanke bei eingeschaltetem Thermal-Layer gut erkennen, ab welcher Höhe am Hang typischerweise die Thermiken für die Piloten nutzbar werden, da der Talwind sie nicht mehr zerreißt. Auch klassische Prallhänge, an denen man von weiter unten bereits aufsoaren kann, werden so erkennbar. Dort starten die verzeichneten Aufstiegsbereiche deutlich tiefer als in benachbarten Bereichen am Hang.
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| Typischer Sprung über den Lac d'Annecy |
Bei eingeschaltetem Layer "Transitions" kann man anhand der grün hinterlegten Flugspuren die Höhenbänder erkennen, in denen Piloten üblicherweise zu einem Talsprung ansetzen. Sie zeigen auch sehr gut, von wo nach wo üblicherweise geflogen wird, um auf der anderen Seite wieder Anschluss zu finden.
Tipp: Während der Hauptflugzeit am frühen Nachmittag werden die Transitions-Bänder in viel beflogenen Regionen schnell zu einem unübersichtlichen Farbbrei. Spiele mit dem Zeit-Schieberegler und schaue dir auch die frühen oder späten Randbereiche des Thermikzeitraumes an. So kannst Du nicht nur etwas mehr "Durchblick" bekommen, sondern auch erkennen, ab wann am Tag bestimmte Talsprünge überhaupt erst angegangen werden.
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| Rettende Steigzone am Kronberg in der Schweiz |
Nach dem Start will man möglichst schnell in eine Thermik einsteigen. Manchmal verpasst man aber den Zyklus. Dann ist es gut zu wissen, in welchen Bereichen man vielleicht noch die größten Chancen hat, den rettenden ersten Bart zu finden, um nicht abzusaufen. Hier hilft der Layer "Extractions" in der Seitenansicht auf die Startregion. Dort, wo gelb-rote Steigbereiche weiter hinab reichen, wird häufiger von unten heraus aufgekurbelt.
Tipp: Spiele auch hier mit dem Zeitschieberegler, um Veränderungen des Thermikeinstiegs im Tagesverlauf erkennen zu können und die Frage zu beantworten: ab wann "funktioniert" ein Starthang?
Flugplanungshilfe
Mit seiner riesigen Datenbasis und den verschiedenen Layern in der Darstellung bietet Incurrents wertvolle Infos für alle Arten von Piloten.
Wer zum Beispiel zum ersten Mal in einer Region fliegen geht, kann sich vorab mit Incurrents gut darauf vorbereiten. Die Seite zeigt anschaulich, wie ein Gebiet typischerweise beflogen wird: Wo stehen mögliche Startbärte und weitere Thermiken, was sind die Hauptrouten, wie werden die Talsprünge üblicherweise vollzogen, welche typische Leefallen (Sinkzonen) gilt es zu vermeiden, wo gibt es besonders gut tragende Linien?
Auch lokal erfahrene Vielflieger können von Incurrents profitieren, indem sie ihren eigenen Erfahrungsschatz mit der "Weisheit der Vielen" abgleichen. Wo bieten sich vielleicht Abweichungen und Erweiterungen persönlicher, eingeschliffener Standardrouten an? Wie lassen sich "Rennstrecken" (Lifty Lines) so miteinander verbinden, dass große XC-Aufgaben noch effizienter geflogen werden können? Incurrents hilft, die eigene Fantasie anzuregen.
Was Incurrents noch nicht bietet, ist ein integriertes Streckenplanungstool. Man kann auf den Karten keine Wegpunkte festlegen und am Ende direkt als Route herunterladen. Hier muss man aktuell noch auf andere Anbieter zurückgreifen, die in der Regel die zweidimensionalen Thermal- und Skyways-Daten von KK7 als Hilfestellung bieten. Beispiele hierfür sind ThermiXC, Burnair oder FlyXC.app.
Allerdings befindet sich Incurrents auch noch im Aufbau. Dominik Bousquet plant bereits weitere Funktionen. Zum Beispiel: Einzelne Flüge in die Karten zu laden, um diese dann mit den vorhandenen Layern abgleichen zu können. Damit könnte Incurrents auch zu einem interessanten Tool für die individuelle Fluganalyse werden.
Eine weitere Idee: Flugdaten nach einzelnen Startplätzen gefiltert darzustellen. So ließe sich direkt erkennen, welche typischen Routen von einem Ort aus geflogen werden.
Frei und im Abo
Hinter Incurrents liegen nicht nur viele Daten. Die 3D-Darstellung auf Basis der Cesium-Engine verlangt auch einiges an Nutzungsrechten und Server-Rechenpower. So etwas kostet eine nicht unerhebliche Summe, weshalb Dominik Bousquet Incurrents auf Dauer nicht nur aus eigener Tasche finanzieren will und kann. Er setzt aktuell auf ein zweistufiges Abo-Modell, in der Hoffnung, damit am Ende zumindest seine Kosten decken zu können.
Für die erste Stufe muss man sich nur registrieren, aber nichts zahlen. Die kostenfreie Nutzung bleibt dann allerdings auf jeweils zwei beliebige Tage pro Monat limitiert. Bousquet geht davon aus, dass dieses Angebot für die meisten Nutzer ausreichen wird.
Die zweite Stufe ist ein Bezahlabo. Für 6 Euro im Monat, die jährlich abgerechnet werden, erhält man einen unbegrenzten Zugang.
Tipp: Wer das Bezahlabo abschließt, bekommt erst einmal für 14 Tage einen freien Test-Zugang, der jederzeit kündbar ist. Erst danach wird die Zahlung fällig.
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