Norma ist ein kleiner Ort, rund 50 km südlich von Rom (Karte). Es gilt als hervorragendes Frühjahrsfluggebiet, in dem man schon thermisch kleine Strecken fliegen kann, wenn in deutschen Breiten noch tiefer Winter herrscht. Vergangene Woche war ich mal wieder dort - bereits zum dritten Mal. Es hat sich gelohnt. Obwohl die Woche aufgrund eines Höhentiefs über Italien meteorologisch nicht gerade viel versprach, entpuppte sich Norma auch bei so schwierigen Bedingungen als lohnenswertes Flugziel. Von 7 Tagen sind wir an 5 geflogen, und das z.T. sehr gut.

Das Besondere an Norma ist seine außergewöhnliche topographische Lage. Der Ort liegt 25 km vom Mittelmeer entfernt direkt auf dem ersten 400m hohen Höhenzug, der sich der westlichen Meeresbrise in den Weg stellt. Das Land davor ist flach und heizt sich gut auf. An der Südwest-Kante von Norma bleibt der Luft nichts anderes übrig als aufzusteigen, besonders wenn am Nachmittag der typische Seewind einsetzt und klassischerweise genau auf den Hang steht. Bei sonnigem Wetter setzt sich dieser Seewind selbst dann durch, wenn der überregionale Wind eher von hinten aus O-NO bläst. Damit sind in Norma überdurchschnittlich viele Wetterlagen start- und fliegbar.

Der Startplatz von Norma liegt neben dem eigentlichen Ort auf dem Nachbarhügel Norba. (Das Bild zeigt den Blick aus NW, Draufklicken vergrößert die Ansicht). Norba selbst ist eine alte etruskische Festung, von der noch erstaunlich viele Reste sichtbar sind. In Deutschland wäre ein solcher Ort sicher als kulturelles Erbe geschützt, in Italien darf man seinen Schirm direkt neben den Ruinen aufziehen. Der Startplatz ist für alle Startarten geeignet, wobei bei stärkerem Seewind am Nachmittag ein sicherer Rückwärtsstart erforderlich ist. Norma ist zudem ein Toplandeparadies. Eine flache Wiese 50m hinter dem Start ist erstaunlich wirbelarm angeströmt und kann schon mit 50m Startüberhöhung problemlos angeflogen werden. Wenn der Hang trägt, muss niemand die 400m bis zum Landeplatz in der Ebene abgleiten.

Ein Flugtag gliedert sich klassischerweise in 4 Phasen:
  1. Morgens ab 10.30 Uhr entwickelt der Hang bereits Thermik, ausreichend genug, um in eine Ablösung hinein zu starten und aufzudrehen. Reicht die Basis bereits über 800m, sind auch schon kleinere Streckenflüge entlang der Kante möglich. Es lohnt sich also, früh am Startplatz zu sein.
  2. Ab ca. 12.30 Uhr folgt eine thermische Mittagspause, wenn der einsetzende Seewind eine Konvergenz über der Ebene bildet (an einem Wolkenband zu erkennen), welche die Thermik vom Hang wegzieht. Wer zuvor in der Luft war, sollte bei den ersten Schwächeanzeichen der Thermik lieber Toplanden und ebenso eine Mittagspause einlegen, sonst steht man schnell im Tal am Boden.
  3. Rund eine Stunde später (13.30 Uhr) erreicht der Seewind den Hang. Ab dann herrscht an normalen Tagen Obenbleibgarantie, die Ablösungen am Startplatz können aber recht heftig durchpfeifen.
  4. Ab 16.30 Uhr werden die thermischen Böen schwächer, es bleibt der Seewind als gleichmäßiger Grundwind, unterstützt von einer sehr großflächigen, soften Thermik (hier macht sich der sumpfige Untergrund der Ebene als Wärmespeicher bemerkbar). An den steilen Felsen vor Norma kann man dann selbst noch bei sehr schwachem Wind ganz entspannt soaren.
Kleinere thermisch-soarende Streckenflüge sind in Norma sehr einfach. Die Kante vor dem Start setzt sich nahezu ununterbrochen rund 4 km nach Norden und 2 km nach Süden fort. Die Grafik zeigt einen entsprechenden 16km-Flug, den ich als igc-Datei bei Xcontest.org und xc.dhv.de hochgeladen habe. Es sind auch weitere Strecken möglich, dann muss man aber noch Norden über Flachland fliegen (bis Cori) oder südlich von Norma einen 2km Talsprung schaffen, um dann den Kantenflug bis Sezze fortzusetzen. So stehen am Ende auch schnell mal über 30km auf dem GPS-Tacho.

So sehr Norma mit diesen Vorgaben als perfektes Gebiet erscheint, um im Frühjahr auf sanfte Art den Jahreseinstieg ins Thermik- und Streckenfliegen zu üben, sei aber auch auf einen starken Unsicherheitsfaktor hingewiesen: Im Frühjahr ist die atmosphärische Schichtung über Italien und dem Mittelmeer häufig labil. Das fördert zwar einerseits die Thermik, andererseits aber auch den Hang zur Überentwicklung. Norma und der dahinter liegende Gebirgszug (bis 1500m hoch) lenken die feuchte Seewind-Luft aus der Ebene zwangsläufig nach oben. Entsprechend häufig herrscht in Norma am Nachmittag Gewittergefahr. Wer eine gute Flugausbeute erreichen will, sollte also die morgendliche Thermikphase, wenn der Seewind noch nicht eingesetzt hat, stets ausnutzen.

Sollte es in Norma mal unfliegbar sein, muss man sich um ein Alternativprogramm nicht sorgen. Rom ist nicht weit (von der nächsten Bahnstation Latina-Scalo ist man in 40 Minuten im Stadtzentrum), die im Frühjahr entvölkerten Strände sind 25 km entfernt und auch Neapel ist mit dem Auto in 2 Stunden zu erreichen.

Vorteilhaft an Norma ist auch die gute Erreichbarkeit. Verschiedene Billigflieger fliegen nach Rom. Vom Flughafen aus ist man mit dem Mietwagen in 2 Stunden am Startplatz. Wer morgens z.B. mit Germanwings ab Köln-Bonn startet, kann am Nachmittag schon den ersten Soaringflug über Norma machen.

Am Ende noch ein Tipp für die Unterkunft. Zehn Minuten von Norma entfernt liegt Sermoneta, ein idyllischer Ort auf einem vorgelagerten Hügel. Dort gibt es eine einfache Herberge in einem alten Kloster. Das Ostello San Nicola wird von einer Deutschen und einer Engländerin liebevoll geführt. Die Zimmer mit zwei bis acht Betten sind einfach eingerichtet, kosten pro Person zwischen 13 und 18 Euro pro Nacht inkl. Frühstück.


Nachtrag vom 20.2.2018: In Norma wird mittlerweile deutlich stärker auf die Einhaltung der örtlichen Lufträume, v.a. der ATZ Latina, geachtet. Wer dort fliegen geht, sollte sich beim Aero Club Union genauer über aktuelle Beschränkungen oder Freigaben informieren und zudem dort eine Flycard beantragen, um den offiziellen Landeplatz in der Ebene sowie den zugehörigen Luftraumkorridor nutzen zu können (s. Normas Korridor auf Lu-Glidz).