Der Nyos bringt Swings "adaptives" Profil aus dem Nexus auch in die B-Klasse. Das herausragende Merkmal ist allerdings das Thermikhandling.
Der Nyos ist ein 3,5-Leiner mit eleganter Outline. Flügelweite Spannbänder auf allen Ebenen.
Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Swing Nyos habe ich in sieben Flug- und Groundhandlingstunden unter unterschiedlichen Bedingungen in der Eifel sowie in Slowenien und Bassano gewonnen. Geflogen bin ich den Nyos in der Größe M (80-102 kg) mit rund 93 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Swing zur Verfügung gestellt.

Es ist immer spannend, ein ganz ähnliches Schirmkonzept in etwas unterschiedlicher Ausrichtung in die Finger zu bekommen. Im vergangenen Jahr hatte ich den Swing Nexus (EN-C) getestet und ihn als gelungenen Carver und Cruiser in einem erlebt, realisiert mit einem besonderen adaptiven Profil (s. Serie Leistungsdrang) ohne Shark-Nose. Der Nyos wird von Swing als kleiner Bruder des Nexus angepriesen. Das gleiche Profil, ein angeblich ähnlicher Charakter im Flug, nur ein bisschen weniger Streckung (5,7) und eine Einstufung als EN-B. Das weckte meine Neugier: Wieviel vom Flugspaß des Nexus steckt auch im Nyos? Kann der "Kleine" vielleicht sogar leistungsmäßig mithalten? Und wie stellt sich der Nyos im Rund der großen Konkurrenz anderer Highend-B's wie Mentor 4, Iota, Rook 2 oder Base dar?

Von den technischen Eigenheiten her ist der Nyos tatsächlich sehr nah dran am Nexus. Ähnlich aufgebaute schmale Tragegurte, das gleiche Leinenkonzept mit A+B+C und einer kurzen Gabel auf die D-Ebene. Durchgehende Querzugbänder auf allen Ebenen. 3D-Shaping an Ober- und Untersegel, leichtes 32er- (oben) und 27erTuch (unten) von Skytex zur Gewichtseinsparung. Dazu ein flexibler Steg, der als C-Bridge die geteilt ausgeführten C-Gurte miteinander verbindet und so dem Piloten zusätzliche Steuermöglichkeiten bietet. Aber dazu später mehr.

Ein Start mit dem Nyos ins Ahrtal bei Hönningen.
// Foto: R. Kleiner
Starten: Der Nyos ist ein sehr angenehmer Starter, wenn man ein paar kleine Feinheiten beachtet. Dazu gehört, dass man ihn bei schwachem Wind möglichst betont bogenförmig auslegen sollte, damit der Schirm gut von der Mitte füllt und nicht die Außenflügel als erstes steigen lässt. Außerdem sollte man sich davor hüten, zuviel Zug auf die A-Gurte zu geben. Es reicht ein kurzer Impuls, um die Kappe anschließend am langen Arm, aber mit beständigem Druck aus der Hüfte nach oben zu führen. Der Nyos steigt dann ruhig und ohne Überschießtendenz nach oben. Er baut schnell über die ganze Breite Spannung auf. Im Vergleich zum Vorgänger Mistral 7, der um die Hochachse lebendiger war, neigt er deutlich weniger dazu, bei Seitenwind mal auszubrechen. Vergleichsweise einfacher als beim Mentor 4 oder Iota ist das Starkwindhandling. Der Nyos lässt sich auch in böigen Verhältnissen sehr gut am Boden halten. Zudem lässt sich der Aufstieg über die C-Ebene mit der am Tragegurt eingebauten Brücke hervorragend kontrollieren.
Die Sortierbarkeit der Leinen ist ok. Etwas anspruchsvoller wird es durch die teils schlechte Sichtbarkeit v.a. der unummantelten Galerien und der oben sehr dünn ausgeführten Bremsleine. Aber dieses Manko gehört heute in der High-EN-B-Klasse leider quasi schon zum Standard.

Landen: keine Auffälligkeiten, klassentypisch. Angenehmes Flairverhalten.

Die Raffbremse des Nyos. Die Bremsleinen sind oben
ohne Mantel und sehr dünn. Am Boden sind sie
schwer zu sehen und gelegentliche Ästchenfänger.
Bremsen: rund 10 cm Vorlauf. Danach wird ein mittlerer Bremsdruck spürbar, der ab Karabinerhöhe deutlich zunimmt. Im üblichen Steuerbereich hält sich der nötige Krafteinsatz auch bei längeren Flügen in gut verträglichen Grenzen. Die Zugwege sind einen Ticken länger als z.B. beim Mentor 4, mit einer halben Wicklung geflogen kommt man damit im Alltag aber gut zurecht.

Kappenfeedback: Der Nyos hat eine mittelharte Kappe, die stets einen sehr kompakten Eindruck vermittelt. Während beim Nexus die Außenflügel häufiger einmal winken, kommt das beim Nyos nur selten vor. Der größte Anteil an Feedback der Kappe erhält der Pilot über die Tragegurte. Hier spricht der Nyos eine eindeutige Sprache. Über die Bremsen ist hingegen kaum etwas von feinen Luftbewegungen zu erspüren. Beim "Lesen" der Luftmassen ist der Nyos weniger empfindsam als ein Rook 2 oder auch der Nexus. Dafür bleibt dem Nyos-Piloten das gelegentliche Hebeln des Nexus weitgehend erspart.

Gewichtssteuerung: Der Nyos spricht sehr gut und direkt auf Gewichtsverlagerung an. In diesem Punkt glänzt der Schirm im Klassenvergleich mit einem besonders feinen Charakter. Dabei ist er keineswegs nervös-schaukelig. Er setzt nur die eindeutigen Gewichtsimpulse des Piloten mit einer Konsequenz und Schräglagentreue um, dass es eine Freude ist. Gerade beim Thermikfliegen wird ein Pilot, der diese Eigenschaft zu nutzen weiß, das Handling des Nyos sehr positiv erleben.

Kurvenflug: Der Nyos ist ein Schirm für alle Schräglagen, von flach bis steil. In diesem Punkt ist er vielseitiger als der Nexus und auch viele seiner Konkurrenten. Er besitzt weder eine bevorzugte (flache) Kurvenlage wie z.B. der Iota, noch neigt er bei steileren Kurven zum graben. Selbst ohne Gewichtseinsatz kommt der Schirm noch recht flott ums Eck. Allerdings ist gerade die Gewichtssteuerung eine der Stärken des Nyos, die man auch nutzen sollte, um die aerodynamische Effizienz des Profils zu erhalten. Eine einmal eingestellte Schräglage hält der Flügel sauber bei. Nur wenn man sehr eng einkreisen will, sollte man tunlichst darauf achten, die Außenbremse ganz zu lösen, sonst zeigt der Schirm doch noch eine eindeutige Aufrichttendenz. Überhaupt gehört der Nyos zu den Flügeltypen, die eher mit wenig Außenbremse geflogen werden sollten und nur nach kurzen, impulsartigen Eingriffen verlangen.

Der Tragegurt des Nyos: Innere A rot, äußere A grau, B blau.
Der geteilte C-Gurt ist durch ein rotes Gurtband als C-Bridge
verbunden. Darüber lässt sich der Schirm im beschleunigten
Flug gut kontrollieren, in sehr soften Thermikbedingungen klann man
nur durch Zug an der äußeren C-Leine effizient Kurven fliegen.
Thermikeigenschaften: Beim Thermikfliegen liefert der Nyos viel Licht und einen kleinen Schatten. Beim Einflug in Steigzonen bleibt die Kappe neutral, und auch beim Rausfallen aus der Thermik muss man selten einmal tiefer in die Bremsen greifen. Das Profil ist recht pitchstabil.
Durch den sehr differenzierbaren Kurvenflug, die stabile Schräglage auch in sehr engen Bärten (Außenbremse ganz öffnen!!) und die direkte Ansprache auf Gewichtsverlagerung lassen sich die stärkeren Bärte sehr effizient auskurbeln. An der Bremsenstellung muss man dabei kaum noch etwas ändern, das Nachzentrieren lässt sich häufig allein mit etwas mehr Körpereinsatz realisieren. Der Schirm rollt dann willig ins Zentrum wie vielleicht sonst nur der Mentor. Im Vergleich mit seinen Konkurrenten im High-B-Sektor wirkt dieses Thermikverhalten besonders homogen und rund. Über die Bremse reagiert der Nyos zwar nicht so spielerisch wie ein BGD Base, aber der Durchzug in die Kurven ist hervorragend. In bewegter Luft fliegt sich der Nyos vom Gefühl her auch etwas satter als sein großer Bruder Nexus.
Der "kleine Schatten" des Nyos zeigt sich nur in schwachen Bedingungen. Da erschien mir der Schirm etwas weniger steigwillig. Ein Iota oder ein Rook 2 sind da sicher im Vorteil. Erfahrene Piloten werden das zu kompensieren wissen, z.B. durch sehr deutliche Gewichtsverlagerung nach außen, um die Kappe flach zu ziehen; oder das Kreisen ohne Bremse, nur mit Zug auf der äußeren C-Leine (über die C-Bridge am Gurt ist das gut zu dosieren). Nur wenn die schwachen Bärte auch noch zerrissen sind, wird man als Pilot wieder mit dem guten Handling des Nyos stechen können, weil sich der Schirm sehr willig in die eingelagerten Bläschen einlenken lässt.

Die Eintrittskante des Nyos zeigt keine Shark-Nose. Swing arbeitet
stattdessen mit einem "adaptiven" Profil, das vor dem Beschleunigen
durch Zug an der B-Ebene erst einmal entwölbt wird. Das soll die
Stabilität im Schnellflug ebenso gewährleisten.
Beschleuniger: Das Gaspedal ist beim Nyos leicht zu treten, wenn auch nicht ganz so buttrig wie beim Nexus. Der Zuwachs an Geschwindigkeit liegt bei ca. 14 km/h. Erst im letzten Drittel wird ein leichtes Einbrechen der Gleitzahl spürbar. Positiv fällt die hohe Spurtreue und Flugruhe selbst im voll beschleunigten Zustand auf. Hier steht der Nyos mit an der Spitze seiner Klasse.

Bei meinem Test des Nexus hatte ich häufiger die Eigenheiten des adaptiven Profils hervorgehoben. Der Beschleuniger wirkt anfangs nur auf die B-Ebene, wodurch das Profil etwas entwölbt wird und somit bessere bzw. stabilere Schnellflugeigenschaften besitzt. Beim Nexus geht dieses Profilmorphing tatsächlich mit einer spürbaren Änderung des Charakters einher. Der Flügel wird deutlich pitchstabiler. Beim Nyos ist dieser Effekt erstaunlicherweise viel weniger präsent. Man muss schon sehr genau hinspüren, um davon etwas mitzubekommen oder sich die Wirkung einzubilden. Swing-Konstrukteur Michael Nesler erklärt den Unterschied mit der höheren Flügeltiefe des Nyos (geringere Streckung). Die Effekte der Profilverformung sind damit verhältnismäßig weniger ausgeprägt. Den Nyos-Piloten braucht das aber nicht zu stören, denn das Schnellflugverhalten des Flügels ist auch so tadellos und sehr vertrauenserweckend.
Eine in jedem Fall lobenswerte Lösung stellen die roten Bänder als Brücke zwischen den geteilten C-Gurten dar. Darüber lässt sich der Nyos im Schnellflug hervorragend kontrollieren, ohne die Bremsen nutzen zu müssen (C-Steuerung). Über diese C-Bridges hat man einen deutlich direkteren Kontakt mit dem Flügel als mit den typischen C-Handles, wie sie heute bei vielen anderen Schirmen zu finden sind. Über die Bridges lassen sich zudem auch nur die äußeren C-Leinen getrennt ansteuern. Das erlaubt sehr feine Richtungskontrollen, ohne die Gleitleistung des Schirmes zu reduzieren.

Das Untersegel des Nyos besteht größtenteils aus
leichtem 27-er Tuch von Porcher (erkennbar an den
weiten Ripstop-Kästchen). Nur vorne an der Eintrittskante
ist noch dickerer Stoff (hier: gelb) verarbeitet. Der
Nahtübergang ist für ein 3D-Shaping auch am
Untersegel genutzt.
Ohrenanlegen: zur Einleitung über die äußeren A-Leinen muss man einen deutlichen Widerstand überwinden. Anschließend allerdings ist muss man keine Haltekraft mehr einsetzen. Die Ohren bleiben einfach drin. Sehr positiv fällt auf, dass die gezogenen Ohren beim Nyos nicht schlagen - fast schon eine Seltenheit in diesem Klassensegment. Dafür müssen sie mit deutlichen Bremsimpulsen aufgepumpt werden. Sie halten sich so hartnäckig wie beim Mentor 4. Interessanterweise erlebte ich bei meinen diversen Ohrenmanövern mit dem Nyos mehrfach, dass sich die Hinterkante des Stabilo einseitig etwas in der Bremsspinne verhängte. Der Schirm zog dadurch nach dem Öffnen der Ohren zu einer Seite. Ein impulsiver Zug an der Stabilo-Leine löste den Zustand aber sofort.

Steilspirale: Die Steilspirale lässt sich beim Nyos sehr kontrolliert einleiten. Die Kappe kippt etwas verzögert ab, lässt sich dann aber im Sinken problemlos einstellen. Ein kurzer Zug auf der Außenbremse sorgt für einen eindeutigen Aufrichtemoment.

Frontklapper: nicht geflogen.

Seitenklapper: habe ich nur unbeschleunigt mit 50-60% geflogen. Es ist gar nicht so einfach, den Einleitewiderstand zu überwinden. Vielleicht war es ein Vorbeschleunigungseffekt, der dazu führte, dass mir die 60-Prozent-Klapper beim Nyos sogar etwas anspruchsvoller erschienen als beim Nexus. Die Kappe dreht recht schnell um 180 Grad ab, zeigt dann keine weiteren Überraschungsmomente. Man sollte aber damit rechnen, den Außenflügel bewusst aufpumpen zu müssen. Wie schon beim Ohrenanlegen zeigt sich hier die Tendenz, dass die äußeren Zellen nur verzögert füllen. Eindeutig eher ein Fall für die erfahreneren Piloten.

Nicken: Der Nyos erweist sich im Flugalltag als recht pitchstabil, wenn auch weniger gedämpft als ein Mentor 4. Leitet man das Nicken bewusst über die Bremsen ein, lässt sich die Kappe dann doch erstaunlich schnell aufschaukeln, aber genauso schnell einfangen. Im Vergleich zum Nexus pitcht der Nyos etwas mehr. Vor allem mit leicht getretenem Beschleuniger zeigen sich hier deutliche Unterschiede. Während beim Nexus das adaptive Profil beschleunigt kaum noch Nicken will, ist dieser "adaptive" Effekt beim Nyos weniger ausgeprägt.

Rollen: Der Flügel lässt sich über Gewichtsverlagerung kontrolliert aufschaukeln, ohne nervös zu wirken. In Kombination mit der Bremse hat der Nyos auch das Zeug zur Spaßmaschine.

Packen: Der Schirm besitzt in der Eintrittskante nur erstaunlich kurze, dicke und relativ weiche Stäbchen. Das erlaubt alle denkbaren Packvarianten. Gepaart mit den dünneren Tüchern, aber einem etwas weniger "ausgeweidetem" Innenaufbau liegt das Packmaß des Nyos im Rahmen des heute üblichen.

Verstärkte Leinenaufhängungen. An den Kanten
umgenähte Diagonalen. Bautechnisch ist der Nyos
auf Stabilität ausgelegt.
Qualität: Da gibt es nichts zu beanstanden. Materialauswahl und Verarbeitung sind hochwertig und aufwendig. Wie bei Nesler-Schirmen üblich sind z.B. alle Diagonalen im Schirm an den Kanten umgenäht, um dort die Dehnung des Stoffes zu verhindern. Solche zusätzlichen Stabilitätsfeatures sorgen dafür, dass der Schirm, trotz des Einsatzes eher leichter Tücher, am Ende immer noch mehr als fünf Kilogramm auf die Waage bringt..

Fazit: Der Nyos ist ein sehr ausgewogener Schirm, den man getrost mit in die aktuelle Leistungsspitze der High-B-Klasse einreihen kann. Seine größte Stärke ist die hohe Stabilität und das feine, differenzierte Kurvenhandling in der Thermik. Das ist so angenehm und macht so viel Spaß, dass man dem Schirm gerne verzeiht, in schwachen Bedingungen nicht der überragende Klettermaxe zu sein. Die hohe Flugruhe gerade auch im beschleunigten Zustand prädestinieren den Nyos als Streckenmaschine in den Bergen. Hier spielt der Nyos in einer Liga mit Mentor 4 oder Iota. Das gilt freilich auch für den Anspruch an den Piloten. Den Nyos würde ich nicht als Einstiegsschirm in die B-Klasse empfehlen.
Im Vergleich zum Swing Nexus zeigt der Nyos eine ähnliche Leistung, bietet aber die höhere Flugruhe. Nur für die Flachlandfliegerei würde ich allerdings den etwas sensibleren Nexus bevorzugen - oder, des guten Steigens wegen, den in diesem Punkt glänzenden Swing Sensis.

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