Dass es auch anders gehen kann, machen seit Jahren die Niederländer vor. Dort hat eine Pilotengruppe um Jan Merbeek vom Schleppzentrum Toldijk den Stufenschlepp für Gleitschirme zur Perfektion gebracht: Anstatt den Piloten in einem Rutsch hochzuziehen und auszuklinken, fliegt dieser mit eingeklinktem Seil und bei ausgekuppelter Winde wieder zum Startpunkt zurück, um so gewissermaßen im "fliegenden Start" gleich einen zweiten Schleppvorgang (und bei Bedarf noch viele weitere) zu absolvieren. Stufenweise erreicht der Pilot somit Höhen, in denen die Bärte in der Regel schon breiter, ausgeprägter und damit leichter zentrierbar werden. Außerdem erhöht die verlängerte Schleppzeit die Chance, dass der Pilot überhaupt eine Thermik erwischt.
In Toldijk steht Windenschlepp - trotz einer Schleppstrecke von nur 300 Meter Länge - heute synonym für "hoch und weg" statt "hoch und runter". Viele auf www.xcontest.org dokumentierte Streckenflüge zeigen das Potenzial. Kein Wunder also, dass Flachlandpiloten im Westen Deutschlands seit geraumer Zeit neidisch über die nahe holländische Grenze blicken: Warum können oder dürfen wir das nicht?
Neid ist bekanntlich ein kräftiger Antrieb menschlichen Tuns. Darum hat sich nun eine deutsche Pilotengruppe mit Martin Speis als Motor gefunden, die erreichen will, den "sicheren" Stufenschlepp nach niederländischem Vorbild auch hierzulande zu ermöglichen. Martin hat sich in Holland bereits in den Stufenschlepp einweisen lassen. Nun hofft er darauf, mit guter Aufklärungs- und Lobbyarbeit den DHV für eine Erprobung und letztendlich die Zulassung der entsprechenden Technik zu gewinnen. In ersten Gesprächen zeigte sich Horst Barthelmes vom DHV-Schleppbüro aufgeschlossen. Möglicherweise wird schon im nächsten Frühjahr ein erster Workshop samt Technikdemonstration durch die Niederländer auf deutschem Boden stattfinden.
Als Werbung und Aufklärung in dieser Sache hat Martin gemeinsam mit Detlev Wolters auch schon eine Art Präsentationsvideo für den Stufenschlepp gedreht. Es ist auf Vimeo zu sehen.
Der Film macht deutlich, dass für diese Art von Stufenschlepp technisch kein allzu großer Aufwand nötig ist. Gegenüber den in Deutschland üblichen Schlepps sind technisch im Grunde nur zwei Änderungen erforderlich:
- Der Pilot benötigt eine spezielle Sicherheits-Klinke. Diese ist so gebaut, dass sie bei seitlichem Zug (oberhalb einer einstellbaren und auf das Körpergewicht angepasst Grundspannung) das Schleppseil automatisch freigibt. Sollte sich das Seil, während der Pilot es beim Zurückfliegen auszieht, irgendwo unerwartet verhaken, ist der Flieger sofort frei.
- Die Winde wiederum braucht eine spezielle Seilbremse, die durch sehr dosiertes Eingreifen das Seil beim Ausziehen stets auf Spannung hält und Überwürfe auf der Seiltrommel vermeidet. Jan Merbeek hat dafür ein simples Bremssystem entwickelt, mit dem sich theoretisch die meisten aktuellen Windentypen nachrüsten lassen sollten. Es arbeitet mit kurzen Druckluftstößen. Sollte die Trommel beim Ausrollen wieder erwarten blockieren, kommt die Automatik der Sicherheits-Klinke ins Spiel.
Interessant ist der Stufenschlepp mit diesem Wissen auch noch aus einer anderen Perspektive. Vielerorts in Deutschland gibt es thermisch hochaktive Gelände und Regionen, in denen man vergeblich nach einem mindestens 1000 Meter langen, als Schleppstrecke nutzbaren und vom Bauern freigegebenen Gelände suchen wird. Werden freilich nur 300 Meter am Boden benötigt, um ebenso Schlepphöhen und sichere Thermikeinstiegshöhen von über 600 Meter zu erreichen, wären sicher vielerorts ganz neue XC-Aussichten drin - und das nicht nur für eine kleine Pilotengruppe, die sich irgendwann einmal die derzeit stark gehypte aber extrem teure E-Aufstiegshilfe (Elektromotor) wird leisten können.
1 comments
Sieht nach ner seeehhrr interessanten Option aus. Hoffentlich bleibt der Kollege da dran.
AntwortenLöschenKai
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