Armin Harich: Selbstporträt mit Helmkamera bei einem Flachlandflug 2013. // Quelle: Skywalk
Mit seinem 300 Kilometer-Rekordflug über das deutsche Flachland hat Armin Harich für viel Aufsehen gesorgt. Im Interview mit lu-glidz spricht er über frühe Starts, wattige Umkehrthermik und den Vorteil von low-level Schirmen auf großen Strecken.

Armin, seit wann hast Du vom 300-km-Flug im deutschen Flachland geträumt? 
Armin: Ich träume nicht von den Kilometern, sondern von schönen langen Flügen und davon, schöne Landschaft von oben zu sehen. 1995 bin schon mal 166 km geflogen. Zuvor hatte Andreas Schubert mit 71 km den Rekord im Flachland gehalten. Damals war das der der zweitweiteste Flug, der jemals aus Deutschland gestartet wurde. Nur Thorsten Hahne war ein paar Wochen vorher in den Alpen noch ein paar Kilometer weiter gesegelt. Mein Flug hatte damals einen kleinen Boom beim Flachlandfliegen ausgelöst. Es wurde klar, dass es bei uns auch geht.
Als ich vor zwei Jahren wieder angefangen habe Strecke zu fliegen, habe ich das Potenzial mal grob abgeschätzt. Wir haben bei uns maximal zehn Stunden Thermikzeit. Ein Schnitt von knapp 40 Kilometer pro Stunde wird bei uns auch schon ab und zu geflogen. Die 300 Kilometer sollten also selbst am nicht perfekten Tag möglich sein. Ich glaube, dass man im Flachland so weit wie in den Alpen fliegen kann. Wir haben etwa zwei Stunden weniger Thermikzeit, dafür aber auch bei starkem Wind kein Lee. Das macht das Fliegen so schön entspannt.

Du hast schon vor dem Start in Schriesheim vom 300er gesprochen. Welche Punkte in den Prognosen haben Dich am Sonntag so zuversichtlich gemacht?
Armin: An dem Tag waren eigentlich keine 300 Kilometer drin. Der Wind war etwas zu schwach und die Thermik sollte ab 19 Uhr zu Ende sein. Ich bin durch Umkehrthermik aber erst um 19:40 Uhr gelandet, 20 Minuten vor Sonnenuntergang und habe einen besser als erhofften Schnitt hinbekommen. Ich bin einer, der sich keine mentalen Grenzen setzt. Ich überlege, was machbar sein könnte und lege meine Planung darauf aus. Viele der guten XC-Flachlandpiloten hielten die 300 für machbar. Aber keiner redet viel richtig darüber, da er dann schnell für überheblich gehalten wird. Es ist doch schön, Träume zu haben. Warum sie nicht teilen? Dass Träume schwer zu erreichen sind, ist eh klar. Ich denke, mein Flug wird helfen, dass auch andere weiter fliegen. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass der Flug schon dieses Jahr überboten werden könnte. Das Wetter muss halt passen und einer der guten Piloten motiviert und früh losfliegen.

Du bist mit einem EN-B-Schirm, dem Tequila 4 geflogen. Glaubst Du, dass Du mit einem höherklassigen Schirm bei solchen Bedingungen noch weiter gekommen wärst?
Armin: Die meisten Piloten würden mit dem Tequila 4 sicher besser, weiter und sicherer fliegen als mit ihren höher klassifizierten Schirme. Selbst ein Chrigel Maurer will bei den X-Alps keine PWC Wettkampfsemmel - aus gutem Grund. Da es der Pilot ist, der es ausmacht, ist es wichtig, dass er sich auch nach sechs bis acht Stunden noch super wohl fühlt,  um optimale Entscheidungen treffen zu können. Ich hätte auch einen Chili fliegen können. Aber ich habe mich selber ertappt, dass ich den Tequila am liebsten fliege, auch wenn der Chili beschleunigt besser gleitet. Ich habe Spaß und darum geht es. Zudem ist es ja auch viel cooler, mit einem sogenannten "Low Level" EN-B und schulungstauglichen Tequila weiter zu fliegen als andere mit den Rennsemmeln.

Gibt es Dinge, bei denen Du mit dem Tequila 4 in diesen Bedingungen gegenüber höher gestreckten Schirmen im Vorteil warst?
Armin: Wenn ich die Berichte lese, was andere beim Fliegen ab und zu erleben, wohl schon. Ich hatte meinen letzten Frontklappter vor etwa 20 Jahren, damals mit einer Rennsemmel im Wettkampf. Der war sofort wieder da, aber die Konzentration und Motivation leidet schon drunter. Man fliegt dann einfach mit angezogener Handbremse. Die allermeisten Piloten schaffen es nicht die Leistung, die in den Schirmen steckt, rauszuholen. Der Schirm muss einem helfen, sein Potential als Pilot entfalten zu können. Früher war der Leistungsunterschied von low-level Schirmen im Flachland wirklich zu deutlich, deshalb mussten wir Hochleister fliegen, um überhaupt erst hochzukommen. Heutezutage ist es mit Schirmen wie einem Mescal 4 und Tequila 4 genauso möglich sehr sehr weit zu fliegen. Der Schirm ist nachweislich nicht mehr der limitierende Faktor.

Wieviel mehr an Strecke hälst Du im deutschen Flachland noch für möglich? 350 km?
Armin: Das aktuelle Limit bei uns im Flachland ist wohl bei einem Schnitt von 40 km/h und zehn Stunden Thermikzeit. Das wären dann 400 Kilometer. Ich hatte schon mal spaßeshalber überlegt, die Nacht über einem Kühlturm durchzureiten und dann am nächsten Tag weiter zu fliegen. Das wäre was für ein Dreieck oder Ziel-Rück. Eventuell macht das aber jemand anderes.

Was war an diesem Tag die größte Schwierigkeit?
Armin: Am Start ist es immer am kritischsten, so einen Tag in den Sand zu setzen. Ich starte ja immer so früh wie möglich. Denn Flugdauer ist eine der wichtigsten Zutaten für einen langen Flug. Und ich wollte lange fliegen. Da ist das Absaufrisiko natürlich entsprechend hoch, gerade wenn man - wie ich hier - gerne ans Limit geht. Schriesheim geht aber thermisch sehr gut fürs Flachland. Ich habe an dem Tag noch etwas "gewartet" mit dem Abflug und konnte dann ohne Hänger super über den Odenwald ins Flache losfliegen. Der Flug lief dann wie am Schnürchen.

Mit dem Tequila 4 überm süddeutschen Flachland. // Foto: Armin Harich
Was war der schönste Moment während des Fluges?
Armin: Wie, ein schönster Moment? Der ganze Flug war ein Traum, den man in sich aufsaugt und genießt! Ich habe so viel Landschaft gesehen, die ich teilweise schon vom Kitesurfen kannte, oder den Startplatz Böhming, von dem ich noch nie die Zeit gefunden habe, dort mal zu starten. Die Umkehrthermik zum Ende, eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, war natürlich der krönende Abschluss. Du hast deinen Traum erfüllt, wirst auf Watte noch weiter getragen, um den Sonnenuntergang beobachten zu dürfen. Ich habe es einfach nur genossen und die Eindrücke aufgesaugt.

Wie bist Du zurück gekommen, wie lange hast Du gebraucht?
Armin: Ganz ehrlich war mir das vollkommen egal. Ich wäre zur Not auch eine Woche zu Fuß zurück gelaufen. Ich bin dann aber einfach zum nächsten Ort gelaufen. Dort hatte ich Glück, dass mich gleich das erste Auto mitgenommen hat. Ein cooler Bikertyp. Er hat mich noch beim McDrive vorbei gefahren und dann zum Bahnhof. Der Schlafwagen war ausgebucht, so ging's über München nach Frankfurt mit dem ICE. Um kurz vor 6 Uhr war ich wieder daheim, als es schon langsam anfing wieder heller zu werden.

Welchen Fliegertraum willst Du jetzt noch realisieren?
Armin: Fliegerisch würde ich sehr gerne mal den Schwarzwald hoch oder runter fliegen, um den mal komplett gesehen zu haben. Da geht es aber nicht um XC-Punkte, sondern um die Landschaft. Eventuell will ich auch mal mit dem Tandem mit meiner Freundin gemeinsam im Flachland auf Strecke gehen.
Zudem würde ich sehr gerne von Bremm an der Mosel aus mal in die thermische Eifel, um ein großes Dreieck zu fliegen. Hier ist bis 200 Kilometer Platz, und der Startplatz geht sehr früh auch bei Ost- Wind. Die optimale Wetterlage, um meinen 164 km Dreiecksflug vom vergangenen Jahr zu schlagen, gibt es aber mehr als selten.
Ach ja - und ich würde gerne mal Deutscher Flachlandmeister werden. Im Kanu und Kiten war ich das ja schon mal. Einen guten Flug habe ich jetzt schon.

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