Berni Peßl beim Aufstieg zur Grente. // Foto: Simon Oberrauner
Der Österreicher Bernhard Peßl (26) flog am 5. Mai von der Grente bei Antholz aus ein 242 km FAI-Dreieck. Die thermischen Bedingungen des Tages waren allerdings so anspruchsvoll, dass manch andere XC-Piloten lieber landen gingen. In den Kommentaren im XContest und Gleitschirmforen zu den Flügen gab es deshalb nicht nur Anerkennung, sondern auch Kritik an einem Piloten, der offenbar XC-Punkte über die Flugsicherheit stellt. Aber ist das so? Im Interview mit lu-glidz spricht "Berni" Peßl über seine Einschätzung des Tages - und wie er es schafft, auch in turbulenten Verhältnissen locker zu bleiben.


Erst ein toller Flug, dann viele kritische Kommentare dazu. Wie fühlt man sich da?
Berni Peßl: Bei meiner Landung war ich sehr glücklich, dass mir dieser Flug gelungen ist. Es war aber neu für mich, dass ich wegen eines Fluges kritisiert wurde. Das hat meine Freude schon etwas getrübt.

Hast Du vor dem Flug geahnt, dass der Tag besonders turbulent werden könnte?
Berni: Die Luft war extrem trocken und kalt, in der Früh hatte es Morgenfrost. Die starke Maisonne strahlte ungehindert ein, und dazu noch eine Nordwestströmung. Da war schon klar, dass es ordentlich zur Sache gehen wird. Morgens um 8 Uhr war schon thermischer Wind auf der Grente Alm zu verspüren.

Andere, auch einige sehr erfahrene Piloten, sind an dem Tag lieber landen gegangen. Was hat Dich dazu bewogen, nicht aufzugeben?
Berni: Der Höhenwind war den ganzen Tag mit circa 15 km/h konstant. Die extreme Thermik machte es vor allem in den engen Tälern turbulent. Ich wusste aber, dass nach der Brunneckquerung die Geländestrukturen weiter und damit die Bedingungen besser werden.

Gab es denn Situationen, die Du selbst auch als gefährlich empfunden hast?
Berni: Während des Fluges war mir immer klar, in welcher Luft ich mich bewege. Jede Luftbewegung machte Sinn. Von daher habe ich mich vom Start bis zur Landung sicher gefühlt.

Fliegen mit den Föhnfischen // Foto: Berni Peßl
Am Himmel entstanden im Tagesverlauf Lenticularis-Wolken. Hattest Du keine Sorge, dass die Föhnströmung in der Höhe vielleicht durchbrechen könnte?
Berni: Der Wind in der Höhe war in allen Prognosen vorhergesagt, wenn auch nicht übermäßig stark. Dass sich dadurch schon Lentis bildeten, hat mich erstaunt. Ich habe deshalb verstärkt auf die Wetterentwicklung geachtet. Der Höhenwind blieb aber wie prognostiziert, das war auch an kleinen Wolkenfetzten, die sich über 4000 Meter bildeten, sichtbar. Hätte sich da viel verändert, wäre ich auch landen gegangen.

Bei so anspruchsvollen Bedingungen neun Stunden lang konzentriert und motiviert zu bleiben, verlangt schon einiges. Wie bereitest Du dich darauf vor?
Berni: Mentales Training ist wichtig. Ich gehe im Kopf sehr oft die Flüge durch, stelle mir alle möglichen Szenarien vor. Das kann ich in der Luft abrufen, und fühle mich nicht überfordert mit einer unbekannten Situation. Ich setze mir immer klare Aufgaben, auf die ich mich konzentrieren kann.

Wie gut man turbulente Bedingungen wegstecken kann, hängt auch stark von der mentalen Einstellung ab - neben einem guten fliegerischen Können. Wie schaffst Du es, nicht zu verkrampfen?
Berni: Früher haben mich Turbulenzen oft aus dem Konzept gebracht. Es war wie ein Schalter der sich umlegte. Ich fühlte mich unsicher, verkrampfte und war nicht richtig anwesend. Jemand, der so unterwegs ist, macht Fehler. Also versuchte ich, den Hebel wieder umzulegen oder erst gar nicht in dieses Gefühl abzurutschen. Mein Hebel dafür war das herzhafte Jauchzen. Wenn ich einen Klapper bekam, habe ich erstmals ordentlich gejauchzt. Das war das Zeichen für mich: Hey Berni, bleib im Hier und Jetzt! Mit der Zeit brauchte ich das Jauchzen immer weniger. Heute ist es für mich kein Problem, durch lange turbulente Passagen zu fliegen, zu 100 Prozent bei der Sache zu sein und dabei locker zu bleiben. Außerdem beurteile ich Situationen anders. Ich freu mich, wenn es unruhig wird, denn das ist oft ein Anzeichen für Thermik. Und ich freu mich auch über viel Wind, denn da kann sehr oft ein Prallhang ausgenutzt werden.

Du hast, trotz eines 15-er Gegenwinds, noch einen Schnitt von 25 km/h erreicht, bist also auch viel beschleunigt geflogen. Ist das bei solchen Bedingungen denn ratsam?
Berni: Wichtig war, dass ich locker blieb. Wenn man locker bleibt, kann man spüren, wann die nächste turbulente Phase kommt. Vor Turbulenzen bin ich oft vollbeschleunigt Hands-off geflogen. Es ist aber auch wichtig, einen Schirm über sich zu haben, von dem man weiß, dass man ihn in jeder Situation beherrscht.

Du fliegst seit sechs Jahren Gleitschirm. Wie hast Du es geschafft, in dieser Zeit eine solche Sicherheit unterm Schirm zu entwickeln?
Berni: Ich wollte nie über meine Grenzen gehen, habe aber immer versucht, aus der Komfortzone in die Lernzone zu kommen. Und ich habe sehr viel Zeit investiert, um mental stark zu werden. Ein mentales Training kann sehr viel zur Sicherheit beitragen.

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