Talwindströmungen der Schweizer Alpen an einem gradientschwachen Hochsommertag. // Quelle: SHV - Martin Scheel
Wenn die Sonne im Sommerhalbjahr in die Alpentäler brezelt, erwärmt sich dort die Luft schneller als im flachen Vorland. Da wärmere Luft leichter ist, steigt sie auf. Am Boden hinterlässt dieser Prozess kein Vakuum, sorgt allerdings für einen geringeren Luftdruck. So entsteht ein Hitzetief, das wiederum ausgleichende Luftströmungen hervorruft. Über die Täler werden die "fehlenden" Luftmassen angesaugt. Das ist der Ursprung des Talwinds. Großräumig betrachtet nennen Meteorologen dieses Phänomen "alpines Pumpen" (das nachts übrigens in umgekehrter Richtung läuft).

Der Schweizer Hängegleiter Verband SHV hat kürzlich zu seinem  40-jährigen Bestehen ein Sonderheft zum Thema Meteorologie herausgegeben. In einem der vielen lesenswerten Beiträge ist dieses alpine Pumpen vom Meteorologen Martin Gassner genauer beschrieben. Dazu gibt es auch eine von Martin Scheel entworfene Karte, in der die typischen Talwindströmungen an einem überregional windschwachen Hochsommertag in der Schweiz eingetragen sind. Auf der Homepage des SHV kann die Karte als druckbare pdf-Version heruntergeladen werden (das Bild oben zeigt nur einen Ausschnitt daraus).

Interessant ist diese Darstellung, weil sie auch auf zwei weniger bekannte Phänomene des alpinen Pumpens aufmerksam macht:

Zum einen fließt die Luft in Richtung Alpenhauptkamm nicht nur über die Haupttäler, sondern auch direkt über die niedriger gelegenen Vorgipfel. Dort entstehen dadurch zum Teil großflächige Aufwindbereiche (blaue Pfeile in der Karte).

Zum anderen werden das Zentrum bzw. die Zentren des alpinen Hitzetiefs nicht zwangsläufig durch den Alpenhauptkamm definiert. Da die hohen Südflanken der Berge von der Sonne stärker bestrahlt werden als die Nordflanken, liegen die Maxima häufig etwas nach Süden versetzt. Das kann dazu führen, dass die einströmenden Luftmassen über Höhenzüge und Pässe hinüberschwappen und mancherorts sogar auf der anderen Seite erst einmal talabwärts drängen (rote Pfeile).

Beim Betrachten der Karte sollte man sich freilich eines bewusst sein: Die gezeigte Situation ist "idealisiert". Bei abweichenden Wetterlagen werden sich andere Strömungsmuster ausbilden. Man stelle sich zum Beispiel eine Entwicklung vor, bei der die Südalpenseite stark von Wolken abgeschattet und somit kühler gehalten wird, während der Norden nahezu ungehindert die Sonne empfängt. An solchen Tagen wird der Kern des alpenländischen Hitzetiefs weiter im Norden zu finden sein. Manche Talwindströmungen in den nördlichen Hochalpentälern können sich dann sogar umkehren.