Swing führt ein Beschleunigersystem ein, dass gezielt Flügelprofile verändert.

Der Beschleuniger des Swing Nexus zieht
als erstes die B-Ebene herab.
// Quelle: Youtube, Ojovolador
Die Flügelprofile von Gleitschirmen sind immer ein Kompromiss. Es gibt Profilformen, die gut in die Thermik hineinziehen, im Langsamflug gut steigen und dann auch noch ein angenehmes Kurvenhandling mit sich bringen. Andere Profile wiederum sind für den stabilen Schnellflug besser geeignet - weil sie bei geringeren Anstellwinkeln besser gleiten und dabei auch weniger klappanfällig sind. Bei der Entwicklung von Gleitschirmen stehen die Designer immer vor der Qual der (Profil-)Wahl: Welche der möglichen Eigenschaften wollen sie ihrem Schirm durch sein profiliertes Innenleben maßgeblich mitgeben?

Um die verschiedenen Ansprüche besser unter einen Hut zu bringen, wäre es wünschenswert, die Profilform im Flug verändern zu können. Diesen Weg ist Swing jetzt erstmals bei seinem neuen Sportklasseschirm Nexus gegangen. Dessen Beschleuniger ist so aufgebaut, dass er beim Treten nicht nur den Anstellwinkel der Kappe verringert, sondern das gesamte Profil in eine Strömungsform zieht, die im Schnellflug effizienter ist.

Wer sich das Beschleunigersystem des Nexus genauer anschaut, wird eine Besonderheit entdecken (s. Foto und Grafik):

Schema des Beschleunigers aus dem Betriebshandbuch des Nexus. // Quelle: Swing
Der Beschleuniger hängt nicht an der A-, sondern an der B-Ebene. Er ist so aufgebaut, dass beim Treten erst einmal nur die gesamte B-Ebene um 15 Millimeter nach unten gezogen wird. Erst danach greift der Beschleuniger auch an den mittleren A-Gurten. Beim weiteren Beschleunigen verhält sich das System dann wie bei anderen Schirmen üblich: d.h. die A-Ebene wird insgesamt stärker herabgezogen als B und diese etwas mehr als C, wodurch sich die schräge Ebene ergibt, die zur Anstellwinkelveränderung führt.

Das anfängliche Herabziehen der B-Ebene verändert das Profil. Man kann sich das so vorstellen, dass oben dem Profil etwas von seiner Wölbung genommen wird, während es an seiner Unterseite einen größeren Bauch bekommt. Insgesamt wird das Profil dadurch etwas symmetrischer, mit einer flacheren Skelett- bzw. Wölbungslinie. So kann es schneller fliegen, ohne an Stabilität einzubüßen.

Swing Konstrukteur Michael Nesler hatte nach eigenen Angaben schon länger mit solchen, besser für den Schnellflug geeigneten Profilen herum experimentiert. Allerdings war er mit dem Verhalten seiner entsprechenden Protos lange unzufrieden. Denn im Trimm- und angebremsten Thermikflug zeigten sie ein miserables Handling. "Solche Schirme bleiben jedes Mal beim Einflug in die Thermik stehen", sagt Nesler. Sie kämen auch schlecht um die Kurve.

Erst mit der Idee, wie er die Profilform an die unterschiedlichen Anforderungen von unbeschleunigtem und beschleunigtem Flug anpassen könnte, fand Nesler eine praktikable Lösung. Mittlerweile ist er so überzeugt davon, dass er weitere leistungsorientierte Swing-Modelle mit adaptiven Profilen plant.

Swing selbst hat mit dieser Art des Profil-Morphings beim Nexus marketingtechnisch bisher hinterm Berg gehalten. Auf der Homepage werden nur die stabilen Schnellflugeigenschaften hervorgehoben. Dort heißt es: "Der maßgebliche Faktor ist ein neues Profil mit dem stabilisierenden Effekt wie die aktuellen Sharknose-Profile, jedoch ohne die leistungsmindernde Stolperkante am Untersegel." Das klingt geheimnisvoll, wird freilich erst mit dem Wissen über das adaptive Profil verständlich.

Bei Shark-Nose-Profilen sorgt die besondere Umströmung der profilierten Stufe an der Eintrittskante dafür, dass bei unterschiedlichen Anstellwinkeln immer ein Staupunkt nahe an den Einlassöffnungen bleibt. Beim Nexus hingegen verlagert sich durch die Anpassung der Profilform der Staupunkt so, dass der Flügel auch bei geringen Anstellwinkeln im Schnellflug seinen Druck behält und nicht so schnell unterschneidet.

Welches Konzept letztlich das bessere ist, kann erst die Zukunft zeigen. Es bleibt abzuwarten, ob sich adaptive Profile ähnlich schnell auch bei anderen Marken wiederfinden, wie es die Haifischnasen- und ähnliche Lufthutzenlösungen nach der Einführung der ersten Shark-Nose durch Ozone getan haben.

Anmerkung: Auch bei fast allen herkömmlichen Schirmen wird das Profil beim Beschleunigen durch die unterschiedliche Anlenkung von A- und B- im Verhältnis zur C-Ebene etwas "entwölbt". Die Besonderheit beim Nexus ist, dass beim Tritt in den Beschleuniger auf den ersten 20% nur das Profil verändert wird und erst auf Basis dieses angepassten Profils die weitere Anstellwinkelveränderung inklusiv weiterer Entwölbung erfolgt.


Alle bereits erschienenen Teile der Serie Leistungsdrang:
C-Wires, Mini-Ribs, Doppel-Diagonalen, 3D-Shaping, 3D-Shaping doppelt, Längsnahtwölbkontrolle, 5-Zell-Überspannung, Smart Cells, Adaptive Profile.

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