Der Swing Sensis beim Windenstart im Westerwald. |
Es war schon eine kleine Überraschung, als Swing als einer der ersten Hersteller nicht nur eine oder zwei, sondern gleich noch eine dritte Modelllinie in der B-Klasse präsentierte. Offenbar war deutlich geworden, dass der Arcus von den Piloten nicht (mehr) als direkter Konkurrent im Mid-B-Segment zu Schirmen wie Gin Atlas, Nova Ion 3 oder Skywalk Tequila 4 wahrgenommen wird, während der Highend-B-Schirm Mistral 7 vielen schon als zu sportlich erschien. Also musste etwas Neues her, ein Schirm, der genau mittig in der Klasse sitzt, alltagstauglich ist und dennoch auch mit Leistung punkten kann. Aus diesen Gedanken heraus wurde der Sensis geboren. Es ist der erste Swing-Schirm, bei dem Michael Nesler als Konstrukteur ordentlich mitmischte, was sich auch in einigen Details wiederspiegelt.
Ich selbst war gespannt, wie sich der Sensis in die aktuelle Mid-B bzw. EWS-Klasse (Nova bewarb den Ion mal als EWS = Eierlegende-Woll-Milch-Sau) einreihen würde. Beim Testprogramm selbst habe ich mit dem Sensis etwas erlebt, was mir so bisher mit noch keinem Schirm widerfahren ist. Bei den ersten Flügen habe ich mich unwohl gefühlt, bekam keinen richtigen Kontakt zu Kappe, vermisste ein Gefühl von Einheit und war schon drauf und dran, den Tester gleich wieder an Swing zurückzuschicken mit den Worten: Sorry, das ist kein Schirm, über den ihr tatsächlich einen Testbericht von mir lesen wollt. Aber dann entschied ich mich, dem Sensis doch noch mal eine Chance zu geben. Mit jedem weiteren Flug erschloss sich mir mehr und mehr, welche Qualitäten im Sensis stecken, wenn man es denn zulässt, dass er sie entfaltet. Die auffälligste ist: Der Sensis ist ein Thermikschnüffelschwein. Am Ende habe ich den Tester sogar ungern zurückgegeben. Für mich war das eine wertvolle Erfahrung. Sie zeigt, dass man bei Schirmen - wie bei Menschen - mit den ersten Eindrücken manchmal daneben liegen kann. Es lohnt sich immer, dran zu bleiben. Kurztests bestätigen in der Regel nur die eigenen Vorurteile. Darum hier etwas ausführlicher:
Die gut aufgespannte Eintrittskante des Sensis. An steilen Startplätzen klappt sie bei Schwachwind gerne mal nach vorne um. |
Windenstart: Auch an der Winde macht der Sensis eine angenehm kontrollierbare Figur. Einzig bei der Richtungskontrolle am Seil ist ein erstaunlich tiefes Ziehen an der Bremse nötig, bis die Kappe reagiert - was mit der besonderen Bremsanlenkung (s.u.) erklärbar ist. Erfahrenen Piloten würde ich empfehlen, den Sensis am Seil bei Bedarf nur mit leichtem Zug auf der äußersten C-Leine (nur 1 Leine, nicht den ganzen Gurt!!) wieder auf Spur zu bringen. Das ist effektiver.
Landen: Keine besonderen Auffälligkeiten.
Der Sensis hat noch breite Tragegurte mit geteilten A, B und C-Ebene. Die Stabilo-Leine ist leider genauso gelb wie die C-Leinen. |
Kappenfeedback: Im Flug liefert der Sensis die meisten seiner Infos über die Tragegurte und das Popometer. Das macht der Schirm aber auf eine sehr feine Weise, differenziert und subtil. Die Kappe bildet keine brettartige Einheit, wirkt aber auch nicht wabbelig. Beide Flügelhälften melden sehr eindeutig, aber getrennt über ihren jeweiligen Kanal (Gurt), was sie von der Luft erspüren, gelegentliches leichtes Hebeln eingeschlossen. Etwas schwerer ist es, den Spannungszustand der Kappe zu lesen. Durch die mitten-betonte Bremsanlenkung bleiben die Ohren lange von der Bremse wie abgekoppelt. Ab und zu winkt die Kappe mit den Ohren, schnalzt hörbar auf und hinterlässt den Piloten fragend: He, was war da, da hat nichts darauf hingedeutet? Erst bei einer tieferen Bremsenstellung z.B. in engen Bärten wird der Sensis auch über die Bremsen gesprächiger. Das ist allerdings keine Position, die man im Normalflug suchen sollte.
Gewichtssteuerung: Der Sensis reagiert gut, wenn auch vergleichsweise unaufgeregt auf Gewichtsverlagerung. Für ein effektives Kurvenfliegen ist sie auf jeden Fall empfehlenswert, v.a. wenn es darum geht, die tendenziell flachen Thermikkreise auch mal flach auf engere Kreisbahnen zu bringen.
Ein Flug mit dem Sensis in Hönningen (Ahrtal). // Foto: H. Schlegel |
Auch bei der Thermiksuche erweist sich der Sensis als eine Perle. Wer ihn "fliegen lässt", wird immer wieder verwundert feststellen, wie zielsicher der Schirm in Richtung von Steigzonen driftet und mit einseitigem, aber unaufgeregtem Gezuppel am Tragegurt zusätzlich andeutet, wo er hin will. Das habe ich selten mit einem Flügel so ausgeprägt erlebt.
Etwas anspruchsvoller bzw. anstrengender wird die effektive Kurbelei mit dem Sensis in kleinen, engen Bärten mit starken Zentren. Dort wirkt das Aufrichtmoment stärker als die Kreisautomatik und zwingt den Piloten dazu, immer wieder aktiv nachzudrücken. Soll das auch noch schnell gehen, ist ein beherztes Hinlangen auf der Innenbremse gepaart mit kompletter Freigabe der Außenbremse nötig. Dennoch lässt sich der Schirm in solchen Bedingungen gelegentlich abdrängen und zeigt auch schon mal unverhoffte Gierbewegungen um die Hochachse.
Fällt man aus dem Bart, wird die gute Nickdämpfung spürbar. Der Schirm sackt einfach nur etwas durch und schießt kaum vor. Was auf den ersten Blick angenehm erscheint, bedeutet aber auch: Der Sensis bietet dem Piloten wenig Dynamik, um gleich wieder beherzt in den Aufwind zurück zu zirkeln. In zerrissener Thermik können die guten Steigeigenschaften des Sensis die Nachteile einer solchen Dämpfung nicht ganz ausgleichen.
Beschleuniger: Im Vergleich zu direkten Konkurrenten wie Ion 3 und Atlas ist der Beschleuniger des Sensis spürbar angenehmer zu treten und ermüdungsfreier zu halten. Auch im Topspeed (ca. 50-52 kmh) sticht der Schirm die zwei anderen aus. Allerdings nimmt im letzten Drittel des Beschleunigerweges das Sinken deutlich zu. Anders als der Ion 3 (echter Dreileiner) nimmt der Sensis eine Kontrolle über die C-Gurte weniger feinfühlig an. In dieser Klasse halte ich es allerdings eh nicht für sinnvoll, den Anstellwinkel im beschleunigten Flug über C kontrollieren zu wollen. Leichte Richtungskorrekturen mit der äußersten C-Leine sind aber durchaus wirksam.
Ohrenanlegen: geht problemlos über den geteilten A-Gurt, mit guten Sinkwerten. Mittlerweile ist es ja löblich, wenn man bei Stäbchenschirmen schreiben kann: Die Ohren schlagen nicht! Dafür öffnen sie beim Sensis deutlich verzögert.
Steilspirale: Die Kurvenruhe des Sensis zeigt sich auch bei der Spiraleinleitung. Wer den Flügel nicht regelrecht zwingt, wird ein recht gemächliches Abkippen erleben. In der Spirale ist der Sensis gut kontrollierbar. Bei der Ausleitung wird abermals das Aufrichtmoment spürbar. Ein tiefes Nachziehen der Innenbremse ist nötig, um wirklich sanft ohne "Männchen" aus der Spirale heraus zu kommen.
Frontklapper: nicht geflogen.
Seitenklapper: nicht geflogen. (Die Testflüge fielen in eine Zeit, in der es an guten Flugtagen mangelte. Die wenigen Flugstunden habe ich lieber genutzt, Höhe zu gewinnen als sie zu vernichten. Bei einem Schneisenstart mit leichtem Seitenwind hatte ich einen leichten "realen" Klapper, vielleicht 30-50%. Der verlief ohne Richtungsänderung und ging sanft wieder auf.)
Nicken: Der Sensis weist eine erstaunlich hohe Pitchstabilität auf und lässt sich nur langsam Aufschaukeln.
Rollen: Auch beim Rollen mit Gewichtsverlagerung lässt sich der Sensis nur mit etwas Geduld und passendem Rhythmus zu höheren Pendelausschlägen bewegen. Für Wingover darf die Bremse beherzt genutzt werden.
Qualitätsmerkmal: Am Rand umgenähte Diagonalrippen sollen das Dehnen der Tuchränder verhindern. |
Fazit: Der Sensis von Swing ist ein sehr interessanter Vertreter der aktuellen Mid-B-Klasse. Einfaches Starten, hohe Flugruhe, dazu eine ansprechende Leistung und gute Top-Speed passen zu den Ansprüchen eines breiten Pilotenspektrums. Herausragend sind das Steigvermögen und die Thermikschnüffelqualitäten. Als Nullschieberbeißer ist der Sensis ein idealer Flachlandschirm! Wer häufiger in starker, enger, zerrissener Thermik unterwegs ist oder Freestyle-Ambitionen besitzt, wird beim Sensis gelegentlich eine direktere Lenkung und etwas Spritzigkeit vermissen. Auch für Hike&Fly ist der Schirm vom Gewicht und Packmaß her keine erste Wahl. Wer in der Luft v.a. ein entspanntes Cruiser-Feeling sucht, wer gerne auf seinen Schirm hört und sich auch einfach mal fliegen lässt, der sollte den Sensis getrost weit oben auf seine Liste der möchte-gern-mal-testen Schirme setzen.
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3 comments
Ich kann dir, lieber Lucian, nur beipflichten. In ALLEN Punkten.
AntwortenLöschenDer Sensis (in xs) wurde mir freundlicherweise für mehrere Tage zum Probefliegen von Sensis zur Verfügung gestellt. Ich bin seit vielen Monaten am B-Schirm-Testen und hatte zur Referenz die B-Schirme von Advance, Ozone, Gin, Gradient, Icaro.
Vorher flog ich meinen Schulungsschirm für reichlich 2 Jahre.
Mir ging es wie dir, erster Flug mit dem Sensis: hui, ob das was wird mit dem und mir? Glücklicherweise hatte ich zu dem Zeitpunkt keine Alternative!
Im Grunde brauche ich zu deinem Feedback nicht mehr viel hinzufügen.
Auffällig sind das Gewicht & die doch verhältnismäßig häufig "winkenden" Ohren, die mich anfangs etwas irritiert haben.
Besonders gefällt mir aber das einfache Startverhalten, hier war ich insondere vom Gin Atlas etwas "traumatisiert". Die Leinen vom Sensis waren einwandfrei sortierbar. In der Luft hatte ich am Ende das Gefühl, dass wir eine Einheit sind.
Bei provozierten (einseitigen) Klappern reagiert er allerdings doch recht dynamisch.
Ansonsten hat für mich der Sensis schlussendlich das Rennen gemacht & die anderen Schirme ausgestochen!
Hier mein Video zum Testausflug mit dem Sensis:
https://www.youtube.com/watch?v=LEGaqWX4ItQ
Hey Diana, in ALLEN Punkten ist ja schon fast zuviel Übereinstimmung. Aber auch mal interessant, dass Du den Schirm in einer ganz anderen Größe (XS) doch ganz ähnlich erlebt hast. Häufig gibt es bei Schirmtests ja schon mal größere Reaktions-Unterschiede zwischen den Größen.
AntwortenLöschenHola Lucien
AntwortenLöschenSehr treffend, wie immer, hast du den Sensis kategorisiert. Ich hab ihn auch mehrfach getestet, bei guten thermischen Verhältnissen. Mir fiel auch sofort auf, der Sensis steigt aktuell wie kaum ein anderer. Fliege 25 Jahre, aber so einen Climber hatte ich nie zuvor. Die gesamte Charakteristik, angenehme, verwertbare Steuerdrücke, Feedback und die Ruhe des Flügels auch bei pumpigen Bedingungen haben mir sehr gut gefallen. Bei einem 36 km Flügchen im Elsass kam auch der wirklich gute glide zum tragen. Der Sensis fliegt mit Halbgas wie auf Schienen und top glide,man kann entspannt die Eindrücke geniessen. Wer einen wing sucht, mit dem man problemlos und relaxed auf Strecke gehen will, der stets ein Wohlfühlfeeling vermittelt, der sollte sich diesen ausgewogenen, robusten Swing schnappen und mal testen.
Testflug: https://www.youtube.com/watch?v=lFVW6olpv2U
Fliegergrüße Frederic
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