Der Nova Mentor 4 ist eine Streckenmaschine, aber keine Empfehlung für Freestyler.

Der Nova Mentor 4: Smart Cells und Wellenschliff-Hinterkante
Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Nova Mentor 4 habe ich in circa zehn Flug- und Groundhandlingstunden unter unterschiedlichen Bedingungen (Thermik, Soaring, Starkwind am Boden) im Fluggebiet Obertilliach gewonnen. Geflogen bin ich den Mentor 4 in der Größe S (80-100 kg) mit rund 93 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Nova zur Verfügung gestellt.

Der Name Mentor ist in der Highend-B-Klasse so etwas wie eine Institution. Im Grunde hat Nova mit dem Mentor und vor allem dem Mentor 2 diese Klasse überhaupt erst richtig definiert. Von Anfang an stand die Mentor-Reihe an der Leistungsspitze des B-Sektors. Von Schirm zu Schirm folgte Nova dabei dem Grundsatz: Evolution statt Revolution. Das erfolgreiche Grundkonzept wurde über die Schirmgenerationen stets in teils sichtbaren, teils in unsichtbaren Details weiterentwickelt. Auch der Mentor 4 hat gegenüber dem Mentor 3 (s. lu-glidz Test) so seine Überarbeitung erfahren. Oberstes Ziel war es, die erfliegbare Leistung noch einmal zu steigern: So weist der Mentor 4 jetzt 55 statt 51 Zellen auf, wobei die Zellenbreite über die Spannweite spannungsoptimierend variiert (Smart Cells). Die Kappenkrümmung wurde ein bisschen reduziert. Der Mentor 4 ist zudem ein echter Dreileiner (ohne abgestützte D-Ebene), was allerdings wegen der vier zusätzlichen Zellen unterm Strich nicht zu einer nennenswerten Gesamtleinenlängenreduktion führt (ein Meter weniger). Von außen nicht sichtbar, aber im Flug spürbar ist ein etwas anderes Profil, das eine größere Pitchstabilität aufweist. Letzteres ist übrigens das, was meinem Empfinden nach im Flug den größten Unterschied zum Mentor 3 ausmacht. Doch davon später mehr.

Beim Aufziehen im Starkwind mit A- und C-Gurten kann
die Hinterkante mangels D-Ebene auswehen. Die Schirmkontrolle
ist dann etwas erschwert und verlangt Erfahrung.
Starten: Bei der Startvorbereitungen bereitet der Mentor 4 wenig Probleme. Die Leinen fallen gut auseinander. Die unummantelten oberen Leinenstockwerke (auch auf der Bremse) verlangen etwas mehr Aufmerksamkeit. Kontrollfreundlicher wäre es auch, wenn Nova nicht die B- und C-Ebene einheitlich in Gelb sowie Stabilo und Bremse im gleichen Orange gehalten hätte.
Die Tragegurte sind schmal, aber relativ steif. Dennoch sollte man stets bewusst darauf achten, dass der C-Tragegurt mit der Bremse nicht in sich selbst verdreht ist, wenn man die Bremse aufnimmt.
Der eigentliche Startvorgang ist - bis zu mittleren Windgeschwindigkeiten - einfach, solange man nicht grobmotorisch an den Gurten zerrt. Es empfiehlt sich den Schirm nur mit den inneren A-Gurten aufzuziehen, um ein Abknicken des Flügels in der Mitte zu vermeiden. Leichter, konstanter Zug auf den inneren A-Gurten reicht aus, um den Schirm auch bei schwachem Wind sehr gleichmäßig steigen zu lassen. Im Zenith ist ein kurzer Bremseinsatz gefragt, um die Kappe am Vorschießen zu hindern.
Deutlich anspruchsvoller wird der Start mit dem Mentor 4 bei stärkerem Wind. Wer nur einen Ticken zuviel Impuls beim Aufziehen gibt, wird eine recht powervoll aufschießende Kappe erleben und muss dann ordentlich in die Bremsen langen. Typischerweise wird man einen Schirm bei solchen Bedingungen lieber durch Zug auf der C-Ebene bändigen wollen. Das funktioniert beim Mentor 4 allerdings suboptimal. Hier macht sich die Dreileinerkonstruktion, d.h. der Verzicht auf die zusätzlich Abstützung des hinteren Flügels durch eine abgezweigte D-Ebene, bemerkbar. Wer kräftig an der C-Ebene zieht, wird zwar das Aufschießen bremsen können. Doch hinter der C-Ebene tendiert der hinterste Teil des Flügels dazu, unkontrolliert auszuwehen. Der Schirm wird dann unruhig, tanzt gar etwas im Wind. Hier das richtige Maß und Timing der steuernden Impulse für ein souverän kontrolliertes Aufziehen zu finden, erfordert mit dem Mentor 4 mehr Übung (d.h. Groundhandlingtraining) als noch mit dem Mentor 3.
Um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: Der Mentor 4 ist keine Startsau, sondern macht das meiste ziemlich gesittet. Ich pflege allerdings bei meinen Tests bewusst jene Eigenschaften heraus zu heben und detaillierter zu beschreiben, die mir im Vergleich zu anderen Schirmen besonders auffallen.

Landen: Die gute Gleitleistung verlangt eine etwas großräumigere Landeeinteilung. Der Schirm lässt sich sehr schön ausflaren.

Bremsen: Die Bremsen der Mentor 4 haben einen angenehmen Vorlauf von ca. 10 Zentimetern. Sobald die Bremswirkung einsetzt wird ein recht knackiger Bremsdruck spürbar, deutlich mehr als z.B. beim Rook 2 und etwas mehr als beim Iota. In der Praxis erweist sich das aber nicht als zwangsläufig ermüdend. Die meisten Flugsituationen wird man mit relativ wenig Bremsweg meistern können, denn die Steuerung ist sehr effektiv, die weiteren Bremswege im Klassenvergleich kurz.
Ein ungewöhnliches Bild beim Bremsen liefert der Blick zur Kappe. Die Bremsleinenansätze sind in erstaunlich weiten Abständen angeordnet. Zwischen ihnen baucht die herabgezogene Hinterkante deutlich aus. Das sieht aus, als hätte der Schirm hinten einen Wellenschliff. Nachteile im Handling konnte ich dadurch allerdings keine feststellen.

Mentor 4 im Röntgenblick: Echter Dreileiner, lange Miniribs, Spannbänder.
Kappenfeedback: Der Mentor 4 hat eine vergleichbar harte, weitgehend als Einheit reagierende Kappe. Dennoch vermittelt sie einen gedämpften Eindruck. Über die Bremsen erfährt man relativ wenig über den Zustand in der Luft, hier erschien mir der Mentor 3 auf diesem Kanal noch mitteilsamer. Die meisten Informationen gelangen beim Mentor 4 via Tragegurt zum Piloten. Die Infos zu Steigzentren o.ä. sind eindeutig, der Schirm gehört aber nicht zu den Plappermäulern. Kleinere Turbulenzen, die zu Anstellwinkelveränderungen führen, bügelt der Schirm mit seinem pitchstabilen Profil weitgehend aus, zeigt dann aber gelegentlich mit härteren Schlägen, dass er im Grunde doch straff und sportlich gefedert ist. Es ist ein Schirm, mit dem man die Luft ausreichend, aber nicht bis ins Detail lesen kann.

Gewichtssteuerung: Der Mentor 4 gehört zu den Schirmen, die gut und direkt auf Gewichtsverlagerung ansprechen. Er lässt sich problemlos mit dem Hintern aufschaukeln, wirkt aber im Normalflug deswegen nicht wackelig.

Kurvenflug: Der Schirm legt sich sehr satt in die Kurven, v.a. wenn man bewusst auch mit Gewichtssteuerung arbeitet. Dann ist der Mentor 4 auch mit wenig Bremszug überzeugend wendig. Überhaupt sollte man beim Mentor 4 mit der Bremse behutsam arbeiten. Schnelles, tiefes Ziehen quittiert der Schirm sonst mit viel Dynamik, Abtauchen bzw. Aufschaukeln. Wer sehr flache Kreise fliegen will, kann das Gewicht auf die Außenseite legen. Auch hier kommt der Mentor 4 noch mit vergleichsweise wenig Zug auf der Innenbremse willig ums Eck. Sehr angenehm ist die Beharrlichkeit und Spurtreue, mit der der Schirm eine sauber eingeleitete Kurve bei konstantem Bremszug beibehält. Im Test des Mentor 3 hatte ich ähnliches schon als "Autopilotenzirkelmodus" beschrieben. Der Mentor 4 hat diese Gene eindeutig geerbt.

Thermikeigenschaften: Das satte Gefühl beim Kurvenflug überträgt sich auch auf das Verhalten in der Thermik. Der "Autopilotenzirkelmodus" erlaubt ein sehr effizient Thermikzirkeln. Während man z.B. bei einem Rook 2 häufiger den Eindruck hat, in einer Blase mit den Bremsen fein nacharbeiten zu müssen, zieht der Mentor 4 hier souverän und ohne störende Nervosität seine Kreise. Er lässt sich auch seltener einmal aus einem Steigzentrum abdrängen. Mit dieser Effizienz macht der Schirm dann auch mehr als wett, dass er vom reinen Steigvermögen her nicht zu den Spitzenkletterern zählt. Durch die gute Ansprache auf Bremsinputs ist auch ein schnelles Nachzentrieren in starker Thermik möglich. In engen, sehr steilen Kreisen muss man beim Mentor 4 weniger als bei anderen Schirmen gegen ein Aufrichtmoment ankämpfen.
Die stärkere Pitch-Dämpfung des Profils zeigt beim Thermikflug sowohl Licht- als auch Schattenseiten. Die hohe Flugruhe verlangt vom Piloten weniger steuernde Eingriffe, was vor allem auf langen Flügen als weniger ermüdend auffallen wird. In sehr schwachen Bedingungen würde man sich manchmal eine etwas sensiblere und dynamischere Kappe wünschen, um die besten Steigzonen bzw. das Herausfallen daraus am Pitch schneller erkennen zu können.

3D-Shaping bis in den Stabilo.
Beschleuniger: Der mit großen kugelgelagerten Rollen versehene Beschleuniger lässt sich beim Mentor recht angenehm treten und halten. Voll beschleunigt erreicht der Mentor 4 eine Geschwindigkeit von fast 55 km/h, womit er neben Iota und Mistral 7 zu den schnellsten Schirmen im High-B-Bereich zählt. Herausragend gegenüber der gesamten Konkurrenz - vielleicht mit Ausnahme des in diesem Punkt ähnlich auftrumpfenden Iota - ist weiterhin die spürbar gute Gleitleistung selbst bei Vollgas. Die Kappe wirkt zudem auch im Speed noch sehr kompakt, stabil und ruhig.

Ohrenanlegen: Bei all meinen Ohrenanlegemanövern mit verschiedenen Einleiteart haben die Ohren des Mentor 4 stets ein klein wenig geschlagen, ohne allerdings eine unerträglich Unruhe in den Schirm zu bringen. Einmal drin, braucht man so gut wie keine Kraft mehr, um die Ohren zu halten. Worauf man achten sollte, v.a. wenn man die Ohren bei Toplandungen einsetzt: Nach dem Freigeben gehen sie deutlich verzögert auf, die äußersten Zellen können sogar dauerhaft eingeklappt bleiben. Um sie auch noch zu öffnen, ist ein erstaunlich deutlicher Impuls auf der Bremse nötig.

Steilspirale: Die Einleitung der Steilspirale geht mit dem Mentor 4 sehr flott. Schon nach einer halben bis einer Umdrehung kippt der Flügel ab und geht deutlich auf die Nase. In der Spirale lässt sich die Sinkgeschwindigkeit sehr gut kontrollieren. Bei Freigabe der Bremsen richtet sich der Schirm verzögert, aber dann doch eindeutig wieder auf.

Frontklapper: nicht geflogen.

Seitenklapper: habe ich nur unbeschleunigt mit 50-70% geflogen. Der Mentor 4 gehört dabei in seinen Reaktionen im Klassenvergleich zu den dynamischeren Charakteren. Man sollte auf ein schnelles Abdrehen, deutliches Vornicken und eine Wiederöffnung nach mehr als 180 Grad gefasst sein. Gelegentlich müssen, wie beim Ohrenanlegen, die äußersten Zellen am Ende noch rausgebremst werden.

Nicken: Mehr noch als der Mentor 3 zeigt der Mentor 4 ein deutlich gedämpftes Nickverhalten. Es fällt schwer, die Kappe über die Bremsen über ein bestimmtes Maß hinaus oszillieren zu lassen. Der Schirm nimmt die Energie schnell wieder raus. Nach Angaben von Konstrukteur Philipp Medicus liegt das an einem geänderten Profil des Flügels.

Rollen: Schon über reine Gewichtsverlagerung lässt sich der Mentor sehr schön aufschaukeln. Mit zusätzlichem Bremseinsatz werden schnell große Schwünge daraus. Richtig hohe Wingover mit dem Mentor 4 zu fliegen fällt allerdings schwer. In den Kurvenwechseln verhungert der Flügel etwas, verliert an Schwung und Energie. Wahrscheinlich ist das eine Folge der starken Pitchdämpfung des Profils. Freestyle-Freunde dürften in diesem Punkt mit dem Mentor 4 nicht so glücklich werden.

Packen: Der Schirm lässt sich problemlos packen, ob mit oder ohne Zellenpacksack. Die weichen Stäbchen in der Profilnase sind unempfindlich.

Der Bremswirbel kann beim Groundhandling in
den Ring gezogen werden und verklemmen.
Qualität: Durchweg gut, sowohl was die Verarbeitung der Kappe, der Leinen und der Tragegurte betrifft. Löblich ist die trimmfreundliche Einschlaufung der Leinen, die schon ab Werk bei Bedarf auch eine Verlängerung der Leinen erlaubt.
Ein Kritikpunkt ist der verwendete Keramikring anstelle einer Rolle bei der Bremsführung: Zum einen passt der Innendurchmesser des Ringes blöderweise so gut zum Bremswirbel, dass sich der Wirbel beim Groundhandling, wenn man mal direkt in die Bremsleinen greift, in den Ring hinein ziehen kann. Er verkeilt bzw. verklemmt sich dann manchmal darin. Man muss kräftiger Ziehen, um ihn wieder zu lösen. Zum anderen ist der Ring über ein Band so steif mit dem Tragegurt vernäht, dass er sich nicht einfach verdrehen kann, sollte einmal der Bremsgriff hinter der Bremsleine über den Bremssteg fallen. Dann kann es passieren, dass die Bremsleine eine Schlaufe bildet, mit der sie sich selber festzieht und blockiert (diesen Effekt hatte ich im Juni im Post Die Bremsring-Falle beschrieben).

Fazit: Der Mentor 4 ist eindeutig einer der leistungsstärksten Schirme seiner Klasse. Dass viele Streckenjäger gerne auf ihn setzen, ist dabei sicher nicht nur der guten Gleitleistung zuzuschreiben. Auch im Bezug auf Kurven- und Thermikhandling zeigt der Mentor 4 einen sehr reifen, ausgewogenen Charakter. Alles wirkt durchzugsstark und effizient. Seine gelegentlich aufblitzende Dynamik erinnert freilich auch daran, dass die Kappe, trotz ihrer deutlichen Zurückhaltung im Pitch, ordentlich Biss entwickeln kann. Gepaart mit dem etwas anspruchsvolleren Startverhalten bei Starkwind gehört der Mentor 4 in die Hände von schon erfahreneren Piloten. Die sollten zudem vor allem das Streckenfliegen im Auge haben. Mit seiner starken Pitchdämpfung ist der Schirm keine Empfehlung für Freestyler.

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