Die neue Darstellung der Safety-Class: Statt einer Gesamtnote gibt es nur noch Teilnoten (hier rot markiert). // Quelle: DHV, Screenshot, bearbeitet |
Seit fast sechs Jahren führt der DHV Safety Class Tests für Gleitschirme durch - als ergänzendes Informationsangebot für die Piloten. Die Tests sollen zeigen, wie Schirme reagieren, wenn sie bewusst an und über die Grenzen der bei EN-Prüfungen vorgesehenen Klappgrößen und Spiralgeschwindigkeiten gebracht werden. Bisher wurden die getesteten Schirme am Ende einer Safety Class zwischen 1 und 5 zugeordnet. Dabei bestimmte jeweils das schlechteste Einzelergebnis im Test die Gesamtnote.
Vielen Herstellern war dieses Vorgehen ein Dorn im Auge. Denn die Praxis der Worst-Case-Benotung führte dazu, dass Schirme, die nur in einem Teiltest eine 4 oder 5 bekamen, am Ende genauso schlecht da standen wie Modelle, die insgesamt die sicherheitstechnisch "deutlich heißeren Kisten" waren. In manchen Fällen verzeichneten Hersteller regelrechte Umsatzeinbrüche bei Schirmen mit einer schlechten Safety-Class-Note, wie beispielsweise Swing im Jahr 2015 mit dem Sensis (s. Swing kritisiert Safety-Tests).
Der Streit zwischen Herstellern und DHV gipfelte Ende 2016 sogar vor Gericht. Advance wollte dem DHV per einstweiliger Verfügung verbieten lassen, die Ergebnisse zu den Safety-Class Tests des Alpha 6 und des Epsilon 8 weiterhin zu veröffentlichen. Das Oberlandesgericht München gab dem nicht statt (s. DHV kann Safety-Class-Tests fortführen). Allerdings beförderte unter anderem dieser Prozess beim DHV ein Umdenken, ob denn die Benotungspraxis der Safety Class tatsächlich den gewünschten Sicherheitsgewinn für die Piloten bringt.
Jetzt hat der DHV reagiert. In der Gerätedatenbank der Safety Class werden keine übergeordneten Gesamtnoten mehr für die einzelnen Schirme angezeigt. Vielmehr werden die Ergebnisse differenzierter aufgeschlüsselt - und das in zwei Ebenen.
Ruft man dann allerdings den kompletten Test eines Schirmes auf, werden die Noten weiter differenziert. Bei Seitenklappern beispielsweise sind es gleich sieben Teilbewertungen: Wegdrehen, Vorschießen, Höhenverlust, Sinkgeschwindigkeit, Gegenklapper, Verhänger und G-Last. Für jede wird die im Test erreichte Teilnote angezeigt. Dies soll den Piloten ermöglichen, auf einen Blick zu erfassen, wo in puncto Sicherheit die Hauptprobleme oder auch Stärken eines Schirmes liegen.
Beim Advance Alpha 6 beispielsweise, der ursprünglich im Safety Test als Gesamtnote eine 4 erhielt, wird schnell deutlich, dass diese 4 nur auf einem einzigen Teiltest (Vorschießen nach Seitenklapper) beruhte, während der Schirm sich ansonsten bei den Bewertungen eher harmlos zeigt. Im Vergleich dazu prangt bei einem Gin Carrera (frühere Gesamtnote: 5) gleich neun Mal die Teilnote 5 in der Tabelle - das bislang "schlechteste" Testergebnis in der Safety-Class-Geschichte.
"Wir wollen den Piloten mehr Informationen bereitstellen", erklärt DHV-Geschäftsführer Robin Frieß die Neuerung. Es sei nie das Ziel des DHV gewesen, mit der Safety Class einzelne Schirme schlecht zu machen. Es habe sich aber gezeigt, dass der Verband durch das gewählte Verfahren mit Gesamtnoten in seiner eigenen Bewertungsweise gefangen war. Durch die differenziertere Darstellung könnten die Piloten nun die einzelnen Schirmmodelle und deren möglichen Schwachstellen viel besser untereinander vergleichen.
Die Änderung der Safety-Class-Tests betrifft nur die Darstellung der Ergebnisse. An dem eigentlichen Testverfahren mit Datenlogger will der DHV festhalten und dieses weiterentwickeln.
Möglicherweise wird in Zukunft noch ein weiteres Testmanöver in die Benotung mit einbezogen. Laut Robin Frieß hat sich gezeigt, dass auch das Strömungsabrissverhalten von Schirmen ein wichtiges Sicherheitskriterium darstellt. Bisher mangelt es aber noch an einer messtechnischen Lösung, mit der sich der Strömungsabriss bei den Flugtests eindeutig und reproduzierbar erfassen ließe, um das als Teilnote der Safety-Class sauber abzubilden.
7 Kommentare
Vor über fünf Jahren hat Karl Slezak in einem Vortrag bei bodenlos e.V. die Safety Class vorgestellt und beworben. Schon damals wurde ihm als deutliches Feedback gegeben, dass die Reduzierung der Einstufung auf eine Ziffer wie bei der EN wenig zielführend ist.
AntwortenLöschenGut, dass dies endlich eingesehen wurde und ein differenzierte Darstellung gewählt wurde. An sich ist die Safety Class für wenig erfahrene Piloten eine gute zusätzliche Orientierungshilfe.
Ich finde die neue Darstellung richtig gut und viel aussagekräftiger als vorher, danke an den DHV für diese Entscheidungshilfe! Jetzt würde ich mir nur noch wünschen, dass für jeden Schirm auch angegeben wird, bei welcher Beladung der Safety Test durchgeführt wurde. Im Gegensatz zu den Zertifizierungstests, die ja an der Unter- und Obergrenze des Gewichtsbereichs geflogen werden, gibt es hierzu bei den Safety Class Tests meines Wissens keine Vorgaben, oder? Das wäre aus meiner Sicht also noch eine sehr wichtige Zusatzinfo vom DHV.
AntwortenLöschenZu meinem vorigen Post: habe gerade in das "Handbuch für Testpiloten" für die Safety Class geschaut, wo meine Frage beantwortet wird (https://www.dhv.de/web/fileadmin/user_upload/files/2016/sicherheit/Handbuch_Testpilot_Version1_Rev0.pdf). Dort heißt es: "Zwei Testpiloten prüfen den Gleitschirm. Die Testflüge erfolgen innerhalb des zulässigen Gewichtsbereiches. Dabei fliegt ein Pilot nahe dem maximalen Startgewicht und mit mittleren Startgewicht."
AntwortenLöschen@ Tim-Patrick: nichts für ungut, aber die Angaben zur Belastung bei der Musterprüfung sind eine Prüfungsfrage bei der Theorieprüfung. Für den A-Schein.
AntwortenLöschen;-)
Dalek, die Safety-Class-Tests sind allerdings keine Musterprüfung. Da macht der DHV seine eigenen Regeln. Die Frage nach dem Gewichtsbereich ist also berechtigt. Grundsätzlich kann es bei den Schirmreaktionen einen enormen Unterschied machen, ob sie hoch oder gering belastet werden. Aus den Ergebnissen der Safety-Class-Tests wird nicht ersichtlich, ob die schlechteste Note grundsätzlich, oder nur oben oder unten im Gewichtsbereich zu finden wäre. Bei den eigentlichen EN-Musterprüfungen werden die Ergebnisse jeweils getrennt dokumentiert. Hier könnten die SC-Tests also noch nachholen. Dennoch ist die aktuelle Neuerung schon ein großer positiver Schritt, der den Nutzwert der SC-Tests deutlich erhöht.
AntwortenLöschenLucian, danke für die Erklärung. Tim-Patrick, bitte um Entschuldigung. Ich verspreche, künftig Texte, die ich kommentieren will, etwas langsamer zu lesen. Viele grüße.
AntwortenLöschenWann werden eigentlich wieder Schirme getestet? Schon seit über einem Jahr sind keine Ergebnisse mehr veröffentlicht worden.
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