Da steht man am Startplatz, ein laues Windchen weht, aber es ist nicht ganz klar: Reicht das schon, damit es beim Soaren trägt? Anhand ein paar Infos über die Geländetopographie und die aktuelle Windgeschwindigkeit sowie mit ein wenig Kopfrechnen kann man das pi mal Daumen herausfinden!

Zuvor sollte man sich aber erst einmal im Klaren sein, wieviel Aufwind wir überhaupt brauchen, damit unser Gleitschirm keine Höhe verliert. Vereinfacht entspricht dies dem Gerätesinken im Trimm. Ein guter Durchschnittswert ist hier 1,3 m/s, das sind umgerechnet 4,7 kmh. So stark muss also der Wind "von unten" wehen, damit es trägt. Um auch noch unser Kurvensinken zu kompensieren, geben wir noch einen kleinen Sicherheitszuschlag dazu: 5 kmh ist dann ein guter Basiswert.

Wann aber liefert uns der Wind an einem Hang 5 kmh Auftrieb? Sehr einfach ist die Rechnung für einen hohen, senkrechten Felsen. Dort wird der anstehende Wind senkrecht nach oben abgelenkt. Die gesamte Windstärke wird dann in Aufwind umgesetzt. An steilen Klippen kann man somit schon mit sehr wenig Wind soaren!

Die üblichen Soaringhügel, von denen wir i.d.R. starten, sind weitaus weniger steil. Hier muss man die anteilige Auftriebskomponente des anstehenden Windes errechnen. Dafür muss man die Hangneigung kennen, bzw. die Höhe des Hanges (gemessen vom Hangfuß bis Hangkante) und die Tiefe (gemessen vom Lot der Hangkante bis zum Hangfuß). Eigentlich müsste man hier nun mit Sinus und Cosinus rechnen, aber um die Aufgabe im Kopf lösen zu können, reicht es, wenn man mit den einfachen Verhältnissen rechnet und vom Ergebnis rund 25 Prozent abzieht.

Ein Beispiel: Ist ein Hang 200m hoch und die Hangkante ist Luftlinie 200m vom Hangfuß entfernt, dann ist das Verhältnis von Breite zu Höhe 1:1. Im gleichen Verhältnis wird unser Wind am Hang umgelenkt: 50% seiner Stärke wird zu "Aufwind", 50% verbleiben als "Gegenwind". Um 5 kmh Aufwind zu bekommen, brauchen wir dann einen Grundwind, der mit rund 7,5 kmh weht (10 kmh minus 25%).

Ist unser Hang 100m hoch aber 200m tief, ist das Verhältnis schon 1:2. Das bedeutet, dass nur ein Drittel des anstehenden Grundwindes uns als Aufwindkomponente zur Verfügung steht. Um 5 kmh Aufwind zu bekommen, muss der Grundwind dann schon mit mindestens 11,5 kmh wehen (15 kmh minus 25%).

Auf dem Google-Earth-Foto oben ist übrigens der Hang von Boppard dargestellt. Dort liegt das Verhältnis bei etwa 1:1,75. Rechnerisch ist dort schon bei etwas über 10 kmh sicheres Soaren möglich (eingelagerte Thermik, die den Auftrieb zusätzlich unterstützt, nicht mit eingerechnet!). Voraussetzung ist allerdings, dass ein Pilot immer im Steigen fliegt und auch seine Kurven so flach wie möglich hält.

Die Mindestgeschwindigkeit fürs Soaring erhöht sich, wenn der Wind schräg auf den Hang bläst. Dann bleibt die Hanghöhe zwar gleich, aber die Strecke, die der Wind vom Hangfuß bis zur Hangkante zurücklegt, wird länger. Im Ergebnis wirkt das so, als wäre der Hang weniger steil.

Eins sollte man noch bedenken: Die hier gezeigte Regel funktioniert in dieser Weise nur bei hohen Hängen. An kleinen Hügeln streicht der Wind selten großflächig parallel zum Hang in die Höhe, sondern nur in einem deutlich flacheren Winkel. Entsprechend stärker muss auch dort der Wind wehen.