"Der Spiegel" berichtet über einen Streitfall zwischen einem verunfallten Flugschüler und der Flugschule - und wirft dabei ein schlechtes Licht auf den DHV. Zurecht? 

Ein Spiegel-Artikel sieht den DHV in einer unrühmlichen Rolle.
// Quelle: Der Spiegel 19/2017, S. 106
Es war im April 2011, als ein Flugschüler der Flugschule Hochries bei einem Flug an einem Übungshang seinen in einer thermischen Turbulenz vorschießenden Schirm nicht abfing. Er kam so hart am Boden auf, dass er sich beide Beine und einen Lendenwirbel brach. Der Schüler verklagte daraufhin die Flugschule auf Schadensersatz - mit dem Vorwurf, diese habe ihn ohne Funkgerät in die Luft geschickt, also in der Situation nicht ausreichend betreut.

In zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht München hat der ehemalige Flugschüler kürzlich Recht bekommen. Die Richter verwiesen dabei auf die damals gültige die Ausbildungs- und Prüfungsordnung (APO) des DHV. Darin stand schwarz auf weiß der Satz: "Eine sichere Funkverbindung vom Fluglehrer zum Flugschüler muss gewährleistet sein, bei (...) allen Flügen die Flugübungen gemäß Lehrplan zum Inhalt haben."

Pikanterweise war es damals althergebrachte Praxis in den Flugschulen - und auch vom DHV bei seinen Lehrgängen damals wie heute so gelehrt - dass an Übungshängen nicht zwingend Funkgerätepflicht herrscht, wenn die Betreuung auf andere Weise genauso gewährleistet werden kann. Dass hier ein Dissens zwischen der gelehrten Praxis und der schriftlichen Fassung der APO herrschte, fiel allerdings erst auf, als es zu dem besagten Crash gekommen war. Karl Slezak, Referatsleiter Ausbildung und Sicherheit beim DHV, nahm diese Erkenntnis zum Anlass, die APO zu korrigieren. Seit 2013 sind an gleicher Stelle zwei zusätzliche Worte zu finden: "Eine sichere Funkverbindung vom Fluglehrer zum Flugschüler muss gewährleistet sein, bei (...) allen Flügen über 100 m die Flugübungen gemäß Lehrplan zum Inhalt haben." Das heißt, an klassischen Übungshängen darf auch ohne Funkgerät geschult werden.

Die erste Instanz, das Landgericht Traunstein, hatte die Klage des verunglückten Flugschülers noch abgewiesen, weil man dem Fehlen des Funkgerätes keine zentrale Bedeutung beimaß. Die Richter des Oberlandesgerichtes folgten allerdings einer strengeren Rechtsauffassung. Denn gemäß der schriftlichen Ausbildungsordnung in der Fassung von 2011 hätte der Flug nicht ohne Funkgerät stattfinden dürfen. Der klagende Flugschüler bekam Recht.

Der Spiegel hat diesen Fall zum Anlass genommen, die Rolle des DHV und vor allem Karl Slezaks in dem Verfahren kritisch zu beäugen. Der DHV habe Dinge verharmlost und versucht, die Flugschule vor Haftungsansprüchen zu schützen, so der Tenor des Artikels. Begründet wird dies eben mit der Anpassung der APO während des laufenden Verfahrens.

Ein solcher Vorgang ist natürlich verdächtig, hat ein "Gschmäckle" und wird damit für den Spiegel zum gefundenen Fressen. Dass Karl Slezak als "Mastermind der Safety Class" wahrscheinlich einer der letzten Gleitschirmpiloten und DHV-Funktionäre wäre, denen man vorwerfen wollte, sie würden Geschäfts- über Sicherheitsinteressen stellen, dürfte dem Reporter kaum bekannt gewesen sein. Dass dieser nur sehr krude Vorstellungen der Praxis des Gleitschirmfliegens besitzt, zeigt schon allein die etwas comic-hafte Beschreibung der Crashsituation: "Der Flugschüler war noch in der Luft, der Schirm aber vor seinen Augen zu Boden gesaust. Dann stürzte H. hinterher - aus etwa sechs Meter Höhe."

Für den DHV ist der Artikel dennoch ärgerlich, lässt dieser doch den Verband öffentlich im schlechten Licht dastehen. Dabei war Karl Slezak vor Gericht sogar als Zeuge aufgetreten, hatte die Ausbildungsweise erläutert und sogar erklärt, dass ein Funkgerät in diesem Fall hilfreich hätte sein können. "Der Text trifft in dem Punkt den Falschen", sagt DHV-Geschäftsführer Robin Frieß. Allerdings werde der Verband den Fall zum Anlass nehmen, im Lehrteam als Fachgremium darüber zu diskutieren, ob und in welchen Fällen ein Funk auch am Übungshang vorgeschrieben werden sollte.

Die Anpassung der APO im Jahr 2013 sei gerechtfertigt gewesen, so Frieß. "Wir haben das lediglich zum Anlass genommen, die gängige Praxis zu legitimieren. Die bestmögliche Beaufsichtigung und permanente Aufrechterhaltung einer Sicht-, Ruf- oder Funkverbindung und eine unmittelbare Reaktion auf jede Situation müssen immer gegeben sein. Unter 100 Meter kann eine direkte Betreuung besser sein. Das obliegt der Einschätzung des Fluglehrers."


Der Artikel "Ratlos in den Seilen" ist im gedruckten Spiegel 19/2017 auf Seite 106 zu finden, oder hinter einer Bezahlschranke online auf Spiegel-Plus zu lesen.