Solche Vorkommnisse sind immer wieder ein Schock für die Gleitschirmflieger, wenn auch selten ein heilsamer. Denn nach kurzer Zeit der Einkehr obsiegt v.a. bei Wettbewerben meist schnell wieder der Siegeswille samt Ehrgeiz, der die Piloten viele Gefahren einfach ausblenden lässt. Gerade deshalb ist es wichtig, sich die eigene Unzurechenbarkeit und Risikoblindheit regelmäßig ins Bewusstsein zu rufen. Es ist gut, wenn über solche Unfälle und deren psychologischen Hintergründe offen gesprochen wird.
Lesenswert ist in diesem Zusammenhang ein aktueller Thread im englischen Paraglidingforum über Risikobewusstsein. Zwei Posts möchte ich hier hervorheben, die ich zur Lektüre empfehle. Einer von Matthew Whitall, der andere von Bjorn Punselie. So schreibt Matthew u.a.
We have also, as a community, become incredibly blasé about reserve rides and treelandings. If you survive either then you should consider yourself lucky - you havecheated death. I never understood why we used to call reserves "Second Chance", we should call them last chance.Eine traurige Erkenntnis, die man aus verschiedenen Berichten von Unfallzeugen gewinnen kann, ist die, das Stefan Schmoker seine "last chance" eben nicht genutzt hat - obwohl er die Zeit dafür gehabt hätte. Nach dem hangnahen Klapper samt Verhänger hat er seinen Flügel offenbar mehrfach stabilisiert und dann versucht, den Verhänger zu lösen. Der Schirm geriet aber in der turbulenten Luft immer wieder in Rotation. Schließlich war Schmoker eingetwistet und schlug unkontrolliert im Steilhang ein. Warum er den Retter nicht zog, wird ein Rätsel bleiben.
Eine mögliche Erklärung wird ebenfalls im Paraglidingforum diskutiert: Wer bei einer WM den Retter schmeißen und damit einen Task vorzeitig beenden muss, vergibt fast automatisch alle Siegchancen. Das erhöht die Bereitschaft der Piloten, trotz des hohen Risikos nach einem Ausweg aus einer nahezu ausweglosen Situation zu suchen, nur um im Wettbewerb zu bleiben.
Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon, wider besseres Wissen, beim Fliegen seine eigene Sicherheitsmarge überschritten, einen Seitenwind für startbar, Turbulenzen für händelbar und einen schrappenden Endanflug knapp über den Baumspitzen für cool gehalten? Häufig geht das gut. Aber eben nicht immer. Es lohnt sich, traurige Anlässe zu nutzen, um die eigenen Sinne immer wieder neu zu justieren. Am besten im Gespräch mit anderen.
2 Kommentare
Hallo Lucian,
AntwortenLöschentäglich lese ich die Berichte von der aktuellen WM und war über den tragischen Unfall sehr bestürzt.
In einem Gespräch mit Pepe Malecki (der in meinen Augen zu den besten Piloten der Welt gehört) fragte ich ihn – wie hoch er im Wettkampf seine Risikobereitschaft einstufen würde. Er lachte nur und seine Antwort war – dass er nie großes Risiko eingehe und auch deshalb nur selten solche Wettbewerbe gewinne. Es muss auch noch Spaß machen – sagte er.
Er sprach auch den Flugstill junger und erfolgreicher Piloten, wie den Valic Brüdern an. Solche Piloten riskieren oft viel und lassen gar keinen Freiraum für Störungen zu – für so was sei er schon zu alt – sagte er und lachte wieder.
Wenn man sich die Ergebnislisten anschaut, sieht man wie knapp die Zeiten der Piloten auseinander liegen. Es entscheidet nicht mehr ob man überhaupt im Ziel ankommt, sondern wie schnell – jede Sekunde entscheidet. Das man dabei fast immer im Beschleuniger steht und nur das Minimum an Höhe macht ist leider selbstverständlich.
Ich muss zugeben, solche Unfälle lassen mich nie kalt. Auch meine Risikobereitschaft habe ich längst runtergefahren, ich will fliegen und nicht geflogen werden...
Ich glaube an das Glück im Leben, doch möchte es auch nicht zu oft herausfordern.
Wie der Pepe, bin auch ich der Meinung – es soll ja auch noch Spaß machen...
Euch allen viele schöne Flüge
Jarek
Lieber Lucian,
AntwortenLöschenich freue mich immer
über Dein Engagement
in Sachen Sicherheit.
Mach' weiter so!
Herzlichen Dank
Theo
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