Manchmal wundert es mich selbst, aber in diesem Jahr ist es schon soweit. Den Flugwetter-Blog lu-glidz gibt es seit fünf Jahren. Da ist der Moment gekommen für eine kritische Rückschau samt Ausblick. Es ist ein recht langer Post, aber vielleicht für den ein oder anderen ein Denkanstoß. Ich freue mich auch, wenn ihr unter den Kommentaren auch ein paar eigene Gedanken postet, und gerne auch Anregungen, was ich bei lu-glidz besser machen könnte.

Zu Beginn erst mal ein wenig Statistik: Mehr als 236 Wochendwetterprognosen stehen schon im Blog, insgesamt sogar über 790 Posts rund um die Gleitschirmfliegerei. Rund 150.000 Mal schauten Internetnutzer auf meiner Seite vorbei, im Schnitt sind es heute rund 100 pro Tag. Mehr als 220 Leser haben ein Email-Abo, d.h. sie kriegen jeden Beitrag zugeschickt. Der am häufigsten aufgerufene  Einzelbeitrag ist Meteowissen: Das Höhenwetter mit 5500 Hits. Eine Wochenendwetterprognose „kostet“ mich etwa 30 bis 60 Minuten Arbeit, je nachdem wie eindeutig oder interessant die Wetterlage sich darstellt.

Interessanter als solche Zahlen stellen sich für mich allerdings die „soften“ Fakten dar, die mit lu-glidz verbunden sind – sprich die Erfahrung, und damit auch die Frage: Warum mache ich das überhaupt?

Mein Ursprungsantrieb war eine Erkenntnis, die ich schon während der Schulung mitbekam: Für das sichere Gleitschirmfliegen ist Wetterwissen essenziell. Am Ende meiner A-Schein-Schulung machte ich einen Flug in bester Umkehrthermik in Lüsen. Es war März und kalt. Ich kurvte mitten durchs Tal, drehte enge Kreise – und stieg. Ich legte die Ohren an – und stieg. Meine Finger wurden taub und froren langsam ein. Nach einer seeehr langen halben Stunde stand ich dann doch endlich und arg unterkühlt am Boden. Die Finger wummerten leidig. Und ich fragte mich: Was hätte ich anders machen können? Weg von der Talmitte, hin zu den Flanken fliegen, dort wo die Luftmassen die Hänge heruntersacken, erfuhr ich auf Nachfrage vom Fluglehrer. Logisch! Hätte ich nur vorher wissen müssen. Und damit mir solches oder ähnliches nicht so schnell wieder passiert, vertiefte ich mich als Unterhobby der Fliegerei in die Meteorologie.

Bald übertraf mein selbst erarbeiteter Wissensstand den vieler anderer Piloten. Ich fand und finde das verwunderlich. Fliegen heißt für mich: ständiges Lernen. Darin liegt ja gerade die Faszination. Doch während etliche Flieger ihre Flugpraxis schulen, Groundhandling, Performance- und Sicherheitstrainings machen, gehen die wenigsten beim Wetter tiefer ins Detail, als das, was in den Multiplechoice-Fragen der Scheinprüfungen verlangt wird. Und wenige Jahre später ist auch davon ein Großteil vergessen. Man geht halt fliegen, weil es irgendwie fliegbar aussieht, der Wind ungefähr von vorne ansteht und sich andere auch schon in die Lüfte geschwungen haben.

Meiner Ansicht nach ist aber ein gutes Training im Verständnis der Vorgänge in der Atmosphäre weitaus wichtiger als etwa ein Sicherheitstraining. Mit dem ersten bekomme ich Einsichten, um Fehler grundsätzlich zu vermeiden, die ich mit dem zweiten mit etwas Glück nur noch ausbügeln kann.

In den ersten Jahren von lu-glidz hatte ich deshalb noch eine Art Sendungsbewusstsein. Neben den Wetterprognosen schrieb ich auch viele Grundsatzartikel und Erklärstücke zum Flugwetter und seinen für Gleitschirmflieger besonders relevanten Phänomenen, siehe die Rubrik Meteowissen. Zum Beispiel über den Einfluss von Höhenwind und von Inversionsschichten, über die Unberechenbarkeit des Nordföhns oder das Deuten von Wolkenbildern. Ich hatte die Hoffnung, mit dem Angebot einer kostenlosen Weiterbildung das Wetterwissen in meinem Flieger-Umfeld zu fördern. Doch mit der Zeit kam die Ernüchterung: Bis auf wenige Ausnahmen ist kein echter Fortschritt zu erkennen.

Die meisten Piloten nutzen lu-glidz nicht als Antrieb, sondern als Zeitersparnis. In den Wochenendwetterprognosen sind ja die meisten relevanten Infos schon wunderbar vorgekaut. Wer sich danach richtet, wird selten am völlig falschen Startplatz stehen. Warum sich also selbst noch tiefer mit der Materie beschäftigen?

Seither stecke ich im Dilemma. Ist es wirklich der richtige Weg, anderen die Flugwetterprognose abzunehmen? Gewiss, so kann ich sie wenigstens auf Gefahren hinweisen, denen sie sich selbst vielleicht nicht bewusst geworden wären. Andererseits schaffe ich keine Anreize, sich Schritt für Schritt aus der Meteo-Unmündigkeit zu lösen. Im Grunde ist es ein Luxus, der auch eine gefährliche, kontraproduktive Seite hat.

Fliegen oder nicht fliegen?
Bleibt noch ein anderes Thema: Anfangs dachte ich, mit wachsendem Meteowissen würde meine eigene Prognosefähigkeit auch immer besser. Ich war stolz, wenn ich vor einem langen Wochenende freitags sogar schon das Wetter vom Montag beschreiben konnte, und es dann tatsächlich so eintrat. Mit der Zeit bin ich demütiger geworden. Denn das Eintreten von mittelfristigen Prognosen hat immer noch viel mit Glück und Zufall zu tun. Es gibt Großwetterlagen, bei denen man tatsächlich bis zu fünf Tage im voraus sehr treffsicher beschreiben kann was kommt. Doch bei anderen Lagen haben selbst die besten Meteomodelle Probleme, noch für den nächsten Tag lokal halbwegs zutreffende Ergebnisse zu liefern. Dieses Jahr hat das oft genug gezeigt.

Ich selbst schaue darum heute weniger intensiv in die Zukunft und konzentriere mich mehr auf das, was direkt am Tag, im Vorfeld eines Fluges und auch aktuell zu beobachten ist. Netterweise hat hier die Technik bzw. das Internetangebot in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Satellitenbilder werden im 15 Minuten-Rhythmus aktualisiert, das Regenradar alle 5 Minuten. Die entsprechenden Bilder habe ich sogar schon auf der lu-glidz Homepage eingebaut. Regionale Wetterstationen liefern ständig aktuelle Windmessungen. Webcams zeigen mir das Wetter vor Ort noch bevor ich in Bonn ins Auto steige. Und selbst am Startplatz sind mit Iphone & Co viele solcher Daten in nahezu Echtzeit immer noch greifbar. Gepaart mit der lokalen Geländeerfahrung ist das die beste Grundlage für einen sicheren Flug.

Das Wissen bzw. die kurzfristigen Erkenntnisse daraus per Internet-Blog zu verbreiten, ist freilich sinnlos. Hier muss wirklich jeder selber lernen, die verschiedenen Quellen anzuzapfen und zu deuten. Als „Service“ bleibt mir nur, eine passende Quellensammlung zu pflegen – siehe Wetterlinks auf der DGC-Homepage – und auf neue Angebote hinzuweisen. Ich kann nur empfehlen, sie auch zu nutzen.