Seit wenigen Wochen ist der erste Schirm ohne Untersegel (Single-Skin) von Ozone auf dem Markt. Der XXLite wiegt nur 1,3 kg und hat unter vielen Wanderflug-Enthusiasten geradezu Begeisterungsstürme ausgelöst. Das geringe Gewicht und ein entsprechend kleines Packmaß machen es möglich, diesen Schirm problemlos nahezu auf jeden Berg hochzutragen. Daraus könnte sich ein ganz neuer Anwendungs- und Kundenkreis fürs Gleitschirmfliegen erschließen. Der erste Hype soll bereits zu Lieferengpässen führen.
Allerdings zeigen die ersten Flugberichte auch, dass dieses Konzept mit Vorsicht betrachtet werden muss. Es taugt nicht zum Allrounder und nicht für unerfahrene Piloten.
Zwar ist der XXLite wohl absolut einfach zu starten. Selbst bei Nullwind kommt der Schirm nach wenigen Schritten sauber hoch, ohne zu überschießen. Die Kappe ist sogar so leicht und bleibt so gut in der Luft, dass man damit aufgezogen im Kreis herum und bergauf laufen kann, wie folgendes Video zeigt (in der zweiten Hälfte des Filmes).
Allerdings offenbaren sich wohl auch deutliche Schwachstellen für die Praxis. Der Schirm hat nur eine geringe Trimmgeschwindigkeit und besitzt mangelhafte Fähigkeiten, was das Fliegen gegen den Wind betrifft. Schon ein geringer Gegenwind lässt den Gleitwinkel massiv einbrechen. Da zudem der Schirm keinen Beschleuniger besitzt, wird jeder Gegenwind zum Sicherheitsrisiko. Ein Flug mit dem XXLite setzt ein größeres Verständnis über (lokale) Wetterphänomene wie Talwinde etc. voraus, um damit stets sicher bzw. bei sicheren Bedingungen in die Luft zu gehen.
Zweiter Kritikpunkt ist ein abruptes Abrissverhalten bei nicht allzu langem Bremsweg. Grobmotoriker mit wenig Gefühl für die Bremsenstellung könnten sich da schnell einmal ungewollt in einer gemeinen Vrille wiederfinden, deren Ausleitung auch ihre Überraschungen parat hält.
Kommt zuletzt noch die geringe Festigkeit bzw. Haltbarkeit des Segels hinzu. Zwar hat der XXLite den 8G-Belastungstest bestanden, aber offenbar liegt der knapp an der Grenze des tolerierbaren. Es gibt erste Berichte, die von Tuchschäden nach einem Fullstall-Manöver berichten - und das bei jetzt noch neuen Schirmen. Wie schnell das verwendete ultraleichte Tuch altern und an Festigkeit verlieren wird, muss die Praxis erst noch zeigen.
Immerhin heißt es von Seiten eines Ozone-Importeurs in der Schweiz ehrlich: "Der XXLite wurde entwickelt, um bei ruhigen Verhältnissen einen Abgleiter zu machen. Extremflugmanöver und Flüge bei sehr turbulenten Verhältnissen können offensichtlich zu einer Überbelastung der Struktur und zu Beschädigungen führen. Obwohl der Schirm einen Lasttest mit 8G bei 115 kg aushält, kann er bei Belastungen, wie sie in einem Sicherheitstraining vorkommen, beschädigt werden."
Mal sehen, wie sich die kommunizierte Einschätzung zu diesem Flügel entwickelt, wenn sich die ersten Piloten damit in aktive Frühjahrsthermik begeben.
Mischmasch
3 Kommentare
Der Titel «Hype und Ernüchterung» ist wohl etwas reisserisch gewählt. Ich denke mal, keiner hat erwartet, dass das Teil so fliegt wie ein anderer Leichtschirm. Der Hype war wohl um das Gewicht und die Einfach-Segel Technik entstanden. Habe den XXLite selber auf 3 Übungshangflügen und einem kurzen normalen Flug ausprobiert und bin von den Gegenwind/Abwind Eigenschaften doch ziemlich erschrocken. Im Gegensatz zu normalen Schirmen fällt schon bei leichtestem Gegenwind die GZ gegen nichts zusammen und man muss sich schnell einen geeigneten Landeplatz suchen, wenn man denn die Zeit dazu hat. Hingegen Starteigenschaften wie die des XXLite wären hammermässig, wenn die an zukünftigen Schirmen so zu haben wären. Das Landen ist wiederum ein ganz anderes Thema. Null Flare-Wirkung! Da wird ein schon leicht ansteigendes Landegelände zur echten Herausforderung. Aber Spass machte das Teil auf jeden Fall.
AntwortenLöschenLieber Alfredo,
AntwortenLöschenich war selbst von dem Konzept der Einfachsegel von Anfang an begeistert, habe die Entwicklung auf lu-glidz begleitet und damit die Geschichte wohl auch selbst ein bisschen gehypet. Jetzt folgt halt anhand der Flugberichte auch für mich die Ernüchterung. Denn die Idee eines neuen günstigen Einfachseglers für jedermann erweist sich in der Praxis als eben NICHT für jedermann tauglich. Ozone hat, das muss auch anerkannt werden, nie etwas anderes behauptet. Adrenaline weckte da schon andere Hoffnungen mit der Aussicht auf EN-A. Aber ob Schirme in die Luft gehören, die bei leichtem Gegenwind schon derart an Leistung verlieren. Ich hoffe, da findet genug Aufklärung unter den geneigten Käufern statt.
Ja, Lucien, ist zu hoffen, das es hier wirklich genügend Aufklärung gibt, vor allem von denjenigen, die diese Teile auch wirklich fliegen. Ich für mich fand heraus, das es eben mit 2-3 Flügen nicht getan ist, um sich davon ein wirklich gutes Bild zu machen. Das Handling des Schirms in der Luft empfand ich übrigens sehr angenehm, ausser das bei beidseitigem Bremseinsatz nur der Speed abnimmt, dabei aber nichts an Energie in Höhe umgesetzt wird. Eben wie beim Landen. Ich suchte was leichtes für's reisen, und dafür kommt der XXLite wahrscheinlich nicht in Frage. Vor allem dann nicht, wenn man sich in unbekanntem Gelände bewegt. Da könnte es damit dann schnell mal eng werden. Trotzdem bin ich vom Konzept nach wie vor begeistert und staune, was so alles möglich ist.
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