Nicht bei allen Schirmen ist es ratsam, beim Beschleunigen die C-Gurte zu greifen.

Bei Zweileinern gehört es zum Standard, doch auch unter Piloten von Schirmen niedrigerer Klassen wird eine Technik immer beliebter: Das Steuern mit den hinteren Tragegurten anstatt der Bremsen, vor allem im beschleunigten Flug, aber auch beim Thermikfliegen. Durch das Herabziehen der C- oder D-Tragegurte soll sich der Anstellwinkel des Flügels korrigieren lassen, ohne allzu große Leistungseinbußen durch ein tieferes Herabziehen der Bremsen in Kauf zu nehmen. Doch diese Technik hat ihre Tücken. Bei manchen Schirmen stellt sie sogar ein echtes Sicherheitsrisiko dar, wie folgendes Youtube-Video eines heftigen Klappers samt Retterabgang zeigt. Die entscheidenden Szenen beginnen etwa bei Minute 4:50...



Das Video zeigt einen Piloten beim thermischen Soaring in St. Andre in Südfrankreich. Plötzlich klappt der Flügel beim Herausfallen aus der Thermik ein, schießt extrem weit vor, und der Pilot fällt beinahe ins Segel. Geistesgegenwärtig zieht er die Rettung und sitzt wenig später schon in den Bäumen. Überraschend dürfte für viele Betrachter sein, wie heftig hier ein Schirm aus einer niedrigen Klasse (vermutlich A oder low-B) reagiert. Doch dieses Verhalten hat vor allem mit dem unpassenden Einsatz der Tragegurtsteuerung zu tun! Denn diese ist nur dann sinnvoll, wenn der gezogene Tragegurt tatsächlich auch - wie die Bremse -  eine komplette Flügelhälfte erfasst. Doch das ist nicht bei allen Modellen gegeben.

Der Leinenplan eines Alpha 5. Die D-Ebene greift nur in der Schirmmitte,
aber nicht am Außenflügel. Wer nun seinen Schirm in bewegter Luft
durch Herabziehen der D-Gurte kontrollieren will, riskiert ein ungebremstes
Unterschneiden der Außenflügel. // Quelle: Advance, bearb.
Bei vielen modernen 4-Leiner-Gleitschirmen ist die D-Ebene nur in der Mitte des Schirmes aufgehängt, während am Außenflügel nur A, B, und C-Leinen an der Kappe greifen. Wenn man bei so einem Schirm nun hinten an der D-Ebene zieht, bremst man dadurch nur die Schirmmitte an, aber nicht die Ohren. Die "fliegen" deshalb schneller, weshalb sie auch schneller unterschneiden. So kann ein Klapper viel heftiger werden als er es täte, wenn man ihn ganz klassisch über die gesamte Spannweite mit der Bremse abfangen würde.

Das Video zeigt genau so einen Fall. Bei Minute 0:49 sieht man gut, dass die D-Ebene nur die Schirmmitte stützt, der Außenflügel hingegen allein über A+B+C angeleint ist. Kurz vor dem kapitalen Klapper versucht der Pilot ein Vorschießen abzufangen, indem er rechts stark an der D-Ebene zieht, links hingegen mit der Bremse arbeitet. Den Klapper kann er so nicht verhindern. Im Gegenteil: Der unangebremste rechte Außenflügel überholt beim Vorschießen den Rest des Schirmes. Entsprechend schräg steht dann der Flügel bei Minute 5:05 vor dem Piloten, und dieser "fliegt" seinem weit vorgeschossenen und seitlich abgedrehten Schirm und den entlasteten Leinen einfach nur noch entgegen - mit dem gezeigten Ausgang.

Beim Steuern mit den hinteren Tragegurten sollte man also schon wissen, was man tut, beziehungsweise genau schauen, ob das mit der Leinenanlenkung des Schirmes überhaupt sinnvoll zu realisieren ist.

Das gilt übrigens auch für 3-Leiner! Bei vielen 3-Leinern ist die C-Ebene am Tragegurt geteilt. Eine Schirmkontrolle über die C-Leinen ist nur dann effektiv und halbwegs sicher, wenn man mit jeder Hand jeweils die C1+C2 Gurte zugleich greift. Bei vielen Modellen sitzt der zweite C-Gurt, an dem der Außenflügel hängt, allerdings auf einem Durchläufer und lässt sich nur schwer packen und mitziehen. Wer nun meint, dann aus Bequemlichkeit halt nur den hinteren, die Schirmmitte tragenden C-Gurt zur Anstellwinkelkontrolle einsetzen zu wollen, läuft Gefahr, genau solches massives Vorschießen der Ohren bei Klappern zu kassieren.

Der UP Summit XC 3 ist z.B. so ein Fall, bei dem der äußere C-Tragegurt auf einem Durchläufer sitzt. Nicht von ungefähr rät UP-Designer Franta Pavlousek bei diesem Schirm auch von der C-Steuerung ab und sagt, der Schirm sei nicht dafür gebaut.

Tragegurt des AD Rise 2. Wer über die
C-Gurte steuern will, sollte immer
auf Höhe der Kugel greifen, um
auch den Durchläufer mitzuziehen.
// Quelle: Still aus Youtube-Video
Ein etwas anders gelagertes Beispiel ist der Rise 2 von Air Design. Dieser hat an seinen C-Tragegurten extra eine Kugel, um für die Tragegurtsteuerung eine Grifffläche zu bieten. Auch der Rise 2 hat die äußeren C-Leinen auf einem Durchläufer. Allerdings ist die Kugel so montiert, dass wenn man daran packt und zieht, auch das knapp darüber vernähte Durchläuferband mit herabgezogen wird. Aerodynamisch unsinnig und riskant wird hier die C-Steuerung erst, wenn ein Pilot nicht an der Kugel, sondern oberhalb davon an den Leinenschlössern des hinteren C-Gurtes greift und zieht. Denn dann bleibt wieder der Außenflügel unangebremst, wodurch mögliche Klapper einen entsprechend verschärften Charakter annehmen könnten!


Zusammengefasst ergibt sich darauf folgender Hinweis zur eigenen Sicherheit:

Die Steuerung über die hinteren Tragegurte ist nur dann sinnvoll einsetzbar im Flug, wenn der gezogene Gurt über die Leinen jeweils eine komplette Flügelhälfte anlenkt und nicht nur Teile davon. Bei Schirmen, bei denen das nicht gegeben oder möglich ist, sollte man auf eine Steuerung über die Tragegurte im Flug zur eigenen Sicherheit verzichten!

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