Zweileiner sind Gleitschirme, bei denen die Last des Piloten an der Kappe nur von zwei Leinenebenen getragen wird: A und B. Verbreitet ist diese Konstruktionsweise bisher nur bei Wettkampfschirmen, weil sie zwar Leistungsvorteile bringt, aber in der Regel auch mit einem anspruchsvolleren Klappverhalten einher geht. Vor allem bei großen Frontklappern über 50 Prozent Flächtentiefe bleibt kein von einer Leine gestützter Flügelteil mehr stehen. So ein Vorfall bei einem Zweileiner wird zwangsläufig zum "Totalzerstörer". Seit der Novellierung der EN-Flugtestnorm 926-2 im vergangenen Jahr sind aber genau solche 50-Prozent-Frontklapper im Rahmen der Tests vorgeschrieben. In der Folge gelten typische Zweileiner nun nicht mehr als zulassungsfähig gemäß EN. Es sei denn, man geht konstruktiv neue Wege.
Pure 2 schaffte die EN-Zulassung in der Klasse D, obwohl sein Kappenaufbau alle typischen Merkmale eines Zweileiners aufweist: Klassisches Zweileiner-Flügelprofil, stärker zurückversetzte A-Ebene, die B-Ebene etwa auf der Hälfte der Flügeltiefe. A- und B-Leinen tragen die gesamte Last des Piloten. Im Flug kann zudem der Anstellwinkel des Flügels durch ein Ziehen an den B-Tragegurten kontrolliert werden.
Am Tragegurt des Pure 2 ist auch eine zusätzliche C-Ebene zu finden. Deren Leinen sind im Normalflug aber unbelastet und haben nur eine Funktion: Im Fall bestimmter Flugzustände nach großen Klappern stützen sie die hinteren Flügelteile. "Mit der C-Stammleine kann ich die Frontklappertiefe gut dosieren und jegliche Tiefe erreichen, die die Norm erfordert", erklärt Stiglair. Er bezeichnet den Pure 2 als einen "Zweileiner mit drei Leinenebenen". Sollte sich diese Technik in der Praxis als vorteilhaft gegenüber klassischen Dreileiner-Wettkampfschirmen erweisen, sind vermutlich bald auch von anderen Herstellern ähnliche Lösungen zu erwarten.
Der Pure 2 kommt noch mit weiteren konstruktiven Kniffen daher. An den Stabilos sind Löcher im Segel, durch die Luft aus dem Inneren ausgeblasen wird. "Vortex Holes", nennt Airdesign dieses Feature im Marketing-Slang. Angeblich soll das Ausblasen der Luft die leistungsmindernden Randwirbel des Flügels entschärfen und so ein paar Zehntel mehr Gleitleistung bringen. Das zumindest sollen Tests gezeigt haben, so Stieglair, bei denen ein Prototyp auf einer Flügelseite mit, auf der anderen ohne Vortex Holes geflogen wurde.
Tatsächlich spürbar ist für die Piloten aber sicher ein anderer Effekt: Der Steuerdruck ist angenehmer und auch manche Klapper fallen harmloser aus, weil der durch die Sharknose erhöhte Innendruck des Flügels im Bedarfsfall auch mal schneller über die Ohren entweichen kann.
Marktnews
8 Kommentare
Das Konstruktionsprinzip ist nicht neu. Zum Beispiel haben Niviuks Icepeak 6 und Peak 3 zum Beispiel ebenfalls in der Galerie der B-Ebene Stützleinen an weiter nach hinten versetzte Aufhängungen, einer C-Ebene vergleichbar, die beim Icepeak im Normalflug unbelastet und beim Peak nur minimal belastet sind. Diese Konstruktion dient meines Wissens dem gleichen Zweck, der Entschärfung des Klappverhaltens speziell bei Frontklappern.
AntwortenLöschenBoris, die Konstruktion ist in der Form neu, dass die C-Leinen trotz 2-Leiner-Profil hier bis zum Tragegurt runtergeführt sind. Wenn bei den 2,5 Leinern wie dem IP6 die B-Ebene entlastet, geht auch vorübergehend die Stützwirkung der daran angebauten C-Gabel verloren. Deswegen hätten heute auch die 2,5-Leiner ein Problem bei der EN-Zulassung.
AntwortenLöschenNur das der größte Vorteil des Zweileiners weg ist: Keine direkte Kontrolle über den Anstellwinkel des Flügels. An der C-Ebene ziehen erhöht die Wölbung und versetzt das Wölbungsmax. nach hinten. Will man eine Stütze auf C kann man das auch wie beim Enzo 2 machen, da sind die Cs oben in der B eingeschlauft und im normalflug unbelastet.
AntwortenLöschenHey JP, Du hast da etwas falsch verstanden. Im Text steht: "Im Flug kann zudem der Anstellwinkel des Flügels durch ein Ziehen an den B-Tragegurten kontrolliert werden." Der Pure 2 hat am Tragegurt Schlaufen zur Steuerung, und zwar an den B, wie ein klassischer Zweileiner. So verändert sich auch nix an der Wölbung und der Vorteil des 2-Leiners bleibt erhalten.
AntwortenLöschenEs ist sicher ein interessanter Ansatz, auch wenn erst die Praxis zeigen wird, ob hier nicht die Nachteile eines Zweileiners mit denen eines Dreileiners kombiniert sind. Ich persönlich hätte keine Lust, an meinem Zweileiner eine dritte Ebene spazieren zu fliegen, die nur im Extremflugverhalten eine Rolle spielt. Der leistungsmindernde Widerstand ist ja trotzdem da. Da stellt sich mir die Frage, ob man dann nicht auf den Luxus der Anstellwinkelkontrolle via B verzichtet und der 3. Ebene lieber eine tragende Funktion gibt, was dem Extremflugverhalten sicher noch besser täte. Aber wie gesagt, der Ansatz ist neu (das hab ich jetzt verstanden ;-) und die Praxis wird zeigen, ob es Vorteile bringt.
AntwortenLöschenEine ganz andere Frage, Lucian: Wie kommst Du zu der Einschätzungen, reine Zweileiner wären in der D-Klasse nicht mehr unterzubringen? Der Post liest sich ja so, als ob durch die Novelle der EN Zweileiner per se nicht mehr zulassungsfähig sind? Sehen das die etablierten Hersteller solcher Schirme wie Ozone und Niviuk ebenso?
Boris, inwieweit der Pure 2 mit seinen 2-Leiner-Genen tatsächlich Vorteile gegenüber einem klassischen 3-Leiner bietet, kann ich nicht beurteilen. Das müssen die entsprechenden Piloten erkunden (ich fliege keine Wettkampfschirme).
AntwortenLöschenWas die zweite Frage betrifft: Durch die Verschärfung der EN-Norm müssen nun Frontklapper mindestens 50% Flächentiefe erreichen. Das ist mit klassischen 2-Leinern so gut wie nicht reproduzierbar zu machen. Nur ein bisschen zu viel gezogen, und es haut die ganze Kappe weg, mit teils kaum zu beherrschenden Folgen.
Theoretisch wäre es vielleicht möglich, einen 2-Leiner noch in EN-D zu bekommen, aber es wird extrem schwer. Entsprechend werden die wenigsten Hersteller Lust auf dieses Vabanque-Spiel haben. Wenn 2-Leiner, dann für die CCC, aber nicht als EN-D.
Hinzu kommt noch eine weitere Schwierigkeit: Es gibt kaum Testpiloten bei den Teststellen, die überhaupt noch gewillt sind, 2-Leiner gemäß EN (ohne Piloteneingriff) zu testen. V.a wenn es um die kleineren Größen geht, fehlt es einfach an erfahrenen Leuten, die sich das zutrauen.
Bei 3-Leinern (oder 2-Leiner mit Klapper-Stützebene á la Pure 2) entspannt sich die Lage schon ein bisschen.
Na sorry,
AntwortenLöschenich seh auf Deinen Bildern eine belastete C Ebene. Ich weiss wie ne ausgewehte C aussieht. Die Bs und Cs sitzen weit hinten, aber das kennen wir seit Boom6 und Icepeak dank der "Stäbchen" (Drähte).
Ziehe ich da an der B, entwölbe ich. Ziehe ich an B+C - ebenfalls. Ausserdem werden die Kräfte aufgrund des kurzen Hebelarms vermutlich recht hoch sein.
Und der Satz das die C-Stütze nicht funktionieren kann wenn die B entlastet.. oh man.
Aber was weiss ich schon.
Hey JP, vielleicht einfach mal live anschauen und testfliegen. Ein einzelnes Bild, von dem man nicht erkennt, in welchem Flugzustand es aufgenommen wurde (vielleicht beschleunigt?), würde ich nicht als Beleg für die eine oder andere Theorie heranziehen. Ich habe von AD die Auskunft, die C seien im Normalflug nicht belastet. Wie sehr der Pure 2 letztlich ein 2-Leiner-Feeling vermittelt bzw. dessen Steuercharakteristik hat, dürfen andere beurteilen. Ich bin noch keinen Zweileiner geflogen.
AntwortenLöschenIch habe übrigens nicht geschrieben, dass eine C-Stütze nicht funktionieren kann, sondern: "geht auch vorübergehend die Stützwirkung der daran angebauten C-Gabel verloren." Die Feinheit ist das Wörtchen vorübergehend. Denn bei einem massiven Entlaster auf B muss erst einmal der Winkel der C-Gabel herausgezogen werden, bis das Gewicht dann greift.
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