Robert Blum in 4200 Meter über dem Hohen Atlas in Marokko. // Foto: R. Blum |
Die Route entlang der Südflanke des Hohen Atlas. // Quelle: R. Blum, Google |
Robert: Die Idee, mal eine 'gscheide' Tour zu machen, geisterte schon länger in meinem Kopf herum. Als ich Boxis Tour durch das Pamir sah, hab ich nach Gebirgen gesucht die ein ähnliches Vorhaben ermöglichen. Dann habe ich den Film von zwei französichen Piloten gesehen, die über den Hohen Atlas in Marokko geflogen sind. Da war mir klar, da will ich auch hin.
Irgendwann stand auch der Termin im Frühjahr 2015 fest. Habt ihr in den Wochen davor in irgendeiner Weise besonders trainiert?
Robert: Klar, den ganzen Winter haben wir Ausrüstung speziell auf Gewicht optimiert und auf Tauglichkeit geprüft. Schirme und speziell Gurtzeuge getestet. Wie, wo alles unterzubringen ist. Ich war dann über Weihnachten in Nepal und wollte dort alles schon mal testen. Aber nach sechs Tagen bin ich höhenkrank geworden, und es wurde für mich sehr schnell sehr ernst, da ich alleine unterwegs war. Ausrüstungstechnisch habe ich dort aber sehr viel dazu gelernt und für den Atlas umsetzten können. Andi und ich haben auch noch bei uns im Allgäu getestet. Wir haben biwakiert, getragen, gepackt, gewogen, Kalorien auf den Essenspackungen verglichen. Tausend Kleinigkeiten halt.
Robert Blum und Andi Egger beim Biwak auf 3200 Meter. // Foto: R. Blum |
Robert: Ein schwieriges Thema. Wenn du bewusst etwas anfliegen kannst, dann teilst du dir das ganze ein. Wind, Höhe, Windrichtung, undsoweiter. Dann ist es eine fast normale Landung, auch wenn der Untergrund mal gröber ist. Wir haben inzwischen eine große Erfahrung und Routine im Einlanden am Berg, da wir das auch schon oft im Allgäu machen. Problematisch war es während der Tour nur wirklich zwei Mal. Eine Landung auf der Leeseite im großen Geröllblockfeld und einmal, als der Wind zu stark war und wir nicht mehr voran kamen und wegen des starken Windes nur im Lee landen konnten - im Luv war es einfach nicht möglich. Raus fliegen in die Ebene oder zum Talgrund hätte langes Laufen in unwegsamen Gelände bedeutet.
Welchen Teil des Abenteuers hast Du vom Risiko am stärksten unterschätzt, was würdest Du da heute im Rückblick anders machen?
Robert: Unterschätzt habe ich den Wind. Je weiter wir ins Land kamen, desto stärker wurde er, und das oft so plötzlich und heftig, dass es kein Spaß mehr war. Da blieb uns nur schnell auf einem Berg oben einzulanden, den Nachmittag abzuwarten um dann am Abend noch ein paar Kilometer zu machen. Genau diese Abendflüge waren aber die Entschädigung für das risikoreiche Fliegen am Vormittag. Soft und hoch, zwischen 4000 und 5000 Meter. Sicht vom Meer bis in die Sahara hinein. Das ist einfach unbeschreiblich. Es waren die schönsten Flüge meiner 28-jährigen Flugzeit.
Anders machen würde ich, mmh, nichts. Wir haben gelernt mit dem Risiko umzugehen und haben alles richtig gemacht, auch wenn es oft einfach nur Glück war. Einen Punkt gibt es aber vielleicht doch: Ich würde einen dickeren Schlafsack mitnehmen.
Ihr seid an einem Tag bis über 5000 Meter hoch geflogen, ohne extra Sauerstoff. Bei der Landung ist vor allem der Andi im Film völlig euphorisch, was man auch auf Sauerstoffmangel zurückführen könnte. Wie hast Du das erlebt?
Robert: (lacht) Sauerstoffmangel? Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Nein, das war bestimmt kein Sauerstoffmangel! Wir hatten fliegerisch ein paar schwierige Tage hinter uns und dann auch noch den ganzen Tag mit Warten auf dem Berg verbracht, weil der Wind so stürmte. Als wir uns nach 16 Uhr hinaus wagten, ging es innerhalb von ein paar Minuten auf über 5000 Meter. Wir waren über der Inversionsschicht, über den höchsten Bergen des Atlas'. Es war einfach ein grandioser Flug - der erste, von noch ein paar weiteren, unglaublichen Flügen. Wir waren auch so happy, weil wir nicht hochlaufen mussten, sondern oben waren auf 3000 Meter. Dazu hatten wir noch Schnee - zum Landen, zum Starten und zum Trinken!
"Zusammen bleiben ist alles." // Foto: R. Blum |
Robert: Ja, genau. Wir haben versucht, in der Luft möglichst immer in Rufweite zu bleiben. Funk hatten wir nur für den Notfall dabei, und so haben wir uns mit Handzeichen, Schulterzucken und Rufen während des Fliegens verständigt. Außerdem gab es ein Abkommen: Wenn einer von uns landen muss, geht der andere auch runter. Egal wo oder wie weit weg. Zusammen bleiben ist alles.
Hattet ihr in den Bergen noch Handyempfang, konntet ihr irgendwie Wetter checken oder von einem Supporter zu Hause noch Tipps bekommen? Oder wart ihr von der Außenwelt quasi abgeschnitten – bis auf die Ortung per Spot?
Robert: Unsere einzige Sicherheit war der Spot. Wir hatten Freunde informiert, dass sie uns im Web verfolgen sollten. Ich hatte einen Notfallplan erstellt mit Telefonnummern und to-do-Listen, wenn der Spot einen Hilferuf senden würde. Handyempfang hatten wir ein paar Mal, aber Wetterbericht abrufen brauchten wir nicht. Wir waren ja schon unterwegs und mussten es eh so nehmen wie es war.
Wie habt ihr in den wilden, unbekannten Bergen die Orientierung behalten und die passenden Linien gefunden?
Robert: Ich hatte mir als Orientierung alle 50 Kilometer einen Wegpunkt ins Skytraxx geladen. Das Ziel war, jeden Tag mindestens 50 Kilometer zu fliegen, was am Anfang sehr schwierig war und dann aber immer besser wurde. Es gab auch einen Tag mit nur 20 Kilometer! Das frustet schon. Dann fängst Du an zu rechnen: Morgen musst du dafür..., und dann fliegt es wieder nur 35 Kilometer am nächsten Tag. Zuhause hatte ich mir noch gedacht, wir alten Hasen, 50 Kilometer, das sollte doch funktionieren! Fliegerisch war es aber sehr schwierig, eine Linie durch die Berge zu finden. Du fliegst an einer Bergkette entlang, und dann wird sie aber immer niedriger. Ein paar Mal hatten wir das Pech, in so eine Situation zu kommen.
Was ist der 'eine' besondere Moment oder das 'eine' prägende Bild, das sich von diesem Abenteuer in deiner Seele eingebrannt hat?
Robert: Zwei Piloten, Flügel an Flügel, über dem kargen Hochplateau im Abendlicht. Wir gleiten und gleiten und gleiten ohne zu sinken, da der Untergrund die ganze Wärme loslöst. Und Andi und ich sind uns einig, ohne etwas zu sagen: Bitte, bitte, bloß nicht hier landen.
Das 40-minütige Video X-Atlas Wildside von Robert Blum auf Youtube:
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2 comments
Tolle Tour, gutes Interview - das inspiriert und macht Lust. Danke an Robert & Lucian.
AntwortenLöschenTill
Sehr authentisch! Toll.
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