Selbst CCC-Schirme fliegen real langsamer als auf dem Papier. // Foto: Xevi Bonet, bearbeitet |
Diese Daten hat das britische Magazin Cross Country veröffentlicht (der Text erschien ursprünglich in der August-Ausgabe des Heftes, ist jetzt aber online frei zugänglich). Sie basieren auf realen Messungen mit einer kalibrierten Staudrucksonde von Flymaster. Und: Sie lassen die Geschwindigkeitsangaben von Gleitschirmherstellern leidlich übertrieben erscheinen.
Noch ein interessanter Fakt: Der Trimm-Speed der meisten Gleitschirme liegt laut Cross Country in der Regel nur bei 34-35 km/h, selbst bei schnellen Wettbewerbsschirmen. Zum Vergleich: In den technischen Angaben der Hersteller ist üblicherweise eine Trimm-Geschwindigkeit von 38 oder 39 km/h ausgewiesen.
Von IAS und TAS
Woher kommen diese Diskrepanzen? Es ist eine Frage der Messmethode. Die Staudrucksonde von Flymaster liefert die sogenannte Indicated Air Speed (IAS) des Gleitschirms gegenüber der Luft. Die Geschwindigkeit wird dabei anhand des Vergleiches bzw. der Differenz des real gemessenen statischen Luftdrucks und mit dem am Staudruckrohr anliegenden, durch die Fortbewegung erhöhten Stau-Luftdruck ermittelt. Dieses Verhältnis bleibt bei einer definierten Geschwindigkeit in allen Höhenschichten (und bei den mit dem Gleitschirm erfliegbaren, relativ geringen Geschwindigkeiten) weitgehend gleich. Das heißt, ein IAS-Sensor liefert stets dieselben Werte, egal ob er auf Meereshöhe oder in 2000 Meter Höhe misst. So werden Messungen vergleichbar.
Tatsächlich bewegt sich ein Gleitschirm in dünnerer Höhenluft natürlich schneller fort. In der Luftfahrt wird deshalb als höhenkompensierter Wert die sogenannte True Air Speed (TAS) angegeben. Etwas vereinfacht kann man die TAS aus der IAS errechnen, indem man pro 300 Meter (1000 Fuß) an Höhe rund 2 Prozent auf den IAS-Wert aufschlägt. Ein Gleitschirm, der eine IAS von 35 km/h besitzt, wird demnach auf 2000 m MSL mit einer TAS von über 39 km/h dahingleiten. Auf 3000 Meter Höhe werden es schon 42 km/h TAS sein, usw.
Interessanterweise geben die Gleitschirmhersteller die TAS an (die bei Windstille am ehesten mit einer per GPS ermittelten Groundspeed-Messung übereinstimmt). Allerdings macht keine der Marken irgendwelche Angaben dazu, auf welche Flughöhe sich die jeweilige Geschwindigkeitsangabe eigentlich bezieht. Allein anhand der Datenblätter ist es deshalb unmöglich, den Speed verschiedener Schirmmodelle miteinander zu vergleichen - schon gar nicht, wenn es sich um Modelle unterschiedlicher Hersteller handelt.
Überlieferte Referenz
In der Praxis machen die Hersteller häufig sogar keine echten Instrumentenmessungen. Vielmehr fliegen sie Vergleiche mit Referenzschirmen. Das können Schirme aus dem eigenen Hause sein oder Schirme von Konkurrenten. Und wenn dieser für seinen EN-B halt einen Trimm-Speed von 39 km/h angibt, und das eigene Modell im Vergleich Pi mal Daumen genauso schnell unterwegs ist, stehen halt am Ende auch diese 39 km/h im Katalog. So entstehen Legenden.
Eine Abhilfe könnte so aussehen: Die Hersteller vereinbaren untereinander, zum Beispiel innerhalb der PMA, künftig auf real und mit einheitlicher Technik gemessene und deshalb vergleichbare IAS-Werte zu setzen und diese zu veröffentlichen. Doch das ist kaum zu erwarten. Die Ernüchterung - auch bei den Piloten - wäre wohl zu groß, wenn die ach so schnellen Sicheln mit einem Mal nur noch als deutlich langsamere Geräte in den Büchern stünden.
So wird es vermutlich auch in Zukunft beim Schmu mit der Geschwindigkeit bleiben. Und wer sich selbst einmal überzeugen will, einen richtig schnellen Schirm zu fliegen, der muss einfach nur hoch genug damit aufdrehen.
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6 Kommentare
Stimmt. Das sehe ich beim gleiten auch jedesmal. In Namibia gings aber auf 5000m auch entsprechend geil vorwärts.
AntwortenLöschenIch bin gespannt, wenn die Gleitzahl mal realistisch nachgemessen wird.
Meine Gleitzahl ist meisten unter 10 in ruhiger Luft. Auch wenn manche Hersteller gerne mit GZ>=10 schon beim EN-B vor Jahren geworben haben. Es hat keinen gestört, aber den Verkauf angekurbelt.
Ich behaupte, das man an der Gleitzahlangabe mehr über die Seriosität des Herstellers erfährt, als über die Leistung des Schirmes.
Liebe Grüße, Armin
Zur Trim-Speed: Vielleicht will man auch einfach gar nicht mehr davon? Sonst dreht man irgendwann nur noch Mondkreise. Gleitschirme kurbeln nicht ohne Grund alle anderen Thermikfluggeräte aus.
AntwortenLöschenDas wäre doch mal eine gute Aufgabe für Guido Reusch hier "validierte" und "kalibrierte" objektive Messverfahren einzuführen und für etwas mehr Glaubwürdigkeit zu sorgen. Ganz ohne Feindbilder. Im eigenen Laden.
AntwortenLöschenWenn die EAPR oder der DHV Gleitzahlen messen und veröffentlichen würden, egal wie gut sie das machen, würde sofort ein Lagerkampf der Fans verschiedener Markten gegeneinander ausbrechen.
AntwortenLöschenDabei würde ich auch zu gerne wissen, wie die Polaren verschiedener Schirme denn nun aussehen. Wie das ist, wenn mit 15 / 30 / 45cm Bremse geflogen wird, bzw. beschleunigt.
Interessant wäre nun mal ein Vergleich mit A / 1er Schirmen. Mein Mojito HY fliegt, als Bergschirm, so nach meinen GPS-Messungen 37 - 40 und ist mit 40 - 46 angegeben.
AntwortenLöschenAlso 6 km/h mehr aus dem Beschleuniger hole ich wohl nicht. (Liegt natürlich an mir!)
Und die angegebene Endgeschwindigkeit erreiche ich auch nicht.
Liegen die höher klassifizierten dann auch so um die 10% unter den Angaben, dann ist der Unterschied ja wieder gleich - und damit irgendwie vergleichbar.
Am besten finde ich "Michaels" Vorschlag. Da sollte sich doch ein Interview mit Guido Reusch anbieten, was der so davon hält... Hihihi!
Gleitschirm = Luftbojen
AntwortenLöschenIn den letzten Jahren wird extrem an Gleitzahlen und Geschwindigkeit in dem beschriebenen schwammigen Bereich geworben und geschraubt. Aber geht es überhaupt um genaue Messwerte?... zumal diese dann auch mit genau beschriebenen Gewichtsbereichen gemessen werden sollten.... ;-) Dazu gibt es keine Angaben. Z.B. max. Geschwindigkeit im mittleren Gewichtsbereich. In welcher Höhe?
Seit Beginn der Gleitschirmfliegerei bauen Hersteller keine Gleitschirme sondern Gleit- und Geschwindigkeitswaffen "für Anfänger und Urlaubsflieger".
Dabei sollte der Pilot doch besser sein Können messen und bewerten,
anstatt die Bojengeschwindigkeit auf die Millisekunde zu kennen.
Was für ein Schmu...eine Saftyklasse mit ungenauer max. Geschwindigkeit.... ;-)
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