Beim Einflug ins Zillertal wird Sebastian Barthmes von einer deutlichen Inversion empfangen. Der Flug war dann schneller vorbei als der Tag. // Foto: S. Barthmes |
Bei den passenden Bedingungen schon. Die wollen halt nur erkannt werden. Sebastian Barthmes aus München hat das getan. Er war aber doch etwas überrascht, wie gut es ging, erzählt er im Interview mit Lu-Glidz. Der Track des Fluges ist im XC-DHV zu finden. Es lohnt sich dort auch die Original-Flugbeschreibung von Sebastian in den Kommentaren nachzulesen.
Sebastian Barthmes nach seiner Landung im Zillertal. // Foto: S. Barthmes |
Sebastian: Die Route habe ich Donnerstagabend spontan geplant, als sich die Wetterlage ankündigte. Eigentlich war sie als Mehr-Etappenflug gedacht, im Team mit Sebastian Kummer. Das Ziel war Kufstein. Nachdem der Saharastaub mit seinem Dunst uns dann unverhofft den Freitag vermiest hat, haben wir einfach versucht am Samstag so weit wie möglich zu kommen. Mein Plan ist so gut aufgegangen, dass ich über das Etappenziel Bruneck hinaus noch über den Hauptkamm springen konnte.
Ist Sebastian Kummer die gleiche Strecke geflogen, oder habt ihr euch zwischendrin verloren?
Sebastian: Wir haben uns bei Feltre leider verloren und sind ab da getrennt geflogen. Sebastian Kummer ist an dem Tag mit Zwischenlandungen aber ebenfalls noch bis ins Arntal gekommen. Er hat noch den Sonntag als Hike-and-Fly-Tag angehängt und hat sich dann von Bruneck aus auf den Rückweg gemacht.
Bei solchen One-Way-Flügen ist immer das Problem der Hin- oder Rückfahrt. Habt ihr jetzt ein Auto in Bassano stehen?
Sebastian: Nein. Der eigentliche Auslöser für die Idee war, dass eine Gruppe von bekannten Fliegerinnen als Fahrgemeinschaft mit mehreren Autos sowieso in Bassano war. Da war es kein Problem, dass sie das Auto einfach zurück nach München mitnahmen. So war die Logistik von Anfang an geklärt.
Der Flug lief besser als geplant. Hattest Du auch Baustellen?
Sebastian: Einige Stellen, zum Beispiel nach der Querung bei Feltre, waren knifflig und technisch anspruchsvoll. Wirklich Zeit verloren habe ich allerdings nirgends. Im Gegenteil. Ich bin deutlich schneller vorangekommen als geplant.
Gute Flugbedingungen in den Dolomiten. // Foto: S. Barthmes |
Sebastian: Die Gegend zwischen Bassano und dem Kreuzkofel - das ist der südliche Wendepunkt der großen Pustertaldreiecke - kannte ich noch nicht. Ich fliege aber grundsätzlich nie nach GPS sondern präge mir die Gegend und die Route mit Google Earth detailliert ein. Diesen Plan gehe ich mental immer wieder durch. So hatte ich keinerlei Orientierungsschwierigkeiten.
Warst Du dir sicher es über den Alpenhauptkamm zu schaffen?
Sebastian: Ich war mir sicher, dass ich drüber komme. Nicht so sicher war ich mir über die Windbedingungen dahinter. Daher bin ich vorsichtig an den Kamm heran gesoart, um zu erfühlen, ob ich mir das zutrauen kann. Vom höchsten Punkt, dem Großen Löffler, bin ich dann zuerst dem Nordgrat gefolgt, um möglichen Fallwinden hinter dem Grat möglichst aus dem Weg zu gehen. Trotzdem war es eine Zeit lang turbulent und leeig, aber für mich gut handelbar.
Im Zillertal empfing Dich eine fette Inversion. Wie enttäuscht ist man, wenn man in so eine Suppe sinkt?
Sebastian: Für mich war das realistische Tagesziel Bruneck, das erträumte Tagesziel Mayrhofen im Zillertal. Dass ich so früh dran war und noch weiter ins Zillertal hinein gleiten konnte, war also eher ein Privileg als eine Enttäuschung. Sicher hätte ich ohne die Inversion noch ein bis zwei Stunden fliegen können. Aber so war es an dem Tag nun mal.
Eine Direttissima-Route quer durch die Alpen. // Quelle: Xcontest.org |
Sebastian: Ich halte die Route prinzipiell für gut fliegbar, wenn die Bedingungen passen. Allerdings ist das definitiv nichts für Streckenflug-Anfänger. An diesem Tag kam der vor allem zwischen Alleghe und Bruneck straffe Südwind dazu. Der machte einige Stellen wegen Turbulenzen und Lee-Situationen technisch schwierig. Aber anders als im Klettersport ist es bei uns ja meistens so, dass nicht unbedingt die Route, sondern eher die Bedingungen, bei der sie geflogen wird, die Schwierigkeit ausmacht.
Sollte es im XC-DHV eine Sonderwertung für solche Kreativrouten geben?
Sebastian: Nein, ich denke man sollte eine klare Linie zwischen Sport-Streckenfliegen und Streckenflugabenteuern ziehen. Man sollte beides nicht miteinander vergleichen. Jede Disziplin hat ihren eigenen Reiz, wobei Abenteuer nicht durch Wertungen und Punkte eingeordnet werden können. Hier zählt eher der Bericht, das Teilen der Erlebnisse und die Inspiration, die man dadurch anderen weiter geben kann.
Was ist für Dich die überraschendste Erkenntnis aus diesen Flug?
Sebastian: Wenn man etwas plant und der Plan genau so aufgeht, ist es eigentlich schwierig, von Überraschungen zu sprechen. Allerdings war ich überwältigt von der Schönheit der Natur nach dem Sprung über den Kamm von Feltre in die Dolos. Was für ein Kontrast! Die Fotos können das nicht wirklich einfangen. Der Flug war landschaftlich sehr viel eindrucksvoller als ich ihn mir vorgestellt hatte.
Was ist Dein nächster großer Fliegertraum?
Sebastian: Für mich sind alle Streckenflugerlebnisse der letzten Jahre ein einziger schöner Traum. Ich entdecke immer wieder neues und unerwartetes und habe die Alpen ja noch lange nicht ganz kennengelernt! Abgesehen davon habe ich sportliche Ziele. Die Streckenflugmeisterschaft zu gewinnen, wäre eine tolle Sache!
Da wünsche ich Dir viel Glück und Erfolg.
Terminhinweis: Wie es der Zufall so will, gibt Sebastian Barthmes am kommenden Freitag, 31.3. um 19 Uhr, ein Streckenflugseminar beim Drachen- und Gleitschirmfliegerclub Friedrichshafen. Dort wird er über Strategien zum Streckenfliegen in den Alpen erzählen. Der Vortrag richtet sich explizit auch an fortgeschrittene Streckenflugpiloten. Nichtmitglieder des Clubs sind willkommen.
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1 Kommentare
Um die Ehre der Berg- und Klettersportler zu retten: Eine harmlose Route kann je nach Verhältnissen auch ein deutlich anspruchsvolleres Gesicht zeigen (heiß, kalt, nass, Winterbegehung...). Ist also alles andere als "bedingungsunabhängig" ;)
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