Chrigel Maurer gewinnt zum 5. Mal in Folge die X-Alps. Der Zweitplatzierte Benoit Outters fliegt sogar bis ins Ziel. Den anderen bleibt bis Freitagvormittag Zeit, um Monaco zu erreichen.
So sehen Sieger aus, fertig aber glücklich: Der Zweitplatzierte Benoit Outters
und X-Alps-Champion Chrigel Maurer. // Quelle: Redbull / Zoom / Ulrich Grill 

Es waren quälende 16 Kilometer für Chrigel Maurer von seinem letzten Landepunkt am Strand bei Ventimiglia hinauf zum Gipfel des Peille, dem offiziellen Zielpunkt der Redbull X-Alps. Das entzündete rechte Knie schmerzte und die Anstrengung von elf Tagen Rennen steckten in den Muskeln und Knochen. Doch die Zuversicht, auch seine fünfte X-Alps in Folge zu gewinnen, trieb in vorwärts. 10 Tage, 23 Stunden und 23 Minuten nach dem Start war er am Ziel seiner Träume.

Dort konnte er dann entspannt beobachten, wie nur 1,5 Stunden später sein französischer Verfolger Benoit Outters sogar das Kunststück vollbrachte, den letzten Turnpoint fliegend zu erreichen. Der abschließende Flug zum Floß (dieses Jahr am Strand) wurde für den Donnerstag Abend angesetzt. Chrigels Touchdown erfolgte genau um 19 Uhr. Dem Reglement zufolge bleiben den weiteren Verfolgern bezogen auf Chrigels Ankunft in Peille noch 24 Stunden, um es selbst noch bis Monaco zu schaffen (zu verfolgen im Livetracking). Offiziell geht das Rennen jetzt um 10.53 Uhr am Freitagvormittag zu Ende.

Die X-Alps 2017 waren mit 1138 km Strecke die längsten der X-Alps-Geschichte, beinhalteten die meisten Querungen des Alpenhauptkammes und waren dafür nur selten mit wirklich guten Flugbedingungen gesegnet. Doch am Ende lautete Chrigels Urteil: "Es waren eigentlich ganz durchschnittliche X-Alps." Diese Aussage bezog er auf seine Rechnung, dass die guten Piloten bei allen früheren X-Alps typischerweise 100 km pro Tag zurücklegten (bezogen auf die direkte Linie über die Turnpoints), was so auch 2017 in etwa aufging.

Allerdings ist Chrigel nicht einfach nur ein "guter" Pilot. Mit seinem 5. Triumph hat er einmal mehr sein Ausnahmetalent bewiesen und seinen Platz in den Annalen der Gleitschirmgeschichte gesichert.


Die Unantastbarkeit ist dahin
Dennoch zeigte der Verlauf und der Ausgang des Rennens auch: Unantastbar oder uneinholbar ist der Adler vom Adelboden nicht (mehr). Sein Vorsprung war nie wirklich komfortabel, zwischenzeitlich lag sogar der Franzose Gaspard Petiot kurze Zeit vorn. Dass dieser bei einer Landung von einer Böe erfasst und gegen eine Mauer geschleudert wurde, wobei er sich das Handgelenk brach und ausschied, war nicht nur für Petiot selbst, sondern für den Rennverlauf allgemein tragisch. Denn einen so furios fliegenden Verfolger, der für Spannung sorgte, hatte Chrigel in den Vorjahren nie so dicht im Nacken.

Vielleicht gehört die Zukunft der X-Alps ja auch Nachwuchstalenten wie dem Zweitplatzierten Benoit Outters. Der Franzose ging als Rookie und mit erst fünf Jahren Flugerfahrung ins Rennen. Aber als erfolgreicher Triathlet, Ultramarathonläufer, Bergführer und Südalpen-Streckenflieger vereinigt er alles, was ein guter X-Alps-Athlet braucht.

Was bleibt sonst von den X-Alps 2017 in Erinnerung? Bilder von sagenhaften Landemanövern von Paul Guschlbauer oder Benoit Outters zum Beispiel (die Links führen zu den Videos). Verpixelte Bilder der Facebook-Live-Videos, welche viele Piloten und Supporter immer wieder einspielten, sogar aus der Luft. Sie sorgten für große Nähe zu den und viel Sympathie für die Athleten und ermöglichten Einblicke in die jeweiligen Taktiken.

Beeindruckend die stets eigenwillige und solitäre, aber im Rückblick dennoch sehr effiziente Linienwahl des Neuseeländers Nick Neynens (bestes Verhältnis von Flug- zu Laufstrecke aller Teilnehmer). Auf der anderen Seite war die häufige Pulkfliegerei des Verfolgerfeldes um Pal Takats, Manuel Nübel, Pascal Purin, Stanislav Mayer und Ferdi van Schelven ein Augenschmaus im Livetracking.

Nicht zu übersehen: Die Supporterteams werden immer professioneller. Viele Teams reisten mit größerem Gefolge, hatten externe Berater für Wetter- und Routing-Fragen und brachten für die Piloten auf manchen Strecken sogar einen zweiten, erfahrenen Flügelmann als Vor- und Begleitflieger an den Start.


Die X-Alps und die Zukunft
Die Frage ist nun, wie die Veranstalter die X-Alps für eine zu erwartende nächste Ausgabe 2019 weiterentwickeln könnten? Noch länger und potenziell lauf-intensiver sollte die Strecke kaum werden. Schon jetzt kamen viele Athleten, trotz durchtrainierter Körper, hart an ihre Grenzen. Diverse Ausfälle mit Knie- und Knöchelbeschwerden (Aaron Durogati, Stephan Gruber, Krischa Berlinger, David Liano Gonzalez) oder schlicht Erschöpfung (Manuel Nübel) zeugen von der Härte des Rennens. Optionen wie der Nightpass wurden selten intensiv genutzt und brachten den Piloten kaum Vorteile. Der Schlafmangel forderte später seinen Tribut.

Vielleicht wäre es an der Zeit, auch bei den X-Alps zur Sicherheit der Piloten wie in anderen großen Wettbewerben nach fünf Renntagen einen obligatorischen Ruhetag einzuführen.

Interessant wird auch zu beobachten, welche neuen Impulse die X-Alps 2017 wiederum für die Gleitschirmszene allgemein liefern werden. Dass immer mehr große XC-Strecken mit Alpenüberquerungen geplant und geflogen werden, ist ja in diesem Jahr schon manifest.

Technisch auffällig war der Trend zu mehr Zellen, mehr Streckung und somit mehr Leistung bei den X-Alps-Schirmen. Die vorderen Plätze blieben aber (noch?) den Dreileinern vergönnt. Neues war auch bei den verwendeten Rucksäcken zu sehen, von denen viele aus extrem leichtem, halbtransparenten, wasserdichtem und hochfestem Cuben bestanden. Wird dieser Stoff demnächst als Außengewebe für handelsübliche Hike&Fly-Rucksäcke den Markt erobern? Und was ist mit den extra breiten oder auch geteilten Schultergurten, die bei manchen Teilnehmern zu sehen waren? Haben sie sich zur besseren Lastverteilung bewährt?


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