Der Aufstieg einer Thermikblase wird nicht allein vom Temperaturunterschied zur umgebenden Luft bestimmt. Ein Einblick in die Feinheiten der Thermiklehre.
Ein thermischer Tag an der Mosel. Für den Aufstieg der Blasen sorgt nicht nur die Temperaturdifferenz zur umgebenden Luft, sondern auch die enthaltene Feuchtigkeit, die dann als Wolken sichtbar wird. // (c) Lu-Glidz
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In der klassischen Thermiklehre sind die Dinge einfach. Da werden Thermikblasen in der Luft so beschrieben, dass ihre Temperatur höher ist als die Temperatur der umgebenden Luft. Durch diesen Temperaturvorsprung hat die Luft eine geringere Dichte. Sie ist deshalb leichter und bestrebt aufzusteigen, wobei sie sich langsam abkühlt. Dieser Aufstieg hält so lange an, bis die Temperatur der Umgebungsluft – nun in größerer Höhe – sich nicht mehr von der Temperatur der Thermikblase unterscheidet. So fein, so logisch, so simpel. Und doch ist dies nur ein Teil dessen, was den Aufstieg einer Thermikblase tatsächlich ausmacht.

Es gibt noch einen zweiten Faktor, der die Dichte der Luft mit bestimmt: die Feuchtigkeit. Je mehr Wassergas in einer Luftmasse enthalten ist, desto geringer wird deren Dichte. Das liegt daran, dass Wasser mit seinen zwei kleinen Wasserstoffatomen eine geringere molekulare Masse besitzt als die anderen Luftgase. Eine feuchtere Menge Luft neben einer trockenen wird deshalb selbst bei identischer Temperatur dazu tendieren, nach oben zu steigen. Eben weil sie leichter ist. Neben dem Temperaturunterschied hat also auch der Feuchtegradient einen Einfluss darauf, ob, wie hoch und wie schnell eine Blase steigt.

Ein dritter Faktor, der den Thermikaufstieg mit beeinflusst, ist das Volumen einer Thermikblase. Es gilt das Archimedische Prinzip, wonach ein Körper in einem fluiden Medium (dazu zählt auch Luft) einen Auftrieb erfährt, der der Gewichtskraft des verdrängten Mediums entspricht. Je größer eine Thermikblase ist, desto mehr der dichteren und somit schwereren Umgebungsluft wird durch sie „verdrängt“, und desto stärker wird sie dann selbst nach oben gepusht. Eine große, voluminöse Thermikblase steigt deshalb schneller als eine kleinere, auch wenn diese die gleiche Temperatur und Feuchtigkeit besitzt.

Wichtig zu wissen: Der Volumeneffekt zeigt sich erst in größerer Höhe. Denn große Blasen brauchen wegen der Massenträgheit eine gewisse Anlaufstrecke, um in Schwung zu kommen. In Bodennähe steigen typischerweise die kleineren Blasen erst einmal etwas schneller. Doch dieses Verhältnis kehrt sich bald um.

In der Entstehung und dem Leben einer Thermikblase spielen diese drei Faktoren nicht immer eine gleich starke Rolle. Vereinfacht kann man sagen: Die Temperatur ist vor allem für den Start und den ersten Aufstieg der Thermik wichtig. Die Feuchtigkeit wird typischerweise erst mit deutlichem Bodenabstand für das Steigen prägend. Und das Volumen ist vor allem für die Aufstiegshöhe und die relative Thermikstärke mitentscheidend. Nehmen wir im Folgenden die einzelnen Phasen und Einflüsse ein wenig auseinander.

Der Aufstieg einer Thermik ist in Bodennähe vor allem noch temperaturgetrieben. In der trockeneren Höhenluft (großer Abstand zwischen Temperatur- und Taupunktkurve links) gewinnt die Feuchtigkeit in der Thermikblase als Auftriebshilfe an Bedeutung. Durch den Volumeneffekt hat die Blase dort auch eine große Ausdehnung.
In diesem Bereich wird sie typischerweise am stärksten Steigen. // (c) Lu-Glidz

Um die Dinge nicht unnötig kompliziert zu machen, gehe ich in diesem Text nicht auf die Einflüsse der Temperaturschichtung der Luft ein. Diese spielt als äußerer Faktor natürlich eine große Rolle für die Thermikqualität. Doch hier soll es allein um die inneren Werte gehen, die für eine Thermikblase prägend sind. Wer den Einfluss von Temperatur, Feuchtigkeit und Thermikvolumen verstanden hat, kann anschließend als Gedankenexperiment durchspielen, wie sich eine eher labile oder eher stabile Schichtung der Luft auf das Auftriebsverhalten der Thermikblase in verschiedenen Höhen auswirken wird.


Ein zäher Start
Die überhitze Luft am Boden (überadiabatische Schicht) ist
zäh wie Honig. Thermik entsteht erst, wenn sich einzelne Blasen
davon abschnüren. Kleine Blasen steigen anfangs wegen geringer
Massenträgheit schneller, verlieren aber mangels Volumen und durch
 Erosion (Entrainment) bald an Aufstiegskraft. Größere Blasen
starten gemächlich, können dann aber umso
nachhaltiger bis zur Basis steigen. // (c) Lu-Glidz
Luft ist zwar ein Gas, besitzt aber dennoch Eigenschaften, die ein wenig an Honig erinnern: Von einer Oberfläche tropft sie nur zäh ab. Scheint die Sonne kräftig auf den Boden, erwärmt sie diesen. Der Boden dient dann als Heizplatte für die darüber liegende Luft. So kann sich schnell ein größerer Temperaturunterschied einstellen. Einen Meter über dem thermikträchtigen Untergrund ist die Luft rund ein, zwei Grad wärmer als nur zehn Meter darüber. Doch trotz dieser großen Temperaturdifferenz auf kurzer Distanz – Meteorologen sprechen von einer Überadiabate – bricht sich die überhitzte Luft nicht gleich als Thermik ihre Bahn. Sie klebt weiter am Untergrund. Erst wenn eine ausreichend dicke Luftschicht deutlich wärmer und damit leichter als die darüber liegende Luft geworden ist, kann sich eine Thermikblase daraus lösen

Für die Auslöse einer Thermik ist vor allem die Temperatur entscheidend. Feuchtigkeit spielt dabei weniger eine Rolle und ist in dieser Höhe sogar eher kontraproduktiv. Denn mehr Feuchtigkeit in Bodennähe bedeutet, dass ein Teil der Sonnenenergie für die Erhitzung des Wassers und nicht der Luft eingesetzt wird (latente Wärme). Zudem ist die Luftfeuchtigkeit räumlich gesehen weitaus gleichmäßiger verteilt als die Temperatur. Die auftriebsfördernden Dichteunterschiede sind deshalb erst einmal fast ausschließlich temperaturgetrieben.


Die Erosion der Thermikblasen
Wirbel am Rand der Thermikblase sorgen dafür, dass kühlere und
trockenere Außenluft eingemischt wird. Dieses Entrainment erodiert
die Thermik. Bei großen Blasen mit viel Volumen im Verhältnis zur
Außenfläche dauert das deutlich länger als bei kleinen. // (c) Lu-Glidz
Löst sich eine Blase von der zähen, bodenaufliegenden „Honigluftmasse“, besitzt sie anfangs noch einen großen Temperaturvorsprung vor der umliegenden Luft. Entsprechend groß ist ihre Beschleunigung. Dieser erste Schwung wird allerdings bald wieder gebremst. Luftwirbel am Rand der Thermik sorgen dafür, dass kühlere „Außenluft“ in die Blase hinein gemischt wird (s. Grafik 3). Dieses sogenannte Entrainment hat zwei Effekte: Zum einen sinkt der durchschnittliche Temperaturvorsprung der Blase bald wieder ab. Kleine Bläschen werden auf diese Weise sehr schnell gewissermaßen „erodiert“. So kann es sein, dass manche Blasen, die in Bodennähe noch wie heftige Kanonenschläge in die Gleitschirmkappe fahren, schon nach 50 bis 100 Metern mangels Temperaturvorsprung kein nutzbares Steigen mehr liefern.

Der zweite Effekt des Entrainments ist, dass eine aufsteigende Thermikblase durch die zugemischte Luft insgesamt an Volumen und somit Auftrieb gewinnt und damit auch wieder besser steigt. Welcher Effekt nun stärker wiegt, der Temperaturverlust oder der Volumengewinn, entscheidet mit darüber, ob eine Thermik am Ende durchzieht oder nicht. Grundsätzlich kann man sagen: Je mehr Masse eine Thermikblase von Anfang an besitzt, desto weniger läuft sie Gefahr, den Erosionsprozessen ganz zum Opfer zu fallen. Größere, aber weniger aktive Heizflächen am Boden können deshalb sogar die bessere Thermik liefern als kleine, überhitzte Hotspots. Auch das sollte man bei der Suche nach Thermikquellen berücksichtigen.


Der Einfluss der Feuchtigkeit

Thermikblasen nehmen die Feuchtigkeit der Luftmasse mit, aus der sie
gestartet sind. In Bodennähe ist die Feuchtigkeitsdifferenz noch klein.
Doch die Höhenluft ist in der Regel deutlich trockener. Die
feuchtere Thermikblase ist leichter und kann auch allein auf Basis
der Feuchtigkeitsdifferenz weiter steigen. 
 // (c) Lu-Glidz
Je weiter eine Thermikblase aufsteigt, desto mehr wird sich ihre Temperatur durch die trockenadiabatische Abkühlung (1°C/100m), aber auch durch das Entrainment an die Temperatur der Umgebungsluft angleichen. Dennoch kann die Blase dann immer noch eine geringere Dichte aufweisen. Denn hier kommt der Einfluss der Luftfeuchtigkeit ins Spiel. In Bodennähe ist die Luft in der Regel deutlich feuchter als in höheren Luftschichten. Eine Thermikblase nimmt diese bodennahe Feuchtigkeit mit nach oben und gerät dann in Zonen, wo die Umgebungsluft trockener ist. Selbst bei nur noch schwachen Temperaturdifferenzen erfährt die Thermikblase jetzt einen weiteren Antrieb durch die feuchtigkeitsbedingten Dichteunterschiede. Je trockener die Höhenluft im Verhältnis zur aufsteigenden Thermikluft ist, desto besser werden die Steigwerte in den höheren Bereichen des Thermikraumes ausfallen.


Die Gnade der großen Blase
Beim Aufstieg kühlen sich Thermikblasen schnell ab, auch durch das
Einmischen weiterer Luft von außen. Kleinere Blasen verlieren dabei
deutlich schneller ihren Temperaturvorsprung und liefern dann
kein nutzbares Steigen mehr. // (c) Lu-Glidz
Für die Thermikstärke in der Höhe kommt auch wieder das Volumen der Blase entscheidend mit ins Spiel. Je größer eine Thermikblase ist, desto größer ist ihr Auftrieb. Zudem wächst das Volumen einer Blase immer weiter, je höher sie aufsteigt! Das liegt zum einen daran, dass der Luftdruck mit der Höhe abnimmt. Entsprechend dehnt sich die Thermikblase aus wie ein Wetterballon. Zudem kommt es häufig vor, dass sich zwei oder noch mehr Blasen beim Aufstieg treffen und vereinigen. Dadurch steigt natürlich ihr gemeinsames Volumen, was ebenso den Auftrieb verstärkt.

Wenn eine Thermikblase wächst, nimmt ihr Volumen im Verhältnis stärker zu als ihre Oberfläche. Das Entrainment (s.o.) geschieht freilich nur an den Außengrenzen, also der Oberfläche der Blase. Die Erosion großer Blasen findet deshalb langsamer statt. Feuchtigkeits- und Temperaturunterschiede zur Umgebungsluft haben länger Bestand, was abermals die Aufstiegshöhe und die Stärke einer Thermik positiv beeinflusst. So lässt sich erklären, warum Thermiken, die am Boden mit identischer Temperatur und Feuchtigkeit starten, in der Höhe ganz unterschiedlich schnell aufsteigen können. Das Volumen macht den Unterschied!


Der Einfluss des Luftdrucks
Die Entwicklung von Thermiken hängt nicht nur von der Sonneneinstrahlung und von der Temperaturschichtung der Luftmassen ab. Auch der Luftdruck hat einen wichtigen Einfluss. Grundsätzlich gilt: Je höher der Luftdruck ist, desto zäher klebt die bodennahe Luft am Untergrund und desto schwerer haben es Thermikblasen, sich aus dieser Luftmasse zu lösen. Bei einem starken Hoch (deutlich über 1020 hPa) muss die Sonne die überadiabatische Grundschicht noch kräftiger aufheizen, damit sich überhaupt Thermiken bilden. Entsprechend größer ist anfangs der Temperaturvorsprung dieser überhitzten Blasen gegenüber der darüber liegenden Luftmasse. Das ist ein Grund, warum Thermikblasen an Hochdrucktagen vor allem in Bodennähe so vehement, giftig, scharf begrenzt und klapperträchtig daher kommen.

Je niedriger der Luftdruck ist, desto einfacher fällt es den Thermikblasen, sich vom Gelände zu lösen. Auch beim weiteren Aufstieg müssen sie sich nicht gegen eine zähe, absinkende Luftmasse wie im Hoch durchsetzen. Der verringerte Widerstand zeigt sich in deutlich reduzierten Randwirbeln der Thermik. An solchen Tagen sind Thermiken deutlich angenehmer zu fliegen.