Wenn viele Piloten ihren jeweiligen Schirmen auf Bewertungsportalen Noten geben, kommt dann im Durchschnitt eine treffende Einsicht heraus? Das Beispiel Flyhy.co weckt Zweifel. 
Eine "Heatmap" der von Piloten vergebenen Durchschnittsnoten in verschiedenen Eignungsklassen
für 20 beliebte EN-B Schirmmodelle – erhoben vom Vergleichsportal Flyhy.co.
Das Notenspektrum reicht von 1=wenig bis 5= sehr gut geeignet.
// Quelle: Flyhy.co

Seit rund einem Jahr lädt die Seite Flyhy.co Piloten dazu ein, ihre jeweiligen Schirme in kurzen, standardisierten Online-Testbögen  zu beurteilen. Die Macher der Seite stellen Flyhy als "Data Analytics Platform" für die Paragliding-Community dar bzw. wollen sie als solche etablieren. Aus der Summe der Einzelwertungen in diversen Disziplinen soll sich ein realistisches Bild ergeben, welcher Schirm für welche Pilotengruppe mehr oder auch weniger geeignet ist.

Anfangs sammelte Flyhy.co nur die Einzelwertungen und stellte sie auf der Seite dar. Dann kamen erste graphische Auswertungen in Form von Pentagrammen hinzu, in denen die diversen Noten zu den Schirmen aus den Einzel-Reviews gemittelt sind. Anhand der fünfeckigen Darstellungen soll man schnell erkennen und vergleichen können, zu welchen Einsatzbereichen ein Schirmmodell besser oder schlechter passt. Die Kategorien sind: Anfänger, Freizeitpilot, XC-Flieger, Wettbewerb und Hike&Fly. Die Noten reichen jeweils von 1 bis 5, wobei 1 für "wenig" und 5 für "sehr gut geeignet" steht.

Jüngst veröffentliche Flyhy.co auf seiner Facebook-Seite sogar eine erste sogenannte Heat-Map (siehe Tabelle oben), in der gleich zwanzig beliebte B-Schirme im Vergleich zueinander dargestellt werden. Schaut man sich die dort präsentierten Durchschnittswerte an, kommen allerdings Zweifel auf, ob solche abgefragten und gemittelten Noten tatsächlich sinnvolle Informationen über den Charakter von Schirmen liefern. Die sprichwörtliche "Weisheit der Vielen" wirkt jedenfalls nicht sehr überzeugend.

Das Eignungsprofil von Schirmen in Pentagramm-Darstellung.
// Quelle: Flyhy.co
Folgte man allein diesen Noten, dann wäre beispielsweise ein relativ gestreckter Schirm wie der Ikuma, den der Hersteller Niviuk selbst im High-B-Bereich ansiedelt, in dieser Auswahl am besten für Anfänger geeignet.

Für die sich weiter entwickelnden Freizeitpiloten wäre unter anderem ein durchaus sportlicher Summit XC3 von UP unter den Top-Empfehlungen zu finden – höher eingestuft als viele Low- und Mid-B-Geräte.

Wer die zwei genannten Schirme, aber auch andere Modelle der Liste, jeweils schon geflogen ist und vergleichen kann, dürfte einige der Wertungen mit Verwunderung aufnehmen.


Der Fehler liegt im System

Theoretisch ist die Idee von Flyhy.co, nicht nur auf EN- oder Safety-Class-Noten zu schauen, sondern den Erfahrungen einer großen Piloten-Community zu vertrauen, eine gute. Leider wird das Urteil, das sie liefert, in der Praxis aber methodisch immer verzerrt sein. Denn die Piloten nehmen für ihre jeweiligen Einschätzungen nur sich selbst als Maßstab.

Die wenigsten Piloten, die vom A- auf einen B-Schirm aufsteigen, werden als erstes Modell z.B. den schon genannten Summit XC 3 wählen. Die Sicht solcher Aufsteiger auf das Verhalten so eines Schirmes würde vermutlich am besten zur Einschätzung in der Rubrik "Leisure/Progression" passen, sie kommt in der Statistik aber zwangsläufig nicht vor. Hier werden also die Einschätzungen der schon erfahreneren XC-Piloten, die sich einen High-B-Schirm zutrauen und damit gut zurecht kommen, im Grunde überbewertet.

Ein Wettbewerbspilot wiederum würde niemals einem Mid-B wie z.B. dem Nova Ion 4 in der Sparte "Competition" eine mittlere Wettbewerbseignung (Note: 3,1, siehe Pentagramm) zuschreiben. Ein echter Sichelflieger würde diesen Schirmtyp vermutlich nicht einmal fliegen wollen, schon gar nicht im Wettbewerb. Hier werden also die Einschätzungen typischer Ion-4-Piloten, die in den meisten Fällen noch nie einen Wettbewerb mitgeflogen sind, ihrerseits wiederum das Notenbild verzerren. Eine echte Vergleichbarkeit zwischen den Schirmen anhand der verteilten Durchschnittsnoten ist damit nicht gegeben.

Nun könnte man einwenden, dass die Datenbasis von Flyhy.co im Grunde noch immer viel zu klein ist, um daraus irgendwelche repräsentativen Urteile ableiten zu können. Allerdings gilt es zu erkennen: Selbst wenn mit der Zeit die Zahl der eingereichten Einschätzungen und damit die Datenbasis für die Analysen immer größer würde, blieben die Ergebnisse stets von solchen systematischen Fehlern der Datenerhebung betroffen.