A-Schirme galten lange als sicher, aber unsexy. Wer an sein Pilotenkönnen glaubte, musste alsbald nach der Schulung auf einen B-Schirm umsteigen. Doch der Markt wandelt sich.

Novas Antwort auf Phis High-A Symphonia heißt Aonic.
// Quelle: Nova
Als Hannes Papesh vor etwas über zwei Jahren mit seiner neuen Eigenmarke Phi an den Start ging, machte er das auf eine ungewöhnliche Weise. Das erste Modell, das er präsentierte, die Symphonia, fiel nicht nur optisch wegen des an Zuckerwerk erinnernden Streifendesigns auf. Der Schirm bekam auch die EN-Einstufung "A", obwohl er von allen baulichen Charakteristiken wie Streckung oder Zellenzahl her viel eher einem typischen low- oder gar mid-B entsprach.

Selbst in puncto Handling und Quirrligkeit flog die Symphonia nah an dem Niveau der Ion-Serie von Nova und nicht wie ein typischer, stark gedämpfter Schulschirm. Hannes nannte die Symphonia deshalb einen High-A und bezeichnete sie sogar als nicht unbedingt schulungstauglich. Dafür bekam er anfangs etwas Gespött zu hören und hochgezogene Augenbrauen zu sehen. Denn es gab einige, die daran zweifelten, dass die Idee eines High-A am Markt Erfolg haben könnte. Doch die sind mittlerweile verstummt. Denn die Symphonia verkauft sich gut, trotz eines echten Premium-Preises im Vergleich zu typischen A-Schirmen.

Dass ein Konzept Erfolg hat, zeigt sich immer dann, wenn es kopiert wird. Und das ist bei der Idee des "High-A" zunehmend der Fall. Gerade in diesem Frühjahr lassen einige Hersteller aufmerken, die nun mit eigenen Produkten auch in diesem Marktsegment hausieren wollen. Nova ist mit dem Aonic am Start, der rein von den technischen Daten her wie ein Klon des Ion 5 wirkt, der aber auch die Note A im Testprotokoll aufweist. Swing wird beim Stubai Cup den neuen Miura RS vorstellen, der auch eine A-Zulassung besitzt, obwohl er komplexer aufgebaut ist als der EN-B Arcus RS. UP Paragliders hat mit dem Dena ebenfalls einen als "A+" bezeichneten Schirm in der Pipeline, der technisch erkennbar über dem Ascent 4 eingeordnet sein wird.

Und selbst bei Firmen wie Ozone oder Skywalk, die ihre neuesten A-Modelle Mojo 6 bzw. Mescal 6 noch mit "klassischen" Grunddaten eines A-Schirmes versehen, zeigt sich schon der Versuch, den Piloten damit auch Schirme an die Hand zu geben, die in manchen Details deutlich über typische Schulschirme hinaus gehen. Ozone bewirbt seinen Mojo 6 z.B. damit, dieser habe "die höchste Gleitleistung seiner Klasse". Dazu tragen u.a. Features wie ein doppeltes 3D-Shaping, ein "ausgedünnter" Leinensatz und die Neuerung eines Anti-Flatter-Querbandes (s. Leistungsdrang-Serie #29) bei.

Was genau einen High-A ausmacht, ist freilich nirgends definiert. Die verschiedenen Hersteller verfolgen dabei teils unterschiedliche Ansätze. Da ist zum einen der komplexere Aufbau der Kappen mit mehr Streckung und deutlich mehr Zellen. Symphonia, Aonic, Miura und Dena kommen alle auf eine Streckung von über 5,1 und rund 50 Zellen. Letzteres war vor wenigen Jahren noch eher typisch für einen High-B-Schirm!

Einher geht diese Investition in die Steifigkeit und Profiltreue der Kappen mit einem deutlich verbesserten Schnellflugverhalten bzw. mehr Leistung im beschleunigten Zustand. Während klassische A-Schirme im Speed schnell den Eindruck hinterlassen, noch immer Sinktüten zu sein, können die neuen High-A hier problemlos mit der Leistung von B-Schirmen mithalten. Einzig ihr Top-Speed ist etwas reduziert – ein Tribut an die Anforderung, das Verhalten auch bei voll beschleunigten Klappern noch A-konform zu halten.

Ersetzt High-A künftig Low-B?

Verkürzter Beschleunigerweg durch eingeknüpfte
Zusatzrolle beim Swing Miura RS. So konfiguriert
ist der Miura als EN-A zugelassen. Mit vollem
Beschleunigerweg wird der Schirm zum EN-B.
// Quelle: Swing
Dass manche der neuen High-A im Grunde nur leicht de-tunte B-Schirme darstellen, wird bei Swings Miura RS am augenscheinlichsten. Dieser wurde gar als EN-A und als EN-B zugelassen. Der einzige Unterschied: Ein etwas verkürzter Beschleunigerweg, wenn der Miura in der Konfiguration als A-Schirm geflogen wird. Realisiert ist das mittels einer zusätzlichen Beschleunigerrolle, die einfach an die am Tragegurt vernähte, obere Beschleunigerrolle angeknüpft ist (s. Foto). Als EN-A könnte der Miura also in der Schulung eingesetzt werden. Sobald der Flugschüler dann seinen Schein hat, kann er den Beschleuniger auf den längeren Weg umbauen, um fortan mit einem EN-B unterwegs zu sein.

Eine Umbaulösung wird auch der Mescal 6 von Skywalk aufweisen. Allerdings geht es bei diesem nicht darum, den Beschleunigerweg zu verlängern, sondern die Geometrie der Bremsspinne und damit die Steuercharakteristik zu verändern. Der Mescal 6 wird in einer gedämpften Fassung für den Schulungsbetrieb und mit einer deutlich agileren Einstellung für schon etwas fortgeschrittene Piloten geflogen werden können. Bei Skywalk bedeutet High-A also vor allem eine Verbesserung des Handlings.

Aus dem erkennbaren Trend zum High-A ergeben sich freilich neue Fragen: Wie und wo werden die Hersteller künftig ihre B-Schirme positionieren? Macht es überhaupt Sinn, neben einem High-A auch noch einen Low-B im Angebot zu haben? Ist High-A gar schon das neue Low-B? Oder werden künftig vielleicht noch mehr Hersteller dem Beispiel von Swing folgen, ihre Schirme gleich in zwei Klassen zuzulassen, mit einer entsprechenden Umbau- oder Upgrade-Lösung?

Hier ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Zum einen muss sich zeigen, wie die wachsende Auswahl an neuen High-A am Markt angenommen wird bzw. wie die Flugschulen diese bei ihren Schülern positionieren. Denn ihnen fällt die größte Rolle zu, den Piloten diese Schirme als ideale Lösung für die ersten Jahre ihrer Fliegerkarriere schmackhaft zu machen.

Zum anderen wird bald noch eine weitere Entwicklung den Gleitschirmmarkt zu einer Neu-Einstufung seiner Klassen zwingen. Derzeit wird die EN-Norm überarbeitet. Diskutiert wird dabei unter anderem, den Einsatz von Faltleinen in der C-Klasse zu erlauben, was bedeuten könnte, dass künftig auch Zweileiner in diesem Sektor zulassungsfähig würden. Zugleich gibt es Pläne, die B-Klasse aufzuteilen, sodass die bislang informellen Zuordnungen á la Low- und High-B künftig eine rechtlich definierte Grundlage hätten.

Ob es dann für die Hersteller immer noch opportun sein wird, die A-Klasse mit neuen Begriffen wie High-A oder A+ leistungs- und marketingtechnisch aufzugliedern, bleibt abzuwarten.



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