Das Osterwetter macht #StayHome nicht leicht. // Quelle: Open Domain, Austro Control, Paragliding Academy (Mashup) |
Während dieser Ostertage 2020 macht das Wetter es den Fliegern besonders schwer, am Boden zu bleiben. Es herrschen gute thermische Verhältnisse in fast ganz Mitteleuropa. An solchen Tagen hätten mancherorts Rekorde oder zumindest persönliche Bestleistungen erflogen werden können. Doch bis auf ein paar Verwegene, die auf alle Sperrungen, Verbote oder Bitten eines #StayHome pfeifen und sich dennoch lokal in die Lüfte schwingen und sogar abstürzen, schaut das Gros der Piloten nur schmachtend zu den flachen Cumuli auf, anstatt sich ihnen kreisend zu nähern.
In diese Zeit fällt nun ein Hoffnungsschimmer: In Österreich will die Regierung in der kommenden Woche neue Regeln für den Sportbereich verkünden, mit möglichen Lockerungen für jene Aktivitäten, bei denen die Einhaltung gewisser Sicherheitsabstände gewährleistet werden kann. Ob auch die Gleitschirmflieger darunter fallen? Zumindest Flugschulen mit angegliederten Verkaufsräumen sollen letztere mit gewissen Auflagen wieder öffnen dürfen. Gurtzeugkauf mit Atemmaske wird vor Ort möglich sein.
In Deutschland lässt der DHV seine Mitglieder aufhorchen. In seinem zweiten wöchentlichen Corona-Update-Brief (pdf) schreibt Geschäftsführer Robin Frieß über einen Entscheid des gesamten DHV-Vorstandes (pdf). Es geht um das weitere Vorgehen bezüglich der allgemeinen Sperrung der Startplätze in Deutschland. Kurz gefasst: Der DHV kündigt an, die am 19. März erlassene allgemeine Sperrung bald wieder aufheben zu wollen. Geplant ist das für den 20. April. Die endgültige Entscheidung dazu wird aber noch von den allgemeinen politischen Entwicklungen rund um Corona-Ge- und Verbote abhängig gemacht.
Mehr Verantwortung für Vereine
Wer jetzt hofft, ab dem 20. April in Deutschland wieder ungehindert fliegen zu können, sollte seine Euphorie bremsen. Denn der DHV nimmt laut Plan nur seine allgemeine Sperrung zurück und überlässt alle weiteren Vorgaben den lokalen Startplatzhaltern, in der Regel also den Vereinen. Diese müssen jetzt schauen, welche offiziellen Regelungen und Vorgaben in ihrem jeweiligen Bundesland hinsichtlich Sport-Ausübung, Sicherheitsabständen, Gruppentreffen etc. gelten; und wie sie diese in ihrer Zuständigkeit umsetzen und überwachen wollen.
Robin Frieß schreibt dazu: "Das bedeutet aber keinesfalls, dass damit normaler Flugbetrieb wieder möglich ist. Nach wie vor ist der Ausbildungsbetrieb der Flugschulen, der gesamte Tandemflugbetrieb sowie jeglicher Vereinsbetrieb durch die Landesverordnungen gegroundet. Und auch der einsame Flug vom Berg ist mit einigen Landesverordnungen nur schwer zu rechtfertigen und wird zurzeit sicherlich in vielen Gegenden als rechtlich nicht zulässig bewertet werden. Diese Einschätzung ist sowohl von der jeweiligen Landesverordnung als auch von kommunalen Auslegungen eben dieser Landesverordnungen abhängig."
Es wäre also denkbar, dass in einem Bundesland das Fliegen noch eine Zeit lang verboten oder sehr stark eingeschränkt bleibt, im Nachbarland aber schon freier möglich würde. Sogar von Verein zu Verein, von Berg zu Berg, von Startplatz zu Startplatz könnte es unterschiedliche Regelungen geben, je nachdem ob die Zuständigen (typischerweise die Vereinsvorstände) eher dem Ideal der individuellen Freiheit oder der kollektiven Verantwortung gerecht werden wollen.
Der DHV-Vorstand will derweil weiterhin auf eine Empfehlung setzen, "wonach grundsätzlich kein Flugbetrieb stattfinden soll, er aber unter Berücksichtigung der regionalen Lage und unter Beachtung der Infektionsschutz-Bestimmungen ausnahmsweise und erforderlichenfalls in eingeschränktem Umfang ermöglicht werden kann."
Was das bedeutet? Ausnahmen und Einschränkungen müssen geregelt werden. Es wird deshalb lokal viel Diskussionsbedarf und viele Diskussionen geben. Wie hitzig diese geführt werden, dürfte dann auch von der Wetterlage abhängen. Wenn das verlockende Flugwetter noch länger anhält, der "Flugdruck" in den Köpfen damit weiter steigt, dürfte mancherorts in den Vereinen durchaus der eine oder andere Frust-Devil für Wirbel sorgen.
3 Kommentare
Ich könnte mich jetzt freuen dass der DHV einen Fehler zugeben kann, und das Flugverbot aufheben will, weil ich mich vorher an dem Beschluss in mehreren Emails und Kommentaren abgearbeitet habe. - Wenn, ja wenn der DHV den Fehler zugeben würde.
AntwortenLöschenStattdessen macht er, was man in der Politik "zurückrudern" nennt, wenn man erkennen muss, dass man vorschnell gehandelt und etwas verbockt hat.
Das geht schon an bei dem beliebten Politikerwort „die Mehrheit“ sei natürlich derselben Ansicht wie man selbst, vom DHV gesteigert zur „absoluten Mehrheit“, die die DHV-Fluggebietssperrung unterstützt habe.
Ich kann mich nicht erinnern, dass der DHV eine Umfrage unter den Mitgliedern gestartet hätte. Wie er da auf 50% + kommt, ist mir ein Rätsel, wahrscheinlich genauso wie zur Fluggebietssperrung. Die meisten Flieger, mit denen ich Kontakt hatte, waren jedenfalls anderer Meinung, was ich jedenfalls nicht als Mehrheitsmeinung ausgeben würde.
Und wenn die Mehrheit hinter dem DHV-Flugverbot stünde, was gäbe es dann für einen Grund, das individuelle Flugverbot jetzt aufzuheben, wenn es rechtens ist? Würden die bisher genannten Gründe nicht mehr zutreffen? „Unfallrisiko“: Die Corona-Fälle steigen weiter, wenn auch langsamer, also werden voraussichtlich auch mehr Krankenhaus- und Intensivbetten gebraucht. „Ansteckungsgefahr für Retter“: Mit steigender Corona-Fallzahl wird die Gefahr, dass ein verunglückter Flieger einen Retter ansteckt, nicht geringer. „Sichtbarkeit“ und „Image“ unseres Sports: Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, (Fliegen in den Zeiten von Corona 8) war das bisher kein Argument für einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte des Individuums (Grundgesetz), und es ist nicht anzunehmen, dass uns jetzt jemand lieber mag, weil wir 5 Wochen am Boden geblieben sind.
Der DHV schreibt: „Aus diesem Grund ist eine übergeordnete Schließung der Fluggelände für Gleitschirm- und Drachenflieger durch den DHV im Rahmen der Luftaufsicht gemäß § 29 Abs. 1 LuftVG nicht länger geboten, sobald die derzeit deutschlandweit noch angespannte Lage sich entspannt hat, wie sich aktuell abzeichnet. Die von uns getroffene Anordnung nach § 29 Luftverkehrsgesetz (Luftaufsicht) war zum 19.03.2020 aufgrund der Ausnahmesituation notwendig geworden und muss selbstverständlich der aktuellen Lage angepasst werden.“
Zur Klarstellung: (LuftVG) § 29 (1) bezieht sich auf „die Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) … „
Dass das Fliegens einzelner eine „betriebsbedingte Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs“ gewesen wäre, gerade jetzt, wo insgesamt viel weniger geflogen wird, oder auch „für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“, ich wiederhole „durch die Luftfahrt“, d.h. durch das Ausüben des Fliegens an sich, hat sicher das Zeug für einen Juristenwitz. Vor Gericht hätte es keinen Bestand gehabt. (Es sei denn ein kreisender Gleitschirm könnte Terror oder Aufruhr mit sich bringen??!!) Der DHV hat hier nach Gutsherrnart ein Gesetz ausgelegt, ähnlich wie Polizisten in Berlin verheiratete Paare von einer Parkbank vertrieben haben wegen des Kontaktverbotes, obwohl natürlich Paare davon ausgenommen sind. Da hat sich die Exekutive schnell mal qua Amt zur Judikative erklärt. („Gewaltenteilung“?)
Zum Nachverdauen für den DHV ein Auszug des 9-Punkte-Plans der Bundesregierung zur Coronakrise, der - anders als vom DHV behauptet - selbst incl. strengeren bayerischen Vorschriften nicht das Flugverbot gerechtfertigt hat:
III. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet.
IV. Der Weg zur Arbeit, ….… oder individueller Sport und Bewegung an der frischen Luft ….. bleiben selbstverständlich weiter möglich.
D.h. selbst mit der fliegenden Familie, so man eine hätte, wäre das Fliegen erlaubt!
Günther Widmann, Oberreute, DHV-Mitglied
@Günther: Ein Juristenwitz ist es sicher nicht. Man wird darüber streiten könne (zwei Juristen, drei Meinungen), aber die Auslegung des DHV lässt sich gut begründen und als Jurist stimme ich ihr auch zu: "die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt" heißt eben nicht "durch die Luftfahrt an sich", wie Du einfach ergänzt. Zur Luftfahrt gehört mit Sicherheit das Starten und Landen (einschließlich Baumlandung), Unfall usw. Wenn das Fliegen erlaubt wäre, also auch die Menschenansammlung am Startplatz, vielleicht auch die Anreise zum Startplatz und die Rückreise (ist durch die Luftfahrt kausal veranlasst). Mit Bezug auf die Corona-Pandemie werden die Gerichte alles was mit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu tun hat, weit auslegen. Aber wie gesagt, andere Meinungen akzeptiere ich gerne und diskutiere sich auch gerne mit Juristen.
AntwortenLöschenIn den nördlichen Bundesländern ist der Flugbetrieb durch die aktuell geltenden Landesverordnungen definitiv verboten. (Als Hamburger dürfte ich nicht einmal über die Landesgrenze nach SH zum Schleppgelände). Auch die Landesverordnungen werden von vielen Juristen in Teilen für rechtswidrig gehalten. Erste Entscheidungen von Gerichten kommen zu gegenteiligen Urteilen. Nicht überraschend, wir hatten noch nie eine vergleichbare Krise.
Aus meiner Sicht hat der DHV nicht vorschnell gehandelt, sondern genau das richtige getan und muss daher auch nicht zurück rudern. Das kann und darf man anders sehen. Weder die eine, noch die andere Sicht ist eine Tatsache, sondern eine Meinung.
Hoffen wir, dass bei den anstehenden Lockerungen der Regeln eine differenziertere Gefährdungsbeurteilung unterschiedlicher Sportarten erfolgt als bisher.
Happy Landings, Stephan May
Stephan, danke für deine Stellungnahme, die nicht mit der üblichen Moralkeule gegen Zweifler wie mich kommt. Trotzdem möchte ich dich, was meinen Kommentar angeht, korrigieren. "betriebsbedingt" und "durch die Luftfahrt" sind wie ich es gekennzeichnet habe, Zitate aus dem Gesetzestext, "an sich" habe ich ohne Anführungszeichen und (anders als du mich zitierst!) unverbunden mit dem Gesetzeszitat geschrieben zur Verdeutlichung meines Textverständnisses. Da solltest du bitte genau hinschauen.
AntwortenLöschenZu deinen Argumenten:
Wenn Start, Landung, An- und Abreise zu "betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt" zählten, müsste nach dieser Logik das Fliegen dann eigentlich nicht ganz verboten werden? Ich bin Laie, und wie du richtig sagst, kann man natürlich über Juristerei trefflich streiten. Wenn es aber um das GG, v.a. um Grundrechte geht, muss bei der Auslegung von Gesetzen gerade mit den Begriffen wie Gefahrenabwehr, Sicherheit und Ordnung sehr behutsam umgegangen werden, da würde mir wahrscheinlich auch kein Jurist widersprechen.
Das was du offenbar meinst an Gefahren in Bezug auf Corona („Menschenansammlung am Startplatz, vielleicht auch die Anreise zum Startplatz und die Rückreise“) ist für das Flugverbot des DHV doch irrelevant, weil die Maßnahmen von Bund und Ländern, also Ausgangsbeschränkungen (Umkreisbegrenzung, Kontaktverbot), das Versammlungsverbot für Vereine bis hin zum Demonstrationsverbot usw. ohnehin für alle, auch für Gleitschirmflieger, gelten und mit Bußgeldern sanktioniert sind.
Es geht und ging mir - wie gesagt - um die indiviudelle Ausübung unseres Sports, und keine andere Sportvereinigung in Deutschland (die ich kenne) hat ihren Mitgliedern diese aus eigenen Stücken vorauseilend untersagt, wie es der DHV getan hat.
Es geht und ging mir um fadenscheinige Begründungen seitens des DHV, die nun mit dem § 29 Abs. 1 LuftVG wirklich nichts zu tun haben, nicht mal mit der Infektionsgefahr durch Corona (Image und Solidarität mit kleinen Kindern denen man den Spielplatz gesperrt hat. Sic!!), die aber gebetsmühlenartig wiederholt werden.
Und ich stimme dir 100% zu, dass weder meine noch andere Meinungen Tatsachen wiedergeben. Wichtig ist und bleibt aber in einem freiheitlichen Gemeinwesen der Diskurs dieser unterschiedlichen Meinungen, basiert auf Argumenten, wie wir beide es, denke ich, nicht mal hart, sondern klar aber fair getan haben.
Deshalb nochmals: Danke!
Günther Widmann
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