Beim Fliegen im Winter gibt es stets ein Problem. Die in den Körper kriechende Kälte kann uns zwingen, einen Flug sogar abzubrechen. Gute Handschuhe allein helfen häufig nicht weiter. 

Im Flug halten wir die Hände weit über die Herzachse. 
Wenn sich in der Kälte die Blutgefäße der Extremitäten
verengen, wird zu wenig warmes Blut und Sauerstoff
bis in die Finger transportiert, um sie warm zu halten.
// Grafik: Lu-Glidz
Normalerweise kann unser Körper eine temporäre und lokale Kälteeinwirkung auch über längere Zeit problemlos ausgleichen. Das gilt, sofern er durch größere und kleinere Kontraktionen der Muskeln ausreichend Wärme produziert. Diese Wärme wird über den Blutkreislauf bis in die besonders kälte-exponierte Peripherie des Körpers (Hände, Füße, Kopf) verteilt. Auch sie bleibt dann verhältnismäßig warm.

Leider ist das Gleitschirmfliegen ein bewegungsarmer Sport. Einmal in der Luft, sitzen wir relativ ruhig im Gurtzeug wie in einem Sessel. Der Puls sinkt nach dem Start wieder ab, und auch die meisten anderen Muskeln werden im Flug kaum noch beansprucht. So produzieren sie nicht mehr genug Wärme, um bei kalter Witterung den Energieverlust an exponierten Stellen auszugleichen. Es kommt zu einem Wärmedefizit. Der Körper kühlt aus – je nach körperlicher Verfassung, Körperbau und Kleidung geschieht das unterschiedlich schnell.

Auskühlung bedeutet: Die Körpertemperatur sinkt. Und das löst typische physiologische Schutzreaktionen aus. Verschiedene Organe im Körperinneren (u.a. die Nebenniere) schütten dann bestimmte Hormone aus. Sie führen dazu, dass sich die Gefäße vor allem in den peripheren Regionen des Körpers verengen. Das heißt: Arme und Beine werden schlechter durchblutet. Sie werden vom Körper gewissermaßen „geopfert“, um die Temperatur im Kern hoch zu halten.

Die Verengung der peripheren Blutgefäße zieht noch einen Effekt nach sich: der Blutdruck steigt. Der Körper reagiert darauf, indem er dem Blut Flüssigkeit entzieht, u.a. über die Nieren. Dieses Wasser landet dann in der Blase, woraus auch der in der Kälte gesteigerte Harndrang resultiert. Das etwas entwässerte und somit verdickte Blut fließt nun nochmals schwerer durch die Adern.


Woher das taube Gefühl kommt

Problematisch wird das vor allem für die Hände. Beim Gleitschirmfliegen halten wir diese typischerweise deutlich über der Höhe unseres Herzens (Herzachse), häufig sogar höher als den Kopf. Das verdickte Blut hat es dann gegen die Schwerkraft und mit verengten Gefäßen besonders schwer, überhaupt noch bis in die Fingerspitzen zu gelangen. Ohne frisches Blut bekommt das Fingergewebe aber nicht nur weniger Wärme, sondern auch weniger Sauerstoff geliefert. Der Zellstoffwechsel wird dann stark herunter gefahren. Zusammen ergibt sich daraus das taube Gefühl, das wir schließlich in unterkühlten Fingern haben.

Damit es nicht soweit kommt, muss man den physiologischen Teufelskreis, der zu den kalten Fingern führt, von Anfang an durchbrechen: Oberste Priorität hat eine gut isolierende, winddichte Kleidung, um den Körperkern warm zu halten und eine Verengung der Blutgefäße in den Extremitäten so gut es geht zu vermeiden. Auch gute Handschuhe sind da natürlich Pflicht. Aber damit ist es nicht getan. 

Es gilt auch, einem Abkühlen der Hände aktiv vorzubeugen, indem man den Blutfluss in die Fingerspitzen gezielt fördert. Das geht am besten, indem man regelmäßig die Hände aus den Steuerschlaufen nimmt, deutlich tiefer als die Herzachse hält und dann mit der Faust aber auch weiteren Armmuskeln pumpende Bewegungen vollzieht. Ein Ausschütteln der Hände oder sogar ein Armkreisen im Gurtzeug können ebenfalls helfen, wieder warmes Blut in die Finger zu befördern.

Wichtig: Mit solchen Aktionen muss man schon beginnen, bevor die Hände "spürbar" kalt werden. Denn wenn sich die Gefäße erst einmal stärker verengt haben, reicht die im Flug mögliche Muskelanstrengung in der Regel gar nicht mehr aus, um den Prozess noch einmal umzukehren. Und wer mit schon tauben Fingern weiterfliegt, riskiert sogar Erfrierungen. 

Je nach Kälte, Kleidung und persönlicher Konstitution können präventive Aktionen, um den Blutfluss in die Hände zu fördern, sogar alle paar Minuten wiederholt nötig sein. Verzichtet man darauf, können selbst die teuersten, beheizbaren Wunderhandschuhe zuweilen weitgehend nutzlos bleiben.