Neues Jahr, neues Fliegerglück? Auf jeden Fall wird es einige interessante Entwicklungen in der Gleitschirmwelt geben. Eine Vorschau auf sieben vielleicht prägende Themen des Jahres 2022.

Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. // Quelle: Pixabay


1: Die Volkszweileiner kommen

2022 soll eine überarbeitete Fassung der EN-Norm zur Prüfung von Gleitschirmen in Kraft treten. Die vielleicht wichtigste Änderung darin: Künftig dürfen bei den Testmanövern für Schirme der Klasse EN-C auch sogenannte Faltleinen verwendet werden. Bisher bedeutete der Einsatz von Faltleinen noch automatisch die EN-Testnote D für einen Schirm. 

Sind zusätzliche Faltleinen bei den Klapper-Tests erlaubt, können die Konstrukteure Leinenlayouts verwenden, bei denen die A-Aufhängung am Profil etwas weiter hinten sitzt. Entsprechend rutschen auch die folgenden Leinenebenen nach hinten bzw. fallen ganz weg. Am Ende bedeutet das vor allem: Der Weg für Zweileiner im EN-C-Segment wird frei. 

Tatsächlich sollen einige Hersteller bereits nahezu fertig entwickelte Schirmkonzepte für solche EN-C-Zweileiner in der Pipeline haben. Sobald die neue EN-Norm veröffentlicht ist, dürften sie recht zügig aus dem Helm gezaubert werden.

Solche Neuerungen verschieben freilich das gesamte Gefüge der bestehenden EN-Klassen. Es wird spannend werden zu sehen, wie sich der Trend hin zum Zweileiner und daran angelehnte Konstruktionen und Steuerweisen auch in die unteren Klassen auswirkt. Erste 2,5-Leiner (keine C-Ebene im Außenflügel) mit leichtgängiger B/C-Steuerung sind ja heute bereits im High-B-Bereich zu finden. 


2: Was macht die U-Boot-Konkurrenz?

Ende 2021 dominierten Ozone-Werkspiloten die Weltmeisterschaft. Den vielleicht entscheidenden Vorteil verschafften ihnen Prototypen eines neuen Gurtzeugs: Submarine. Der Leistungsgewinn durch das besonders windschlüpfrige Liegegurtzeug in Torpedoform und mit langem Heckbürzel war dabei so offensichtlich, dass unter den führenden Wettbewerbspiloten bereits jetzt kaum noch darüber diskutiert wird ob, sondern wann auch sie mit solchen per Staudruck in Form gehaltenen Rundum-Verkleidungen an den Start gehen (müssen), um noch konkurrenzfähig zu sein.

Damit stellt sich freilich auch die Frage: Wann wird es die ersten Konkurrenzprodukte anderer Hersteller geben? Gin, Woody Valley, Kortel, vielleicht auch Niviuk und DaVinci werden Ozone den Markt der teuren Racing-Gurtzeuge vermutlich nicht kampflos überlassen wollen. Der nächste Spitzen-Wettbewerb ist die Europameisterschaft Ende Juli 2022 in Serbien. Anfang Dezember findet das PWC Superfinale in Mexiko statt. Das wären gute Gelegenheiten zum ersten Showdown.


3: DHV im Umbruch

Anfang 2022 kommt es beim DHV zu einem beachtenswerten Wachwechsel. Der langjährige 1. Vorsitzende Charly Jöst tritt ab. Sein bisheriger Stellvertreter, Bernd Böing, ist als Nachfolger designiert und dürfte im Zuge der Wahlen bei der wegen Corona im Online-Format veranstalteten Jahreshauptversammlung am 23. Januar auch bestätigt werden. 

Spannender wird die Wahl des Stellvertreters bzw. einer Stellvertreterin. Neben vier Bewerbern hat auch eine Frau ihren Helm für diesen Amt in den Ring geworfen. Hätte der DHV eine Quotenregelung, wäre ihr der Platz schon sicher. Denn bisher ist der Vorstand komplett von Männern dominiert. 

So oder so bedeutet der ehrenvolle Rückzug Charlys eine Zäsur für den Verband. Welche Akzente wird der neue, vielleicht auch weiblichere Vorstand setzen?


4: World Cup des Hike and Fly

Hike and Fly ist nicht nur durch die Redbull X-Alps ein immer wichtigeres Spielfeld der Szene geworden. Eine fast logische Konsequenz ist der Start einer Art Weltserie der Hike and Fly Wettbewerbe. Vier davon wollen in 2022 den Grundstein für einen künftig jährlich stattfindenden World Cup der Wander-Flug-Rennen legen: Eigertour, X-Pyr, Dolomiti Superfly und die UAE Hike&Fly Championships. Beim Jahresabschluss in den Vereinigten Arabischen Emiraten soll der erste Weltcupsieger im Hike and Fly gekürt werden. 


5: Omikron, und dann?

Die Omikron-Welle rollt über Europa. Und vielleicht ist es ja tatsächlich ein letztes heftiges Auflodern der Pandemie, bevor Corona dann zur Erkältungs-Endemie mutiert? Vorerst bleibt Corona aber auch 2022 ein beherrschendes Thema. Das Virus dürfte noch so einige Fliegerpläne durchkreuzen oder erschweren. Vor allem das Frühjahr ist wegen Omikron mit großen Fragezeichen versehen. Die Thermikmesse ist schon abgesagt. Wird der Stubai-Cup Anfang März stattfinden können? Wird das Reisen in den nächsten Wochen und Monaten wieder eingeschränkt oder durch Zwangs-PCR-Tests verteuert? Könnten regionale Lockdowns in China, Vietnam oder anderen Produktionsstandorten der Gleitschirmbranche einmal mehr harte Zeiten bereiten?  


6: Die Preise steigen

Einige Hersteller haben es schon angekündigt, und andere dürften nachziehen: Die Preise für neue Schirme, aber auch Varios etc. steigen. Die Verwerfungen in der weltweiten Logistik durch Corona erschweren die Materialbeschaffung und verteuern den Transport. Zudem haben zeitweilige Lockdowns an Produktionsstandorten bereits zu einem Nachfrage-Überschuss und langen Lieferzeiten geführt. All das spiegelt sich in 2022 auf den Rechnungen wieder. Für eine komplette Neu-Ausrüstung könnten gut 200 bis 500 Euro mehr fällig werden als noch vor der Pandemie.


7: Neues bei Lu-Glidz

Es ist sicher nicht branchen-bewegend, aber in 2022 wird auch Lu-Glidz sich weiterentwickeln. Schon allein das hartnäckig wiederkehrende Problem der verpixelten Bilder auf der Homepage erfordert technische Umbauten auf der Website. Vielleicht schon bald wird sie im gleichen Zug auch in einem neuen Layout erscheinen. Keine optische Revolution, nur Evolution. Denn das bis 2006 zurückreichende Archiv mit bereits über 3500 Posts will ich nicht über Bord werfen, sondern weiter lesbar zugänglich halten. 

Inhaltlich wird sich wenig ändern. "Mach' bitte weiter so", war einer der häufigsten Sätze, die mich 2021 als Feedback erreichten. Dem will ich gerne gerecht werden. Und wer vielleicht fürchtet, mir könnten für Podz-Glidz die Gesprächspartner ausgehen, braucht sich auch da nicht zu sorgen. Der Gleitschirmkosmos hält noch viele Geschichten parat, und neue werden geschrieben.

In 2022 geht es auch mit den Online-Meteoseminaren von Lu-Glidz weiter. Neben dem beliebten "Windy für Dummies" habe ich weitere Themen in Planung.