Vergangene Woche war ich mit 8 weiteren Fliegern in Piedrahita, Spanien, zum Gleitschirmfliegen. Piedrahita gilt als ein Streckenflugeldorado, weshalb dort auch just in der Woche die Streckenflugwettbewerbsserie XC-Open Station machte. Zurecht, wenn man allein die Statistik betrachtet: Acht Tage Wettbewerb, an denen täglich geflogen werden konnte, und meistens auch über 100 km! Ich selber habe am Wettbewerb nicht teilgenommen, aber dennoch das Fluggebiet genossen. Ein Grund mehr, hier ein paar Infos weiterzugeben.
Piedrahita ist ein kleines, verschlafenes Städtchen 150 km westlich von Madrid (Karte). Vom Flughafen in Madrid aus ist man in gut 2,5 Stunden dort, dabei kreuzt man einmal den langen Gebirgszug, der sich von West nach Ost quer durch Spanien zieht und an dem entlang man so schöne Strecken fliegen kann. Piedrahita liegt auf der Nordseite dieser Sierra.
Der Startplatz bei Piedrahita (GPS N40.422, W5.301) heißt offiziell Peña Negra und liegt auf 1900m Höhe direkt neben einer Passstraße, ist also gut mit dem Auto zu erreichen. Der Landeplatz, 850m tiefer am Ortsrand von Piedrahita gelegen, ist Luftlinie knapp 5 km entfernt. Wer es bis dorthin schaffen will, muss mit entsprechender Höhe abfliegen.
Der Startplatz - wie die gesamte Gebirgsflanke, an der entlang man auf Strecke gehen kann - ist nach NW ausgerichtet. Entsprechend spät, erst nach 12 Uhr, setzt dort die Thermik ein, aber meist so zuverlässig, dass problemlos gestartet werden kann, auch wenn der überregionale Wind z.B. aus SW bläst. Allerdings sollte der Wind eher schwach wehen, sonst wird es dort schnell sportlich. Die vielen Steine am staubigen Startplatz und der Stacheldraht im Hintergrund erweisen sich dann schnell als Materialkiller. Bei Rückenwind (Süd) oder für frühe Starts gibt es 20km entfernt den Südstartplatz bei La Lastra (GPS N40.414, W5.366)
Berühmt ist Piedrahita v.a. wegen seiner Konvergenz: Der lange Gebirgszug quer durchs spanische Hochland wirkt wie eine Art Wetter- und Windscheide. Häufig steht über den Bergen der Wind zugleich aus SW und NO an. Dort, wo sich beide Strömungen treffen, gibt es magische Aufwindbänder, häufig durch ewig lange Wolkenstraßen gekennzeichnet (in der Grafik als bläuliche Bänder eingezeichnet, Quelle: guajolotes.com). Wer diese mäandrierende Konvergenz findet, kann ohne Einzukreisen kilometerweit im Steigen fliegen. Der Streckenrekord mit dem Gleitschirm ab Piedrahita liegt bei 280km!
Neben diesen Steigzonen gibt es zwangsläufig auch Gebiete mit starkem Sinken. Wer so einen Fahrstuhl nach unten erwischt, wird schon mal mit 8-10 m/s Richtung Talgrund gespült. Hop und Top liegen gerade in Piedrahita nah beieinander.
Der "klassische" Streckenflug geht von Peña Negra aus nach NO in Richtung Avila und weiter bis Segovia (bis dorthin sind es knapp 100 km). Dabei muss man nach gut 20km den Villatoro-Pass kreuzen. Dieser gilt allgemein als Schlüsselstelle für alle weiten Flügen in der Region. Allerdings erweist sich in der Praxis selten der Pass als das größte Problem, vielmehr ist es eine Talquerung zuvor über den Ort Villafranca. Dieses Quertal gehört zu den ausgeprägten Sinkzonen, wo es selbst erfahrene Piloten immer wieder hinunter spült. Darum ist es wichtig, dort zuvor stets die maximale Höhe zu erkurbeln. Bei meinem erfolgreichen Flug über den Pass konnte ich z.B. noch einen kräftigen Bart kurz vor Villafranca erwischen, der mich wieder bis auf über 2000m hievte.
Wer über den Pass kommen will, sollte sich im Internet einmal diese animierte Anleitung anschauen. Sie zeigt, wo bei welchen Windverhältnissen die besten Bärte stehen. Allgemein gilt: Um einigermaßen sicher weiter zu kommen, sollte man nach dem Talsprung mehr als 2500m MSL im Vario angezeigt bekommen. Solche Basishöhen sind in den Sommermonaten meist kein Problem. Juli und August gelten als ideale Monate für besonders weite Strecken, weil sich die ganze Region so stark aufheizt, dass die Basis häufig 3500m und mehr erreicht. Im Mai/Juni bzw. September/Oktober ist die maximale Thermikhöhe eher 1000m niedriger. Dafür sind die Bedingungen nicht ganz so ruppig.
Reine Genussflieger sind in Piedrahita eher fehl am Platz. Die üblichen thermischen Böen am Startplatz verlangen eine gute Rückwärtsstarttechnik. Und tagsüber geht es in der Luft recht bockig zu. Bärte mit >6m/s sind im Sommer keine Seltenheit. Als Entschädigung sind abends häufig noch wunderschön entspannte Flüge bis nach Sonnenuntergang möglich. Da sich die Ebene vor dem Startplatz tagsüber stark aufheizt, fliegt man noch lange auf einem sanften Warmluftkissen - entweder soarend am Hang oder weit draußen im Tal. Colchón, die Matratze, nennen die Spanier dieses Phänomen.
Wer noch mehr Infos über Piedrahita braucht, dem empfehle ich die englische Internetseite von Steve Ham: www.flypiedrahita.com. Steve lebt und fliegt seit Jahren in Piedrahita, organisiert dort Wettbewerbe und Streckenflugseminare und kennt sich mit den Bedingungen bestens aus. Er hilft auch gerne mit Auskünften zu Unterkünften etc. weiter. In Piedrahita gibt es mehrere Hotels und Pensionen, zudem auch schöne spanische Altstadthäuser, die man wochenweise mieten kann (spanische Buchungsseite). Eine zweite gute Infoquelle (nur auf spanisch) ist www.guajolotes.com. Unter dem Stichpunkt "Zonas" findet man dort Karten und Infos zu vielen weiteren Startplätzen in Zentralspanien.
Nachtrag vom 18.9.: Für Piedrahita habe ich auch eine kleine Sammlung von relevanten Wetterlinks zusammengestellt. Die zugehörige HTML-Datei (gezipped) gibt es im DHV-Forum zum download.
Fluggelände
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