Dies ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung meines früheren Posts "Die Crux mit dem Winterwind". Die Inhalte sind gerade in diesen Tagen besonders relevant. Wer fliegen geht, sollte sich die beschriebenen Zusammenhänge vor Augen führen, um manche Überraschung vor Ort besser verstehen und einordnen zu können. Der Text ist übrigens auch in gedruckter Form zu finden im aktuellen DHV-info Okt./Nov. 2011,S. 48 ff.
Wintersoaring am Dreiser Weiher |
Wie häufig beim Wetter gibt es viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Maßgeblich ist in diesem Fall aber vor allem eine Tatsache: Durch die schwache Sonneneinstrahlung im Winter erwärmt und durchmischt sich die bodennahe Luftschicht nicht sehr stark. Diese sogenannte Grenzschicht ist darum deutlich weniger mächtig als im Sommer. Entsprechend niedrig liegen im Winter, gerade bei denn fliegerisch nutzbaren Hochdrucklagen, die typischen Inversionsschichten.
Während im Sommer die Inversionsgrenze im Mittelgebirgsraum normalerweise zwischen 1500 und 2000 Meter MSL liegt (in den Alpen eher zwischen 2000 und 3000 Meter), sinkt sie im Winter an manchen Tagen bis auf 300 Meter ab. Da die meisten Hangstartplätze in den Mittelgebirgen irgendwo zwischen 300 und 1000 Meter MSL zu finden sind, ergeben sich bei niedriger Inversion interessante Effekte, die auch noch von Standort zu Standort deutlich variieren können. Die drei folgenden Situationen wird man im winterlichen Fliegeralltag immer wieder antreffen:
1. Im Kaltluftsee
Kaum Wind im Kaltluftsee |
2. Inversion mit Düsenwirkung
Düseneffekt unter einer Inversionschicht |
3. Doppelte Düse
Kaltluftsee verengt den Strömungskanal |
In solchen Fällen stellt sich am Startplatz häufig ein recht kräftiger, aber auch gleichmäßiger Wind ein. Diese Kombination ist das Rezept für schönstes Winter-Soaring, mit nahezu laminaren Bedinungen, fast wie an der Küste. Aber aufgepasst: Wer jetzt stundenlang fliegen will, muss in dem schmalen Windband bleiben. Sinkt man nur ein bisschen zu tief, gibt es im Kaltluftsee keine Chance mehr, sich zu halten, geschweige denn wieder nach oben zu hangeln. Steigt man nur ein bisschen zu hoch, kann knapp unter der Inversiongrenze der Wind wiederum deutlich zunehmen und auch turbulent werden.
Computer-Wettermodelle können solche Kaltluftsee-, Düsen- und Inversionseffekte in der Regel überhaupt nicht abbilden. Sie rechnen mit viel zu groben Geländemodellen und Höhenstufen. Deshalb liegen vor allem bei Inversionswetterlagen (Hochdruck) im Winter die Windkarten häufig völlig daneben – gerade mit Blick auf die Windstärke.
Da hilft es auch nicht weiter – wie es im Sommer immer ratsam ist –die Höhenwindkarten zu Rate zu ziehen. Die Höhenwindprognose für die Druckflächen 925 hPa oder 850 hPa zeigen den Wind in ungefähr 850 Meter beziehungsweise 1500 Meter Höhe. Doch diese Höhenstufen liegen im Winter häufig schon über der Inversion, die in diesem Fall sogar wie eine schützende Grenze wirkt: Selbst wenn es in der Höhe extrem stark bläst, wird der Wind, ohne die im Sommer übliche thermische Durchmischung und das dadurch ausgelöste Aufbrechen der Inversion, nicht in Böen bis zum Boden durchschlagen. Deshalb kann man in der kalten Jahreszeit häufig noch bedenkenlos und sicher soaren, selbst wenn die Höhenwindprognosen Werte anzeigen, die im Sommer ein absolutes „no fly“ wären.
Aufgrund der Inversionseffekte lässt sich auch keine allgemeingültige Regel für den Winterwind aufstellen: Wann ist er gut fliegbar, wann zu schwach und wann zu stark? Hier hilft nur viel Erfahrung weiter, und zwar für jedes Gelände einzeln.
Tipps zur Flugvorbereitung
Wer dennoch ein wenig Flugvorbereitung betreiben und nicht ganz aufs Geratewohl ins Gelände fahren will, dem bleiben ein paar Möglichkeiten, an hilfreiche Informationen zu kommen. Da wären zum einen die Ballonsondenaufstiege. Wer die darüber ermittelten Diagramme der Temperaturschichtung der Atmosphäre (Temps) lesen kann, wird dort erkennen, in welcher Höhe aktuell die Inversionsgrenze liegt. Bei stark ausgeprägten Inversionen gibt es im Winter kaum Chancen, dass sie im Tagesverlauf aufbrechen.
Hilfreiche Hinweise über die Lage der Sperrschichten liefern auch die Ballonwetterberichte des Deutschen Wetterdienstes. Anders als die Segelflugwetterberichte, die im Winter pausieren, wird das Ballonwetter ganzjährig vermeldet.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, aktuelle Wind-Messwerte von regionalen Wetterstationen abzufragen – am besten wählt man welche in verschiedenen Höhenstufen ober- und unterhalb des anvisierten Startplatzes aus. Auch daraus ergibt sich mit etwas Erfahrung ein ganz gutes Bild, ob und in welchen Höhenbändern die Starkwindschichten zu finden sind.
Flächiges Grau zeigt Hochnebel im Rhein- und Moseltal. Die Hochlagen der Eifel liegen schon in der Sonne (Bild: sat24) |
Neben den schon beschriebenen Effekten kann eine Inversion, die nur knapp über den Kammlagen zu finden ist, noch andere unberechenbare Folgen haben. Eine davon sind Welleneffekte. An den Kompressionszonen in den Kammdüsen wird die Inversion wie ein Gummiband ausgelenkt und wellt dann hinter dem Hindernis noch lange nach.
Welleneffekte an Inversion |
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