Ein Pilot startet an der Grente, stürzt aber wenig später ab. Ein anderer verfolgt den Flug per Livetracking und alarmiert die Rettungskette. Ein Plädoyer für den Mut zu helfen. 

Wenn der Track im Niemandsland nur noch zittert, sollten die
Alarmglocken schrillen. Dass hier die rote Linie wieder von der
Unfallstelle wegführt, hängt mit dem Abtransport im Hubschrauber
zusammen, bei dem der Livetrack weiter lief. // Quelle: Livetrack24
Die Geschichte passierte vor einigen Tagen. Da startete ein Pilot von der Grente zu einem Streckenflug, stürzte aber in unwegsamem Gelände im Defreggental ab. Er hatte einen Livetrack geschaltet, und so war auf dem Bildschirm eines fernen Beobachters zu sehen, dass dieser Track mit einem Mal nicht mehr weiter ging. Er blieb an einem Punkt und einer Höhe nahezu stehen, zitterte gewissermaßen nur noch leicht hin und her, was zeigte, dass der Track weiter mit neuen Daten gefüttert wurde. Dem Zuschauer wurde klar: Ein Flug ist das nicht mehr, und das Gelände ist auch nicht gerade als Toplandeplatz geeignet. Hier dürfte also etwas passiert sein.

Wie reagiert man in einem solchen Fall? Immerhin ist man nicht vor Ort und kann die Lage nicht einschätzen. Aktiviert man die Rettungskette, könnten hohe Kosten auf den möglicherweise nur vermeintlich abgestürzten Piloten zukommen. Doch im Zweifel ist es in solchen Fällen angebracht, der Sicherheit wegen gegen den Kontostand und für das Leben des Betroffenen zu entscheiden.

In der o.g. Geschichte hat der ferne Beobachter das auch getan - wobei er sich diese Entscheidung nicht leicht machte. Im DHV-Forum hat er unter dem Pseudonym Fuschertom sehr selbstkritisch beschrieben, wie er die Situation erlebte. Die Darstellung ist ein Lehrstück dafür, dass es richtig ist, in solchen Situationen auf sein Bauchgefühl zu hören.

Um 12:30 Uhr vibrierte das Handy. Anruf verpasst... ein Fliegerkollege.
12:34 Rückruf ... Er schildert mir, dass er in der Arbeit ist und die Flüge der anderen von der Grente per Livetrack24 verfolgt hat. Bei einem veränderte sich die Position allerdings irgendwann nicht mehr, und nach telefonischer Rücksprache mit dem vermeintlich Abgestürzten wurde der Absturz bestätigt. Der Pilot konnte sich an die Ursache und was genau passiert war aber nicht mehr erinnern, wobei er dem Anrufer versicherte dass er sich bewegen könne und alles in Ordnung sei. Sein Anruf bei mir hatte nur informativen Charakter - er wollte dieses "schräge" Erlebnis einfach nur Teilen weil die Situation so komisch ist.

Ich war zu der Zeit noch in der Arbeit ... hab anschließend auf Livetrack den Flug angeschaut. Livetrack war noch immer an. Der Absturz erfolgte um 10:40 Uhr. Es hatte den Anschein, als ob sich der Pilot in geringem Maße bewegen würde. Einer meiner Arbeitskollegen, selber bei der Bergwacht meinte: "eigentlich gehört der geholt - aber ruf ihn doch halt mal an" Etwas nervös ging ich raus um besseren Empfang zu haben. Um 13 Uhr erfolgte mein Anruf beim Verunfallten.
Er hebt ab. Daraufhin ein kurzes Gespräch, bei dem mir langsam klar wurde, dass etwas nicht stimmt. Die Stimme war etwas anders als normal. Auf meinen Vorschlag, er solle sich holen lassen, meinte er, er sei müde und wolle etwas schlafen, um dann anschließend ins Antholzer Tal zu fliegen.

Nach diesem Telefonat umgehende Rücksprache mit Kollege 1, der mich ursprünglich anrief. Ich erzählte ihm von meinem Gespräch und dass etwas nicht stimmt, weil er sich so komisch anhörte etc. Ratlosigkeit machte sich breit. Die anderen vor Ort fliegen alle noch - keiner erreichbar. Von meinem Arbeitskollegen wird mir noch mitgegeben, dass der geholt werden sollte.

Mit dem scheinbaren Hintergrundwissen, dass ein Fehlalarm eines Hubschraubers meinem Freund Geld kosten könnte, folgten lange Telefon/SMS/Whatsapp Orgien, die gefühlt im Minutentakt vergingen. Um 14:06 letzter Anruf von Kollege 1. Der meldet, dass der andere nicht mehr telefonisch erreichbar ist. 14:13 rufe ich Kollegen 1 nochmals an, um zu verdeutlichen, dass der andere geholt werden muss. Per Whatsapp wird das weitergemeldet an die Whatsapp-Gruppe der Streckenflieger vor Ort, und um 14:43 ist der Heli unterwegs.

Mittlerweile bin ich wieder von meiner Irrfahrt im Auto zurück am Arbeitsplatz und will wissen, wohin er gebracht wird. Die Tatsache, dass er endlich am Haken hängt, erleichtert ungemein. Beim Entsperren des Rechners erübrigt sich meine Frage. Livetrack sagt: mit 290 km/h Richtung Innsbruck. Es folgen Telefonate mit Kollegen, die die Angehörigen kennen, mit der Personalabteilung wegen Notfallkontakt und wegen Adresse/Geb.-Datum...

Ergebnis: Schädelbasisbruch, mehrfacher Beckenbruch, Jochbein und Ellbogen.

Hätte er mehr gehabt, hätte ihm meine Nachlässigkeit vermutlich das Leben gekostet. Also: Nutzt Livetrack und denkt nicht an theoretische Kosten, wenn es um Leben geht.

Was habe ich falsch gemacht? Um 12:34 hätte ich es melden sollen!

Der Vorfall ist ein gutes Beispiel dafür, dass das Livetracking eben nicht nur eine prima Show darstellt, um seinen Kumpels daheim zu zeigen, auf welchen tollen Routen man gerade unterwegs ist. Livetracking ist ein wertvolles Sicherheitsfeature, das lebensrettend sein kann. Nicht nur, dass ferne Beobachter auf einen möglichen Absturz aufmerksam werden können. Ein Livetrack hilft auch den alarmierten Rettungskräften, einen Verunfallten nicht lange suchen zu müssen.

Der Vorfall ist freilich ebenso ein gutes Beispiel dafür, dass man der Selbstwahrnehmung eines Verunfallten nicht trauen darf. In solchen Fällen wird der Betroffene meistens in einem Schockzustand sein, in dem er nicht mehr weiß, was er vernünftigerweise tun sollte. Allein deshalb ist möglichst baldige fremde Hilfe angesagt, selbst wenn der Körper im besten Fall weitgehend unversehrt geblieben ist.

Übrigens: Die Apps wie der Basisdienst von Livetrack24 sind kostenfrei. Auch das anfallende Datenvolumen fällt kostenmäßig nicht ins Gewicht. Auf einen solchen Dienst bei Streckenflügen zu verzichten bedeutet, am falschen Ende zu sparen.